[eigene Übersetzung aus dem Nachdruck in der Broschüre China – Die Tradition des Kampfes von 1989]
Es ist unmöglich, die chinesische Revolution von 1944-49 zu verstehen, ohne zumindest in groben Zügen die Ereignisse zu skizzieren, die auf die Niederlage der Revolution von 1925-27 folgten.
Diese frühere Revolution hatte einen proletarischen Charakter, nach dem Vorbild der Russischen Revolution, während in der Revolution von 1944-49 ein völlig anderes Verhältnis der Klassenkräfte herrschte. Dennoch war die Revolution von 1944-49 in gewissem Sinne – und das mag paradox erscheinen – ein Echo der Bewegung von 1925-27.
Was waren die Folgen der Niederlage der Revolution von 1925-27 für das chinesische Volk? Politisch bedeutete sie die Errichtung einer rücksichtslosen Militärdiktatur, die alle demokratischen Rechte der arbeitenden Bevölkerung unterdrückte und die Bewegung der Arbeiter*innen und Bäuer*innen zerschlug.
Dieses Regime ermordete 1927 mindestens 35.000 Mitglieder der Kommunistischen Partei und insgesamt etwa 50.000 Menschen im Laufe des Jahres allein in den Städten. Bis 1929 waren nach Schätzungen wenigstens 150.000 Menschen als direkte Folge der Unterdrückung durch das Kuomintang-Regime ums Leben gekommen.
Alle demokratischen Rechte – das Streikrecht, die Versammlungsfreiheit, das Wahlrecht – wurden von diesem Regime unter Tschiang Kai-schek abgeschafft. Während das Regime völlig rücksichtslos gegen die kleinste Bewegung der Arbeiter*innen und Bäuer*innen vorging, war es gleichzeitig völlig ohnmächtig gegenüber den Übergriffen des Imperialismus auf China.
Insbesondere der japanische Imperialismus ist in der Zeit nach den Ereignissen von 1925-27 einmarschiert, um sich eine günstigere Position in Bezug auf Rohstoffe und Märkte zu verschaffen. Dies war notwendig, um den Bedarf seiner wachsenden verarbeitenden Industrie zu decken.
Es war keineswegs zufällig, dass der japanische Imperialismus bei der Eroberung und Zerstückelung Chinas im Vordergrund stand. Der japanische Kapitalismus verfügt über keine einheimischen Rohstoffe und schaute hungrig auf Chinas Reserven an Kohle, Öl usw.
Außerdem war die japanische Industrie schon immer stark von den Exportmärkten abhängig. Während der Weltwirtschaftskrise von 1929-33 gingen die japanischen Exporte von Industriegütern um zwei Drittel zurück; die Hälfte der Fabriken stand still, und die Bedeutung des asiatischen Festlands als Markt wurde entscheidend.
Die japanischen Imperialist*innen waren natürlich nicht die einzigen, die China ausplünderten. Auch der amerikanische, der britische und der französische Imperialismus nutzten die Gelegenheit, die sich durch die Schwäche Chinas in der Zeit nach 1925-27 bot, um ihre bestehenden Einflusssphären auszuweiten.
Der japanische Imperialismus eroberte zwischen 1931 und 1935 in mehreren Feldzügen praktisch die Mandschurei und errichtete das Marionettenregime Mandschukuo. Der britische und der amerikanische Imperialismus beteiligten sich an der Zerstückelung Chinas.
In dieser Lage, in der die nationale Unterdrückung des chinesischen Volkes und die nationale Empörung gegen den Imperialismus enorm zunahmen, waren Tschiang Kai-schek und das Kuomintang-Regime völlig unfähig, sich den imperialistischen Mächten entgegenzustellen. Tschiang Kai-schek fasste seine Politik in der Tat als „Nicht-Widerstand“ gegen den Imperialismus zusammen!
In den frühen 1930er Jahre konnten die Japaner*innen ohne ernsthaften Widerstand der Kuomintang-Streitkräfte bis zur Besetzung von Shanghai und anderen Städten vordringen. Chinesische Generäle versorgten die Besatzungstruppen tatsächlich mit den von ihnen benötigten Rohstoffen und Öl. Auch im weiteren Verlauf des Krieges fand der japanische Imperialismus offene Kollaborateur*innen im Kuomintang-Regime und besonders in dessen Armeen.
In dieser Periode wurde auch die chinesische Industrie mehr und mehr von imperialistischen Konzernen übernommen. Zum Beispiel kontrollierten der britische und japanische Kapitalismus 1934 die Hälfte der chinesischen Garnproduktion.
Vor diesem Hintergrund – auf der einen Seite die brutalen Angriffe auf die Bedingungen und die demokratischen Rechte der Arbeiter*innenklasse und auf der anderen Seite die immer stärkere Zerstückelung Chinas – müssen wir die Rolle der Kommunistischen Partei Chinas und ihrer Führer*innen nach der Revolution von 1925-27 betrachten.
Übergangsforderungen
Auf dem Höhepunkt des revolutionären Aufschwungs hätte, wie Trotzki und die Linke Opposition in der Kommunistischen Internationale betonten, die Losung der Sowjets (Arbeiter*innenräte) auf der Tagesordnung stehen und Teil des Programms der chinesischen KP sein müssen, als Vorbereitung auf die Machtübernahme. Nach der Niederlage der Revolution von 1925-27, als eine Militärdiktatur alle großen Städte Chinas mit eiserner Hand beherrschte, wäre dies jedoch offensichtlich nicht mehr richtig gewesen.
Deshalb stellte Trotzki die Idee auf, dass es jetzt notwendig sei, ein Programm mit Übergangsforderungen aufzustellen – zu Löhnen, Arbeitszeiten, Arbeitsbedingungen und auch zu allen demokratischen Forderungen der Werktätigen: Streikrecht, Versammlungsfreiheit usw. Diese sollten mit der Losung „Land an die Bäuer*innen“ verknüpft werden, die die ländlichen Massen um die Arbeiter*innenklasse und die KP als die demokratischste und revolutionärste Kraft in der Gesellschaft hätte mobilisieren können. Die krönende Losung sollte eine revolutionäre verfassungsgebende Versammlung sein – ein Parlament der Massen also, das von der Arbeiter*innenklasse im Zuge des Kampfes gegen die Kuomintang einberufen werden sollte.
