von Bob Labi (LPYS-Nationalkomitee)
[Militant, Ausgabe 207, 24. Mai 1974, S. 3 und 6]
Die Streiks in Portugal sind ein klares Zeichen dafür, dass die Arbeiter*innenklasse eine Fortsetzung der alten Verhältnisse nicht länger hinnehmen wird. Ihre ohnehin schon niedrigen Löhne sind durch die rasante Inflation schnell aufgezehrt worden: 6% allein im Februar dieses Jahres.
200.000 Textilarbeiter*innen drohten mit Streiks für höhere Löhne, Krankenschwestern im Lissabonner Krankenhaus schmiedeten Pläne für Aktionen zur Verbesserung ihres 20-Pfund-Monatslohns. Mehr als 8.000 Arbeiter*innen besetzten eine der größten Werften der Welt:
„Die Lisnave-Werft ist Portugals größter Einzelarbeitgeber und einer der wichtigsten Industriekomplexe. Sie hat den Ruf, einer der Bestzahlenden zu sein, aber die Arbeiter fordern Lohnerhöhungen um 50 % von etwa 80 auf 120 Pfund pro Monat sowie kürzere Arbeitszeiten und bessere Arbeitsbedingungen“. (Times 17. 5. 74)
Ein Reporter des Observer (19. 5. 74) […] in den großen Industriebezirken jenseits des Tejo … beträgt der Durchschnittslohn 50 Pfund im Monat. Der größte Teil der Industrie von Barreiro, die Schifffahrt, bildet das Imperium der Familie Mello, die sehr reich ist und früher sehr viel Einfluss hatte. Dessen Arbeiter streiken“.
Innerhalb weniger Wochen hat die Massenbewegung, die das alte, verrottete faschistische Regime hinweggefegt hat, nun Risse in der viel gepriesenen „nationalen Einheit“ des portugiesischen Volkes offenbart.
Dieser Aufschwung der Kampfbereitschaft in den letzten Tagen zeigt die Unvereinbarkeit der Interessen zwischen den Großbanken der mit den Großgrundbesitzer*innen verbundenen Industriekonzerne und der Masse der Arbeiter*innen und Bäuer*innen.
Hätten die Arbeiter*innenführer*innen nur ein Zehntel des revolutionären Geistes der Arbeiter*innen, könnten die isolierten und demoralisierten Kapitalist*innen Portugals beiseite geschoben werden. Eine Arbeiter*innenregierung mit der Unterstützung der einfachen Soldaten und Matrosen sowie der Bäuer*innen und Arbeiter*innen auf dem Lande könnte eingesetzt werden.
Aber stattdessen werden die Energien der Arbeiter*innen hinter der provisorischen Regierung von Spinola kanalisiert. Mit drei sozialistischen Ministern und zwei Kommunisten. Es handelt sich um ein „Volksfront“-Bündnis zwischen den Arbeiter*innenparteien und Vertretern von Klassen mit grundlegenden und [?] entgegengesetzten Interessen. Weit davon entfernt, ein Fortschritt in Richtung Sozialismus zu sein, wie es der „Morning Star“ darstellt, ist es die einzige Hoffnung für die portugiesischen Kapitalist*innen.
Sie haben sich ausgerechnet, dass es angesichts des Sturms, den die „Hauptleute-Bewegung“ der jungen Offiziere zum Sturz des Caetano-Regimes ausgelöst hat, unmöglich wäre, der Arbeiter*innenbewegung offen entgegenzutreten. Das würde das Feuer der Revolution weiter anfachen. Die aus der Arbeiter*innenklasse stammenden Wehrpflichtigen der Armee und der Marine wären unzuverlässig. Sie mussten sich an die Führer der Arbeiter*innen wenden, um für sie die Linie zu halten.
„Die industriellen Unruhen werden ein wichtiger Test für die Kommunisten in der neuen Regierung sein. Der Arbeitsminister, Senhor Avelino Goncalves, ist ein Kommunist, und es ist nun seine Aufgabe, die Streikenden wieder an die Arbeit zu bringen. Wenn er Erfolg hat, würde das den Ruf der Partei, die sich um Mäßigung und Verantwortung bemüht, stärken …
„Die Kommunisten haben bereits einen bedeutenden Erfolg erzielt, indem sie dazu beigetragen haben, einen Streik der Stahlarbeiter*innen zu verhindern, der das Land schnell hätte zum Stillstand bringen können“.