Die chinesische KP-Führung lehnte dieses Programm jedoch vollständig ab. Nach dem Rücktritt und dem anschließenden Ausschluss von Ch’en Tu-hsiu lag diese Führung in den Händen von Li Li-san, der Stalin und der Bürokratie in Russland vollkommen gehorsam war. Dies war die „dritte Periode“ (ultralinke Periode) des Stalinismus, als die Losung lautete: „Sowjets überall! – unabhängig von den Umständen.
Die KP-Führung lehnte demokratische und Übergangsforderungen ab, die das Mittel zur Mobilisierung der Arbeiter*innenklasse und der Bäuer*innenschaft gewesen wären, um die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft durchzusetzen. Als die Arbeiter*innen in Shanghai, Hankow, Kanton und anderen Städten streikten, forderte die Kommunistische Partei sie stattdessen auf, Sowjets zu organisieren. Die Arbeiter*innen antworteten: „Exzellenzen, Sie sind sehr gut und talentiert, aber bitte gehen Sie weg. Alles, wofür wir heute kämpfen können, ist ein Stück Brot, um unsere Bäuche zu füllen.“
Um diese Arbeiter*innen zu überzeugen, hätte die allgemeine Idee der sozialistischen Revolution mit ihren täglichen Kämpfen gegen die Kapitalist*innen und Großgrundbesitzer*innen verknüpft werden müssen. Stattdessen hat die Kommunistische Partei durch ihre wahnsinnige Politik ihre Basis in den Industriegebieten völlig verloren. Sie hörte auf, eine Partei der Arbeiter*innenklasse zu sein.
Dies wird durch die von den chinesischen KP-Führer*innen vorgelegten Fakten und Zahlen zur Parteimitgliedschaft verdeutlicht. Im Jahr 1927 zählte die KP 60.000 Mitglieder, von denen 58 % proletarischen Charakters waren.
Im Jahr 1928, nach den Morden und Verfolgungen der Konterrevolution, waren die Mitgliederzahlen der KP anscheinend gestiegen. Was es wirklich widerspiegelte, war jedoch, dass die Parteiführung die Städte verlassen hatte und aufs Land gegangen war. Die Mitgliederzahl der KP aus der Arbeiter*innenklasse war auf 10 % der Gesamtmitgliederzahl geschrumpft. Im Jahr 1929 waren nur 3 % der KP-Mitglieder Industriearbeiter*innen. Im September 1930 lag der Anteil bei 1,6 %.
Mit anderen Worten: Die Kommunistische Partei Chinas war keine proletarische Partei im marxistischen Sinne mehr.
Die Ex-Führer*innen des Proletariats – insbesondere die Ex-Führer*innen der Arbeiter*innenklasse in Shanghai und Kanton – waren nach dem Debakel von 1925-27 aufs Land gegangen. Zunächst fanden sie jedoch kein großes Echo bei der Bäuer*innenschaft. Wie Mao Tse-tung später selbst berichtete, wurden sie sogar von den Bäuer*innen angegriffen, die daran gewöhnt waren, dass Armeen in ihr Gebiet kamen und sie ausplünderten. Anfänglich wurden die Roten Abteilungen als eine weitere marodierende Armee angesehen.
In der folgenden Periode wurde in verschiedenen Teilen Chinas eine Reihe von angeblich „roten“ Armeen aufgestellt. Eine davon, in Hunan, wurde von Mao Tse-tung geführt, der später der politische Führer der Roten Armee wurde, mit Chu Teh [Zhu De] als militärischem Führer. Diese Armee – ich habe keine Zeit, darauf einzugehen – landete in den frühen 1930er Jahren in Kiangsi.
Tschiang Kai-schek, der völlig unfähig war, sich den Angriffen des Imperialismus zu stellen, richtete all seine Kräfte und Energien stattdessen gegen die kleinen Kräfte der Roten in den überwiegend bäuerlichen Gebieten. In der Tat sind in der chinesischen Geschichte keine glanzvolleren Seiten geschrieben worden als die Siege, die zwischen 1929 und 1934 von den roten Streitkräften gegen Tschiang Kai-schek und die Streitkräfte der Kuomintang errungen wurden.
Die vier-, fünf- und sechsmal stärkeren Armeen der Kuomintang wurden vor allem in der Provinz Kiangsi gegen die Roten Truppen eingesetzt. Aber sie waren nicht in der Lage, die Roten mit diesen Mitteln militärisch zu vertreiben.
Erst nachdem Tschiang Kai-schek eine halbe Million Mann starke Armee aufgestellt und die roten Bezirke vollständig eingekesselt hatte – die Kuomintang war mit allen Mitteln des Imperialismus bewaffnet, darunter fast 400 Flugzeuge, während die Roten über kein einziges Flugzeug verfügten -, sah sich die Führung der Roten Armee gezwungen, den Ausbruch aus der Umzingelung zu beschließen.
Im Oktober 1934 begann die Rote Armee, was als Langer Marsch bekannt wurde. Auch hier handelt es sich um eines der größten Kapitel in der Militär- und Sozialgeschichte Chinas, ja der ganzen Welt. Die heldenhaften Abteilungen der Roten Armee – anfangs etwa 90.000 Mann, begleitet von vielen Tausend Bäuer*innen – marschierten genau ein Jahr lang über eine beschwerliche Strecke von fast 10.000 km.
Sie schafften das unter der Führung von Chu Teh und Mao Tse-tung, obwohl sie immer wieder auf feindliche Truppen stießen, die ihre eigenen zahlenmäßig weit übertrafen. Schließlich fanden sie Zuflucht in der Bergfestung Yenan in Shensi.
Trotzkis Prognose
1932, als die „Rote“ Bäuer*innenarmee in Kiangsi glänzende Siege über die Kuomintang errang, hatte Trotzki die Frage gestellt, was geschehen würde, wenn diese Armee nach dem Sieg über die Großgrundbesitzer*innen in die Städte einmarschieren würde.
Er wies darauf hin, dass die Führer*innen der Roten Armee ehemalige Arbeiter*innen waren. Die Roten Streitkräfte setzten sich überwiegend aus Bäuer*innen, ehemaligen Bäuer*innen oder landlosen Arbeiter*innen sowie aus Flüchtlingen vor den verschiedenen Kriegsherren zusammen. In den Veröffentlichungen der Kommunistischen Partei selbst wurde beklagt, dass das Lumpenproletariat und die Lumpenlandbevölkerung in die Rote Armee aufgenommen wurden.
Mit anderen Worten, die Rote Armee war von ihrer sozialen Zusammensetzung her die gleiche Mischung aus Bäuer*innen und ehemaligen Bäuer*innen, die es in China seit Jahrtausenden gab: traditionelle Bäuer*innenarmeen, die sich gegen die Unterdrückung und Ausbeutung durch die Grundherr*innen erhoben hatten.
Bei der Frage, was passieren würde, wenn die Rote Armee in die Städte einzöge, stützte sich Trotzki auf die Erfahrungen in Russland. Er wies darauf hin, dass dort nach der Oktoberrevolution die Rote Armee zunächst hauptsächlich aus Arbeiter*innenabteilungen bestand, die die Armeen der Konterrevolution (die so genannten „Weißen“) im ganzen Land bekämpften. Gleichzeitig bildeten sich aber auch bäuerliche Abteilungen.
Solange sie gegen die Weißen kämpften, gab es eine gemeinsame Sache zwischen der Roten (proletarischen) Armee und den verschiedenen Bäuer*innenarmeen. Aber sobald die Weißen besiegt waren, trat der unterschiedliche Charakter der Armeen in den Vordergrund.
Die Tendenz des in der Großindustrie organisierten Proletariats besteht darin, die Industrie zu kollektivieren, die Produktion zu planen und zu organisieren. Die Tendenz der Bäuer*innenschaft, weil sie so verstreut, so geschichtet und so heterogen ist, besteht darin, das Eigentum aufzuteilen und die Beute zu verteilen.
Was, fragte Trotzki, wenn die bäuerliche „Rote Armee“ in China, die auf dem Lande siegreich ist, in die Städte eindringen würde? Wäre es nicht möglich, so Trotzki, dass sie mit der Arbeiterklasse zusammenstößt, dass sie den Forderungen der Arbeiter*innenklasse feindlich gegenübersteht und dass ihre Befehlshaber trotz ihres „kommunistischen“ Etiketts mit der Kapitalistenklasse verschmelzen, was zu einer klassischen kapitalistischen Entwicklung führen würde? Es gab in der Tat viele Parallelen in den vorangegangenen zweitausend Jahren chinesischer Geschichte, als die Führer siegreicher Bäuer*innenheere mit den damals herrschenden Klassen in den Städten verschmolzen waren.
In einem entscheidenden Punkt hat sich diese Prognose Trotzkis in der chinesischen Revolution von 1944-49 nicht bewahrheitet, denn wie wir wissen, wurde der Kapitalismus durch den Sieg der Roten Armee gestürzt. Nichtsdestotrotz hat Trotzki, wie ich im Folgenden erläutern werde, die Hauptmerkmale, die sich in der Revolution abzeichneten, auf der Grundlage der beteiligten Klassenkräfte richtig vorausgesehen.
„Einheitsfront“
In den 1930er Jahren war Tschiang Kai-schek so sehr mit dem Kampf gegen die Roten beschäftigt, dass er die Verteidigung Chinas gegen imperialistische Übergriffe aufgab. Schließlich wuchs sogar innerhalb der Kuomintang selbst und insbesondere in den Armeen der Kuomintang eine enorme Feindseligkeit – erstens gegenüber dem Vormarsch des Imperialismus und zweitens gegenüber der Ohnmacht von Tschiang Kai-schek und der Kuomintang-Führung, diesen Angriffen entgegenzutreten.
Das kulminierte 1936, als der Generalstab der Kuomintang seiner Armee in Shensi befahl, die Rote Armee erneut anzugreifen. Es gab enorme Unzufriedenheit; sie griffen nur widerwillig an und wurden besiegt. Daraufhin gärte in der Kuomintang-Armee der Aufruhr.
Tschiang Kai-schek beschloss, wie es seine Gewohnheit war, an die Front zu fliegen, um mit der Situation fertig zu werden. Während seines Aufenthalts in der Nähe von Sian kam es zu einem Aufstand in der Armee. Tschiang Kai-schek wurde in seinem Nachthemd an einem Berghang kauernd aufgefunden!
Er wurde vor die Mannschaften der Kuomintang gebracht, und der Ruf wurde laut: „Bringt den Schlächter des chinesischen Volkes vor ein Volksgericht!“ Das zeigte die Bereitschaft, sich der bürgerlichen Kuomintang-Diktatur zu entledigen und sich dem Kampf gegen den japanischen Imperialismus zu stellen.
Doch wie schon 1925-27 kam die Führung der Kommunistischen Partei Chinas Tschiang Kai-schek wieder einmal zu Hilfe. Tschou En-lai, als Vertreter von Mao Tsetung, flog nach Sian. Er betrat den Raum, in dem Tschiang Kai-schek festgehalten wurde.
Erinnern wir uns daran, dass Tschou En-lai 1927, zur Zeit der Unterdrückung der Shanghaier Arbeiter*innenklasse, im Hauptquartier der Allgemeinen Arbeiter*innenunion gewesen war. Er hatte das Gemetzel von Tschiang Kai-schek mit eigenen Augen gesehen. Tschiang wurde also weiß, als Tschou En-lai den Raum in Sian betrat! Schnell schlug er die Hacken zusammen und begrüßte Tschou als Generalissimus – als Führer – der chinesischen Revolution.
Mit anderen Worten: Der Führer – die eigentliche Quelle – der Konterrevolution war in den Händen der Roten. Die Truppen der Kuomintang waren bereit, auf die Seite der Revolution überzugehen.
Doch welche Politik verfolgte die chinesische KP-Führung, anstatt sich auf diese Tatsache zu stützen?
Tschou En-lai diskutierte etwa zwei Tage lang „erfolgreich“ mit Tschiang Kai-schek, und schließlich wurde eine „Einheitsfront“ geschmiedet – eine angebliche Einheitsfront, die die Kommunistische Partei seit dem Weltkongress der Komintern von 1935 befürwortet hatte.
Das war der Kongress, auf der die „dritte Periode“ aufgegeben wurde und der Stalinismus international zur Volksfrontpolitik überging – der Politik des Bündnisses mit der so genannten „fortschrittlichen“ Bourgeoisie. Aus diesem Grund strebte die Führung der Kommunistischen Partei in China, die zu diesem Zeitpunkt fest unter der Kontrolle von Mao Tse-tung stand, eine Einheitsfront mit der Kuomintang-Führung gegen den japanischen Imperialismus an.