(Times 17. 5. 74)
In dieser Lage kann das rosige Bild, das der „Morning Star“ zeichnet, der Arbeiter*innenbewegung nur schaden. General Spinola, der von den afrikanischen Aufständischen als „Mann des Lächelns und des Blutes“ bezeichnet wird, wird als der neue Retter der Arbeiter*innenklasse dargestellt. In den Zeitschriften der KP findet sich kein Wort der Warnung vor den Gefahren, die von solchen „Verbündeten“ ausgehen.
Am Freitag, dem 17. Mai, dem Tag, an dem die Nachrichten über die Streiks und Besetzungen in der britischen Presse weit verbreitet waren, erschien im [„Morning] Star“ kein einziges Wort darüber. Lediglich über die Ernennung der neuen provisorischen Regierung wurde berichtet, und das ohne Kritik an ihrer kapitalistischen Politik.
Am folgenden Tag erschien ein Hinweis darauf, was geschah und wie die portugiesischen KP-Führer*innen damit umgingen:
„Eine weitere Aufgabe war der Kampf gegen den rechten Opportunismus sowie der Kampf gegen den Linkismus, der sich in einer Ungeduld äußert, die das Kräfteverhältnis in Portugal nicht berücksichtigt und die sich auch in spalterischen Aktionen äußert, die der Reaktion in die Hände spielen“.
(Morning Star 18. 5. 74).
Sagt, was ihr meint! Hinter den „marxistischen“ Phrasen verbirgt sich der klare Versuch, die Tatsache zu verbergen, dass die kommunistischen und sozialistischen Parteiführer als Feuerwehrschläuche gegen die Arbeiter*innenklasse eingesetzt werden. Sie sind die Streikbrecher*innen an vorderster Front im Interesse einer vorgetäuschten „Klasseneinheit“.
Zur Rechtfertigung ihrer Politik wird immer wieder das alte Schreckgespenst der Gefahr einer drohenden Reaktion angeführt. Aber wenn man das Kräfteverhältnis betrachtet, sollte es zum jetzigen Zeitpunkt mehr als deutlich sein, dass die Faschisten zerschlagen sind. Die Geheimpolizei und die offenen Kollaborateur*innen des alten Regimes schleichen umher und fürchten um ihre Sicherheit. Die Wahrheit ist, dass die Kräfte der Reaktion im Moment isoliert sind. Die große Masse der einfachen Soldaten und Matrosen steht offen auf der Seite der Arbeiter*innen.
Es war keinerlei Kollaboration mit „liberalen“ Kapitalisten, Technokraten und Armeeoffizieren, die die Faschisten hinweggefegt hat, sondern die kühne Bewegung der Massen. Es sind genau die Arbeiter*innen, die streiken, um die Absetzung der faschistischen Manager und anderer zu fordern, die die Garantie gegen die Reaktion sind. Und doch werden sie der „Ungeduld“ bezichtigt!
Wenn es jemals eine Zeit gab, in der die Arbeiter*innenklasse sich schnell auf die Machtübernahme hätte zu bewegen können, dann waren es die letzten Wochen in Portugal!
Die Wahrheit ist das genaue Gegenteil der Argumente des [„Morning] Star“. Es ist ihre Politik, die zu einer Demoralisierung und der Möglichkeit der Reaktion, ihre Kräfte neu zu gruppieren, führen wird. Zusammenstöße zwischen den Arbeiter*innen und den Kapitalist*innen sind unvermeidlich. Wenn die Provisorische Regierung dazu benutzt wird, die Interessen des Kapitalismus zu verteidigen und die Arbeiter*innenführer*innen in die Schusslinie gedrängt werden, dann wird der unvermeidliche Verrat an den anfänglichen Hoffnungen zu Enttäuschung führen und langfristig den Boden für eine neue Bewegung der Reaktion bereiten.
Ein klarer Bruch mit der kapitalistischen Provisorischen Regierung und die unabhängige Mobilisierung der Arbeiter*innen für klare sozialistische Forderungen ist der einzige Weg, um die Gefahren der Reaktion hinwegzufegen!
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