Schließlich schlossen sie sich 1936/37 formell zu einer Einheitsfront zusammen. Dies wiederum war der Zeitpunkt, den der japanische Imperialismus wählte, um eine umfassende militärische Kampagne zur Eroberung des chinesischen Territoriums zu starten.
Es ist sehr interessant, den Prozess dieser angeblichen „Einheitsfront“ im Detail zu untersuchen, was hier leider aus Zeitgründen nicht getan werden kann. Wichtig an der gesamten Erfahrung in China in den 1930er Jahren ist jedoch Folgendes: In der ersten Phase, als die Roten Armeen in Kiangsi einrückten, vertrieben sie die Großgrundbesitzer*innen und begannen, eine Landreform durchzuführen. Aber auf der Grundlage der Unterzeichnung dieses „Einheitsfront“-Abkommens mit der Kuomintang – ja als Vorbedingung dafür – wurde die Landreform in den roten Gebieten gestoppt.
Trotzki sagte in dieser Phase, dass man die Möglichkeit einer koordinierten militärischen Aktion gegen den japanischen Imperialismus durch die Kräfte der Kuomintang unter Führung von Tschiang Kai-schek und die Kräfte der Roten nicht ausschließen würde. Dies würde jedoch unter der Bedingung geschehen, dass die Kräfte der Roten und der Arbeiter*innenbewegung in China völlig unabhängig sind.
Wie Trotzki betonte und wie die parallele Erfahrung in Russland gezeigt hatte, wäre die stärkste Waffe im Kampf gegen den japanischen Imperialismus die Durchsetzung eines sozialen Programms, das Land an die Bäuer*innen und die Fabriken an das Proletariat verteilt.
Aber in China, in der Periode der „Einheitsfront“, taten die Roten das nicht. Im Gegenteil, in den roten Gebieten behielten die reichen Bäuer*innen das Land; und die reichen Bäuer*innen begannen mehr und mehr, sich in die Reihen der Roten Armee und des entstehenden Staatsapparats in den roten Gebieten einzuschleichen. Selbst Tschou En-lai und Mao Tsetung beklagten sich darüber.
Gleichzeitig herrschte in den von den Roten kontrollierten Städten eine ähnliche Situation, wie sie durch die Politik der KP in Schanghai und Kanton während der Revolution von 1925-27 entstanden war: Klassenkollaboration mit den Kapitalist*innen; ein bewusster Versuch, die Bewegungsfreiheit der Arbeiter*innenklasse einzuschränken; die Arbeiter*innen sollten nicht mehr verlangen, als die Kapitalist*innen zu geben bereit waren usw.
Das Wichtigste an dieser sogenannten Einheitsfront mit der Kuomintang war jedoch, dass die Kuomintang im Verlauf des Krieges selbst völlig unfähig war, dem Vormarsch der japanischen Streitkräfte Widerstand zu leisten. Die Streitkräfte der Kuomintang zogen sich in die zentralen und westlichen Teile Chinas zurück.
Die einzige Kraft, die den japanischen Imperialismus wirklich bekämpfte, war die Rote Armee.
Das Programm des japanischen Imperialismus in den ländlichen Gebieten Chinas wurde in der grausamen Parole der „Drei Alles“ zusammengefasst: „Alles plündern, alles verbrennen und alles töten.“ Durch diese absolute Rücksichtslosigkeit wurden die Bäuer*innen in die Reihen der Roten Armee getrieben.
So war das Endergebnis, dass der japanische Imperialismus lediglich die großen Industriegebiete und einen schmalen Landstreifen entlang der Eisenbahnlinien hielt. Schon zu Beginn des Krieges geriet ein großer Teil des übrigen Chinas unter den Einfluss der Roten Armee und ihrer Führung.
In den roten Gebieten sahen wir schon das Embryo einer Staatsmaschine. So hatte das von den Roten kontrollierte Gebiet 1945, am Ende des Zweiten Weltkriegs, eine Bevölkerung von etwa 90 Millionen Menschen. Die embryonale Staatsmacht der Roten war so groß, dass sie sogar ihre eigene Währung herstellten.
Die Kuomintang kämpfte nur gelegentlich gegen die Japaner*innen. Das Kalkül Tschiang Kai-scheks bestand darin, seine Streitkräfte im Westen zu halten, um, sobald der japanische Imperialismus im Weltkrieg vom amerikanischen Imperialismus besiegt worden war, die Ostküste Chinas wieder zu besetzen.
Er erwartete, dass es dann eine Wiederholung der Ereignisse von 1925-27 und die Kapitulation der chinesischen KP-Führung geben würde. Dies geschah nicht, und zwar aus Gründen, auf die ich in einem Moment eingehen werde.
Es ist wichtig zu betonen, dass die meisten Energien der Kuomintang während des Krieges, wann immer es möglich war, gegen die Roten gerichtet waren. In den Jahren 1941-42 zum Beispiel, als die Rote Armee versuchte, die Japaner*innen in den Kampf zu verwickeln, griff die Kuomintang bei der Überquerung einer Reihe von Flüssen heimtückisch die Kräfte der Roten an. Dies war ein klarer Verstoß gegen die vereinbarte so genannte „Einheitsfront“ gegen den japanischen Imperialismus.
Das Ergebnis des Krieges
Wie wir wissen, wurde der japanische Imperialismus schließlich im Laufe des Zweiten Weltkriegs besiegt und kapitulierte 1945 nach dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. Danach stand Tschiang Kai-schek vor einem gewaltigen Dilemma.
Zunächst intervenierte die russische stalinistische Bürokratie in der Mandschurei und besetzte in einem neuntägigen Krieg praktisch die gesamte Mandschurei. Es war offensichtlich, dass Stalin dort sogar die Errichtung eines Marionettenregimes in Erwägung zog.
Li Li-san (den ich bereits als Marionette Stalins erwähnt habe) war 1930 aus der chinesischen KP-Führung entfernt worden und war danach in Moskau geblieben. Nun wurde er im Rahmen eines halbherzigen Versuchs der russischen Bürokratie, ihre Position in der Mandschurei zu festigen, auf den Fersen von Stalins Truppen zurückgebracht.
In der Mandschurei befand sich zu diesem Zeitpunkt der größte Teil der chinesischen Industrie. Als die stalinistische Bürokratie die Mandschurei besetzte, ging sie – in der gleichen rücksichtslosen Art und Weise wie in Deutschland – dazu über, das gesamte Gebiet seiner Fabriken und seines technischen Know-hows zu berauben und es nach Russland abzutransportieren.
Dies stand im völligen Widerspruch zu allen Prinzipien des Internationalismus, die Lenin und die Bolschewiki 1917 aufgestellt hatten. Die engen, nationalistischen, bürokratischen Konzepte des Stalinismus führten zur Plünderung der Mandschurei.
Nachdem die Rote Armee in die Mandschurei eingedrungen war, wurde Tschiang Kai-schek von den Amerikaner*innen aus den von ihm besetzten westlichen Gebieten eingeflogen. Tschiang befand sich nun in der gleichen Lage wie der japanische Imperialismus zuvor. Er besaß die Städte und einige Teile der Eisenbahnen – die Teile der Eisenbahnen, die von den Bäuer*innen nicht aufgerissen worden waren. (In einer sehr berühmten Tradition des chinesischen Bäuer*innenwiderstands verbogen sie die Schienen, um sie unbrauchbar zu machen.)
Tschiang Kai-schek musste dann darüber nachdenken, seine Truppen und Ausrüstung mit Hilfe des amerikanischen Imperialismus auf dem Seeweg nach Nordchina und in die Mandschurei zu bringen. Alles in allem befand er sich in einer sehr schwierigen strategischen Lage.
Doch am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Rote Armee Chinas, die überwiegend aus Bäuer*innen bestand, unter enormen Druck gesetzt, sich erneut mit Tschiang Kai-schek zu einigen. Im Jahr 1945 herrschte große Kriegsmüdigkeit, und in diesem Jahr beschloss die Führung der Roten Armee, erneut mit der Kuomintang zu verhandeln.
Ich habe bereits erwähnt, dass Trotzki erwartet hatte, dass die Führer*innen nach dem Einmarsch der Roten Armee in die Städte mit der Kapitalist*innenklasse verschmelzen würden, mit dem Ergebnis, dass eine klassische kapitalistische Entwicklung eintreten würde. Aber erinnern wir uns daran, dass am Ende des Zweiten Weltkriegs zwei Jahrzehnte seit der Revolution von 1925-27 und der damaligen Kapitulation der chinesischen KP-Führung vor der Kuomintang-Bourgeoisie vergangen waren.
Nun befand sich die chinesische Gesellschaft in einer völligen Sackgasse. Der Großgrundbesitz und der Kapitalismus hatten in diesen zwei Jahrzehnten die Gelegenheit gehabt, die Probleme der chinesischen Gesellschaft zu lösen, und hatten sich als unfähig erwiesen. Der chinesische Kapitalismus war nicht in der Lage, das Landproblem zu lösen, er war nicht in der Lage, China zu vereinigen, er war machtlos gegen den Imperialismus, er war nicht in der Lage, das Blutvergießen und das Leiden des chinesischen Volkes zu stoppen.
Um nur ein Beispiel für den schrecklichen Bankrott des kapitalistischen Systems in China zu nennen – die Inflationsrate betrug in einem Jahr nach dem Zweiten Weltkrieg 10.000 %! Das Geld wurde völlig wertlos. Die gesamte chinesische Gesellschaft war völlig desorganisiert.
Darüber hinaus sind während der Kuomintang-Diktatur mindestens eine Million Menschen in China als direkte Folge der monströsen Repressionsmaßnahmen dieses Regimes umgekommen. Ganz zu schweigen von dem Gemetzel, das der japanische Imperialismus angerichtet hat.
Dennoch wurde am Ende des Krieges aufgrund der Kriegsmüdigkeit Druck auf die Kuomintang und die Kommunistische Partei ausgeübt, zusammenzuarbeiten. Einige Marxist*innen im Westen – das heißt angebliche Marxist*innen – sagten: „Ah, seht! Mao Tse-tung versucht, vor Tschiang Kai-schek zu kapitulieren“.
Aber war das der Fall? Es war in der Tat richtig, dass die Führung der Roten Armee in dieser Phase mit der Kuomintang verhandelte. Das war notwendig, um den Massen klarzumachen, dass die Roten nicht für die Fortsetzung des Krieges verantwortlich gemacht werden sollten, sondern dass sie für den Frieden waren.
Und was war das Programm, das Mao Tse-tung zu diesem Zeitpunkt vorlegte? Es ist sehr interessant, dieses Programm zu untersuchen:
* Bestrafung der Kriegsverbrecher*innen. Wer waren die Kriegsverbrecher? Vor allem die Spitzen der Kuomintang – die übrigens in der Mandschurei alle Kollaborateur*innen mit dem japanischen Imperialismus übernommen und in die Kuomintang-Armee eingegliedert hatte. Die Kriegsverbrecher*innen waren die Führung der Kuomintang.
* Abschaffung der Schein-Verfassung, auf der die Kuomintang beruhte.
* Abschaffung der vorgeblichen Legitimität der Kuomintang-Macht. Dies bedeutete, dass die Kuomintang-Führer*innen nicht mehr als legitime Inhaber*innen der politischen Macht angesehen werden sollten.
* Reform aller reaktionären Armeen gemäß demokratischen Grundsätzen – ein vernichtender Schlag gegen die Offizierskaste der Kuomintang und die führende Clique.
* Konfiszierung des bürokratischen Kapitals. Das war praktisch ein Pseudonym für „Übernahme des Kapitalismus“ – Verstaatlichung des Kapitals, das vom Imperialismus und von den Spitzen der Kuomintang und ihren Anhänger*innen kontrolliert wurde.
* Reform des Agrarsystems.
* Aufhebung der Verträge des nationalen Verrats.
* Einberufung einer beratenden Konferenz ohne die Beteiligung reaktionärer Elemente.
Für die Kuomintang-Führung war es absolut unmöglich, sich mit der Roten Armee auf eine dieser Maßnahmen zu einigen – Maßnahmen, die so offensichtlich notwendig und für die Masse des chinesischen Volkes akzeptabel waren. Es folgte ein kurzes Interregnum, in dem der amerikanische Imperialismus versuchte, Druck für eine Koalition auszuüben. Dies war nicht erfolgreich und führte zur Wiederaufnahme des Krieges im Jahr 1946.
Der eigentliche Bürgerkrieg in China fand zwischen 1946 und 1949 statt. In einer ganzen Reihe von Schlachten wurden die Streitkräfte der Kuomintang zerschlagen. In der Mandschurei wurden sie in den Städten eingekesselt, die schließlich fielen. Anschließend rückte die Rote Armee in die zentralen und östlichen Provinzen ein.
Die soziale Lage
Betrachtet man das Zusammenspiel der Faktoren, die zu diesem Zeitpunkt in der chinesischen Gesellschaft existierten, so wird deutlich, dass die Situation nicht so war, wie Trotzki sie in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg erwartet hatte. Die Ohnmacht und der Bankrott des Großgrundbesitzer*innentums und des Kapitalismus – seine völlige Unfähigkeit, der chinesischen Gesellschaft einen Weg in die Zukunft zu weisen – waren inzwischen viel weiter fortgeschritten, als man hätte vorhersehen können.
Es wäre falsch zu glauben, dass der Garant für die Siege der Roten Armee in den Kämpfen des chinesischen Bürgerkriegs militärische Überlegenheit war.
Im Gegenteil, die Kuomintang hatte in militärischen Begriffen eine überwältigende Überlegenheit. Es gab etwa eine Million Soldaten in den Kuomintang-Armee, und sie waren vom amerikanischen Imperialismus mit den modernsten Waffen und Techniken ausgerüstet.
In jeder Schlacht, die stattfand, wurde die Kuomintang durch die revolutionäre Propaganda der Roten Armee besiegt – insbesondere durch den Aufruf „Land an die Bäuer*innen“.
Unter dem Eindruck der Massenbewegung, die sich 1947 entwickelte, waren Mao Tse-tung und die chinesische KP-Führung gezwungen, ein viel radikaleres Landprogramm anzunehmen, als es in den roten Gebieten während der früheren „Einheitsfront“-Periode bestanden hatte. Infolgedessen war die Propaganda der Roten Armee wie Panzer, die durch die Linien der Kuomintang-Armeen brachen.
Wenn sie eine Armee der Kuomintang besiegten, nahmen die Roten die Truppen nicht gefangen. Sie ließen die Kuomintang-Truppen frei – und vermittelten ihnen die Idee, dass die Roten wollten, dass sie das Land übernehmen und die Grundbesitzer*innen und kapitalistischen Ausbeuter*innen zerschlagen.
Das war bei der Zersetzung der Kuomintang-Armeen erfolgreicher als Flugzeuge, Kugeln und all die neuesten Waffen. Schließlich führte es 1947-48 zum völligen Zusammenbruch der Kuomintang.
Aber noch 1948 gab es angebliche „Marxist*innen“, angebliche „Trotzkist*innen“, die darauf bestanden, dass Mao Tsetung versuchte, vor Tschiang Kai-schek zu kapitulieren! Wie ein Witzbold in Amerika sagte: „Wenn das stimmt, ist das Problem, dass er ihn nicht einholen kann“ – denn in Wirklichkeit flohen Tschiang und seine Streitkräfte vor den Streitkräften der Roten, vom Norden Chinas die Ostküste hinunter bis zur Südküste selbst.
Eine weitere Behauptung, die von der angeblich „trotzkistischen“ SWP in Amerika aufgestellt wurde, war, dass Mao Tse-tung niemals den Jangtse-Fluss überqueren würde. An dem Tag, an dem sie dies in ihrer Zeitung veröffentlichten, befand sich Mao jedoch bereits 60 km jenseits des Jangtse.
Sie arbeiteten mit all den alten Formeln, die Trotzki in der Zwischenkriegsperiode ausgearbeitet hatte – aber sie waren nicht in der Lage, Trotzkis Methode zu verstehen und seine Ideen auf die veränderte Situation und die neue Kombination von Faktoren und Kräften zu beziehen, die in der Zeit von 1944-49 entstanden waren.
Der chinesische Großgrundbesitz und Kapitalismus war völlig unfähig, die Gesellschaft weiterzuentwickeln. In der chinesischen Gesellschaft bestand ein Vakuum. Der japanische Imperialismus war besiegt und konnte nicht eingreifen. Auch der amerikanische Imperialismus war nicht in der Lage, direkt zu intervenieren.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in ganz Asien massive Bewegungen amerikanischer Truppen, die nach Hause gehen wollten. Die berühmte „Bringt the Jungs heim“-Bewegung entwickelte sich überall im Westen.
So konnte der amerikanische Imperialismus zwar Tschiang Kai-schek mit den neuesten Rüstungsgütern versorgen (die übrigens später von den Roten erbeutet und nicht nur in China, sondern auch gegen den amerikanischen Imperialismus in Korea eingesetzt wurden), aber sie waren nicht in der Lage, die Armeen der Kuomintang mit Truppen zu verstärken. Sie konnten den Zerfall der Kuomintang-Armeen nicht aufhalten, der durch die damalige soziale Situation in China verursacht wurde.
Die Unfähigkeit des Imperialismus, zu intervenieren, wurde in einem berühmten – oder berüchtigten – Zwischenfall (je nach Sichtweise) zusammengefasst. Das war der „Amethyst“-Zwischenfall.
Erinnern wir uns daran, dass die britischen Imperialist*innen zur Zeit der Revolution von 1925-27 in Schanghai und Kanton dreist chinesische Arbeiter*innen und Bäuer*innen niederschossen. Doch als es dem britischen Kriegsschiff Amethyst 1949 gelang, sich den Jangtse hinunterzuschleichen, den roten Kanonenbooten zu entgehen und zu entkommen, wurde dies in der britischen Presse als „großer Sieg“ gefeiert. Dies war ein anschauliches Beispiel für die Ohnmacht des Imperialismus, gegen die chinesische Revolution einzuschreiten.
Das Machtvakuum, das in China bestand, war für den Ausgang der Revolution wichtiger als alle Reden von Mao Tse-tung, wenn er zum Beispiel sagte, dass der nationale Kapitalismus in China hundert Jahre dauern würde.
Dies zu verstehen, ermöglichte es der marxistischen Tendenz, die sich heute um die Zeitung Militant schart (und wir führen unsere Vorläufer*innen bis in diese Zeit zurück), den Prozess der Revolution, die in China stattfand, richtig zu erfassen.
Die Marxist*innen der Militant Tendency argumentierten, dass die Entwicklung nicht so verlaufen würde, wie Trotzki es in der Zwischenkriegszeit vorausgesehen hatte. Sicherlich würde es sich nicht um eine bewusste Bewegung des Proletariats wie die Oktoberrevolution in Russland 1917 handeln. Es würde eine Bäuer*innenarmee sein, die in die Städte einmarschiert, wie Trotzki klar voraussah. Doch anstatt dass die Befehlshaber*innen der Bäuer*innenarmee mit der Kapitalist*innenklasse verschmölzen und eine kapitalistische Entwicklung stattfände, war es nun unvermeidlich, dass der Kapitalismus gestürzt werden würde.
Das lag an der Erschöpfung und dem Bankrott des chinesischen Kapitalismus, an der Schwäche des Imperialismus im Weltmaßstab nach dem Zweiten Weltkrieg, an der durch den Zweiten Weltkrieg stark angewachsenen Stärke des Stalinismus in Russland und Osteuropa und auch daran, dass Mao Tse-tung und die Führer*innen der Roten Armee ein Modell für die Art von Staat und Gesellschaft hatten, das sie in China getrost umsetzen konnten.
Aber auch wenn das Ergebnis der Revolution nicht so ausfiel, wie Trotzki es in der Zwischenkriegszeit erwartet hatte, konnten Mao Tsetung und die Führer*innen der chinesischen KP und der Roten Armee keineswegs als Kommunist*innen im klassischen Sinne des Wortes betrachtet werden.
Sie waren keine Marxist*innen in dem Sinne, dass sie sich nicht auf das Proletariat stützten – was für die marxistische Herangehensweise, Methode, Strategie und Taktik absolut grundlegend ist. Im Gegenteil, sie hatten eine tödliche Angst vor der Bewegung des Proletariats und vor jeder Aktion der Arbeiter*innen, die sie nicht direkt kontrollieren konnten.
Die chinesischen KP-Führer*innen waren bonapartistische Führer*innen, die sich auf die bäuerliche Rote Armee stützten und mit dem Ziel manövrierten, die absolute Macht über die Gesellschaft in ihre eigenen Hände zu bekommen. Das Vorbild für ihr Regime war von Anfang an die stalinistische Diktatur in Russland, die aus der Degeneration der russischen Revolution hervorgegangen war. Mao begann an dem Punkt, den Stalin bereits erreicht hatte.
Dies war die Erklärung und Analyse, die von den Marxist*innen der Militant Tendency zur Zeit der chinesischen Revolution selbst vorgelegt wurde. Es wurde erklärt, dass Mao wie Stalin zwischen den Klassen balancieren würde, während er sein Regime konsolidierte, und dabei alle unabhängigen Aktionen und Initiativen der Arbeiter*innen rücksichtslos unterdrücken würde.
Wie in Russland wurde auch in China der Kapitalismus beseitigt und eine verstaatlichte und geplante Wirtschaft eingeführt. Doch während der russische Arbeiter*innenstaat auf der Grundlage einer gesunden Arbeiter*innendemokratie begann und später degenerierte, war der von der Roten Armee in China errichtete Staat von Anfang an ein deformierter Arbeiter*innenstaat, ein stalinistischer Staat.
Internationale Auswirkungen
Der Unterschied zwischen der russischen und der chinesischen Revolution war auch in den unterschiedlichen internationalen Auswirkungen, die sie hervorriefen, enorm. Die Oktoberrevolution in Russland inspirierte enorme Bewegungen der Arbeiter*innenklasse in der ganzen Welt. Ein Beispiel dafür waren die revolutionären Ereignisse in Italien im Jahr 1920, wo die Arbeiter*innen die Fabriken besetzten.
Ein Zeichen für die Weise, wie sich das Proletariat international mit der Russischen Revolution identifizierte, war paradoxerweise die Flut von Propaganda, die die kapitalistische Presse zu jener Zeit verbreitete. Die Propaganda gegen die Russische Revolution stellte die Lügen und den Dreck in den Schatten, den wir heute zum Beispiel im Daily Express finden.
Um ein humoristisches Beispiel zu geben: Die New York Times brachte zwischen 1918 und 1921 über hundert Artikel, in denen es entweder hieß, Trotzki habe Lenin umgebracht, oder Lenin habe Trotzki umgebracht! Eine Schlagzeile lautete „Trotsky Assassinates Lenin in Drunken Brawl“ [Trotzki ermordet Lenin in einer Schlägerei im Suff]! Wenn das in einer seriösen Zeitschrift wie der New York Times stand, kann man sich vorstellen, was für Geschichten in der Boulevardpresse erscheinen würden.
Aber trotz der Propaganda wusste die internationale Arbeiter*innenklasse instinktiv, dass ihre Klasse an der Macht war, und das inspirierte sie.
In Russland gab es demokratische Kontroll- und Verwaltungsorgane in Form der Sowjets. In China gab es zwischen 1946-49 und in der Folgezeit nichts dergleichen.
„In den großen Städten waren politische Apathie und Trägheit sogar stärker als die allgemeine Unzufriedenheit … die Revolution erfasste schließlich Peking, aber sie war ausgewachsen und wuchs nicht allmählich in der Stadt selbst.“ (Communist China on the Eve of Takeover [Kommunistisches China am Vorabend der Machtübernahme] von A. Doak Bennet, S. 325.)
Darüber hinaus zeigten die stalinistischen Führer*innen der Kommunistischen Partei Chinas und der Roten Armee die Angst der „ausgewachsenen“ Bürokratie vor jeder unabhängigen Bewegung der Arbeiter*innenklasse. In ihrem Acht-Punkte-Friedensprogramm, das sie als Manöver vor der Besetzung Pekings präsentierten, warnten sie die Arbeiter*innenklasse unverhohlen:
„Diejenigen, die streiken oder zerstören, werden bestraft werden … Diejenigen, die in diesen Organisationen (Fabriken) arbeiten, sollten friedlich arbeiten und auf die Übernahme warten.“
Und getreu ihrem Wort wurde jede unabhängige Aktion der Arbeiter*innenklasse mit rücksichtsloser Unterdrückung beantwortet. Stellt diese Haltung der von Lenin und den Bolschewiki in der Russischen Revolution gegenüber. Die Bolschewiki sahen die Arbeiter*innenklasse als Hauptakteurin des Wandels an und drängten darauf: „das Land den Bäuer*innen und die Fabriken den Produzent*innen“.
Die chinesische Revolution von 1944-49 war zweifellos eines der größten Ereignisse in der Geschichte der Menschheit. Sie war das zweitgrößte Ereignis, das nur noch von der Oktoberrevolution 1917 übertroffen wurde.
Ein Viertel der Menschheit betrat die Bühne der Geschichte und ließ ein für alle Mal die Krankheit, die Verwüstung und das Elend hinter sich, die Großgrundbesitz und Kapitalismus für sie bedeutet hatten.
Die chinesische Revolution inspirierte die kolonialen Revolutionen in Afrika, Asien und Lateinamerika und gab ihnen einen Anstoß. Sie war ein Ereignis von großer historischer Bedeutung, aber gleichzeitig ein Ereignis, das nicht die gleiche Wirkung auf die internationale Arbeiter*innenklasse haben konnte wie die Russische Revolution.
Sie führte eine Planwirtschaft ein, da der größte Teil der Industrie nach und nach vom Staat übernommen wurde und eine gründliche Landreform durchgeführt wurde. Aber gleichzeitig wurde ein totalitäres Einparteienregime errichtet.
Die Vorstellung, dass es 1949 in China eine Demokratie gab, ist ein Märchen, das für Kinder unter 10 Jahren bestimmt ist.
Wenn wir uns nun die Situation in China zu diesem Zeitpunkt ansehen, sehen wir, dass Mao Tse-tung eine „Koalition“ mit der Kuomintang bildete. Genauer gesagt bildete er eine Koalition mit der „Volks-Kuomintang“ – die angeblich die „nationalen“ Kapitalist*innen vertrat -, die insgesamt einige hundert Mitglieder zählte. Bei einer Bevölkerung von einer Dreiviertelmilliarde ist das nicht gerade eine mächtige Kraft.
Oberflächlich betrachtet deckte sich das, was Mao Tse-tung getan hatte, mit einer Formulierung, die Trotzki in den 1930er Jahren in Bezug auf Spanien verwendet hatte. Hier haben viele „Trotzkisten“, die nur die Phrasen Trotzkis verwendeten, ohne ihre Bedeutung zu verstehen, in Bezug auf China hoffnungslose Fehler gemacht
Trotzki sagte, dass die stalinistische KP in Spanien eine Koalition nicht mit der Kapitalist*innenklasse, sondern mit deren Schatten gebildet habe. Damit meinte er, dass die Kapitalist*innen in Wirklichkeit alle auf die Seite von General Franco und der Konterrevolution geflüchtet seien und die Arbeiter*innenführer eine Koalition mit den Ex-Vertreter*innen der Kapitalist*innen in Spanien gebildet hätten.
Dies war die „Volksfront“, die dazu diente, die Arbeiter*innenklasse von der Übernahme der Staatsmacht abzuhalten und so den Kapitalismus in Spanien zu erhalten. Nach und nach bekam der „Schatten“ Substanz, und die Arbeiter*innenbewegung im republikanischen Spanien wurde zerschlagen.
Oberflächlich betrachtet war Mao Tse-tung in China eine Koalition mit dem Schatten der Kapitalist*innenklasse eingegangen. Aber es gab in China zu dieser Zeit einen entscheidenden Unterschied zu Spanien 1936-39. Die wirklichen Hebel der Staatsmacht lagen nicht in den Händen der bürgerlichen Partner*innen der Roten Armee, der so genannten Volks-Kuomintang. Sie lagen ausschließlich in den Händen von Mao Tse-tung, der Roten Armee und der so genannten Kommunistischen Partei – insbesondere die Hebel der Polizei, des Militärs usw.
Die „Koalition“ mit der kapitalistischen Volks-Kuomintang zählte nichts angesichts des enormen objektiven Drucks, der das Regime dazu zwang, den Kapitalismus zu beseitigen und die Wirtschaft in staatliche Hände zu nehmen. Daher hatten wir in China die Entwicklung eines totalitären Einparteienregimes auf der Grundlage eines fortschrittlichen Wirtschaftssystems – einer Planwirtschaft.
Nur wenn man die Kräfteverhältnisse in der chinesischen Revolution versteht, ist es möglich, die sehr komplexen Prozesse zu begreifen, die sich derzeit in Asien, Afrika und Lateinamerika abspielen. Die Prozesse folgen keinem Schema, das Marx, Engels, Lenin und Trotzki im Voraus festgelegt haben – doch nur die von diesen großen Lehrern zu ihrer Zeit entwickelte Methode ermöglicht es uns zu verstehen, was vor sich geht.
Wir können die Prozesse verstehen, wenn alle Genoss*innen die Merkmale der chinesischen Revolution von 1944-49 und die Art und Weise, wie sich diese Revolution entwickelte, besser verstehen.
Es war nicht der Fall einer die Hauptrolle in der Revolution spielenden Arbeiter*innenklasse, sondern einer in die Städte eindringenden siegreichen Bäuer*innenarmee. Es war der Fall eines bonapartistisches Regimes, das eine Planwirtschaft einführte – die in diesem Sinne historisch die materiellen Interessen der Arbeiter*innenklasse zum Ausdruck brachte. Aber es war in keiner Weise ein Regime der Arbeiter*innendemokratie nach dem Vorbild des bolschewistischen Regimes in Russland 1917. Es war – und ist – kein sozialistisches Regime, das sich auf die Entwicklung einer sozialistischen Gesellschaft zu bewegt. Das ist unmöglich, solange die Macht nicht in den Händen der Arbeiter*innenklasse liegt und ein Regime der Arbeiter*innendemokratie vorherrscht.
Leider wird die chinesische Arbeiter*innenklasse aufgrund der Art und Weise, wie sich das Regime in China entwickelt hat, mit einer neuen Revolution – diesmal einer politischen Revolution – bezahlen müssen, die die Arbeiter*innendemokratie auf den Grundlagen der Planwirtschaft errichtet. Erst dann wird der Weg dafür frei sein, dass die chinesische Gesellschaft sich im Rahmen einer sozialistischen Weltföderation zum Sozialismus entwickelt.
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