Auzug aus: Weltperspektiven 1946

(Ergänzungen der britischen RCP zur politischen Resolution)

Über die wirtschaftliche Einschätzung unserer Epoche und die unmittelbaren Wirtschaftsperspektiven für Europa —Russland am Ende des Zweiten Weltkriegs. Seine Beziehungen zum Weltimperialismus und der Rückzug der Roten Armee aus den besetzten Gebieten — Über den Parteiaufbau und unsere Aufgaben

Entwurf von Ted Grant vom April 1946, angenommen auf der Nationalen Konferenz der Revolutionary Communist Party vom September 1946 als Antwort auf die politischen Schwächen der auf der Vorkonferenz der Vierten Internationale im März 1946 beschlossenen Resolution „Der neue imperialistische Friede und der Aufbau von Parteien der IV. Internationale“. Eigene Übersetzung nach: Ted Grant, The unbroken thread, London 1989, S. 376-383

Über die wirtschaftliche Einschätzung unserer Epoche und die unmittelbaren Wirtschaftsperspektiven für Europa

Die gegenwärtige Epoche ist die Epoche des endgültigen kapitalistischen Niedergangs. Die allgemeine Krise des Kapitalismus spiegelt sich im Widerspruch zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte und dem Privateigentum an den Produktionsmitteln und dem Nationalstaat wider. Der Kapitalismus erfüllte seine historische Funktion, die Entwicklung des Nationalstaats und die Schaffung des Weltmarktes in den Jahrzehnten vor dem ersten Weltkrieg. Der Kapitalismus kann der Entwicklung der Produktionskräfte nicht mehr dienen. Trotz der unermesslichen Zunahme der Arbeitsproduktivität und der anhaltenden Entwicklung der Technik, wird die Produktion im Weltmaßstab durch die Hemmnisse des Privateigentums an den Produktions-, Transport- und Austauschmittel und den Nationalstaat gehemmt und eingeschränkt.

Schon 1850-70 war die grundlegende historische Rolle des Kapitalismus erfüllt. Er war schon in diesem Stadium ein Hemmnis für die Entwicklung der Produktivkräfte geworden. Dies ist die Erklärung für den Fehler in der Perspektive von Marx und Engels, wenn sie glaubten, dass der Sieg der proletarischen Revolution unmittelbar bevorstehe. Jedoch durch die Entwicklung des Weltmarktes, der ihm neue Ressourcen gab, enthüllte sich der Kapitalismus noch nicht als absolutes, sondern als relativesHemmnis der Entwicklung der Produktionskräfte in diesem Stadium. Marx wies darauf hin, dass keine Gesellschaft einer neuen Gesellschaft Platz machen würde, bis alle produktiven Möglichkeiten innerhalb von ihr vollständig erschöpft wären. Zwischen 1870 und 1914 zeigte sich der Kapitalismus als aufsteigende Wirtschaft. Selbstverständlich, wenn das Proletariat an die Macht gekommen wäre (die Produktivkräfte waren dafür bereits genug entwickelt) wäre die Ausdehnung der Produktivkräfte unermesslich größer gewesen. Dennoch konnte es dem Kapitalismus gelingen, sich zu halten, weil es weiterhin ein verhältnismäßig fortschrittlicher Faktor blieb.

Zwischen 1879 und 1914 zeigten die Produktionszahlen der wichtigsten Waren in Deutschland, Frankreich, den Vereinigten Staaten und Großbritannien eine allgemeine Tendenz zur schnellen Zunahme.

Der Erste Weltkrieg kennzeichnete eine endgültige Änderung in der Rolle des Kapitalismus. Die Welt war in Einflussbereiche, Märkte, Rohstoffquellen geteilt worden und konnte nur durch blutigen imperialistischen Krieg umverteilt werden. Die Epoche des kapitalistischen Verfalls und der Todeskrise des Kapitalismus wurde eingeläutet. Dies kündigte die Periode von Kriegen, Revolutionen, Aufständen und Krämpfen an, die klarer Beweis der unlösbaren Sackgasse war, in die das kapitalistisches System die Menschheit gebracht hatte.

Die allgemeine Krise des Kapitalismus spiegelte sich in der Tatsache wider, dass die Produktivkräfte aufgehört hatten, im gleichen Rhythmus wie in der Vergangenheit zu wachsen. Der unvermeidliche Kreislauf der kapitalistischen Produktion nahm jetzt eine etwas andere Kurve. Nicht mehr kurze Krisen und lange Booms, wobei jeder folgende Boom auf einem höheren Niveau als der letzte war, sondern jetzt eine Epoche, in der kurze Booms von langen Krisen und Depressionen gefolgt wurden. Die Produktivkräfte pendelten um das Niveau von 1914, wenn man die Zunahme der Bevölkerung und Ressourcen in Betracht zieht.

Dennoch führte die erste Nachkriegskrise des Kapitalismus, in der das Proletariat es nicht schaffte, die Macht zu nehmen, unvermeidlich zu einem neuen wirtschaftlichen Boom. Der teilweise Zusammenbruch sofort nach 1921 dauerte nicht lang oder hatte keine größeren Wirkungen. In den meisten Ländern der Welt, waren die Produktionszahlen 1929 höher als die von 1914, nur um den Weg für einen völligen Zusammenbruch der Produktivkräfte in einer Weise vorzubereiten, den der Kapitalismus in der Vergangenheit nie gezeigt hatte. Die Krise war von beispielloser Schwere, traf alle führenden kapitalistischen Länder gleichzeitig, und verursachte fürchterliche Verwüstung und chronischen Rückgang in der Nutzung des Produktionspotentials. (Japan war eine Ausnahme aus Gründen, mit denen wir uns hier nicht beschäftigen müssen.)

Aber wieder, sogar diese Krise konnte nicht auf unbestimmte Zeit weitergehen. Wo das Proletariat durch seine Parteien gelähmt war und die Krise nicht nutzen konnte, den Kapitalismus zu stürzen und die Macht in seine eigenen Hände zu nehmen, begann ein neuer wirtschaftlicher Aufschwung. In vielen Ländern Europas wurde diese Krise nicht endgültig behoben, bis die Vorbereitungen für das neue Völkergemetzel (selbst eine Widerspiegelung der Sackgasse des Kapitalismus) im vollem Gang waren. Aber auf der Grundlage von Rüstungsvorbereitungen und Kriegsmaßnahmen allgemein, überstieg das Wirtschaftsleben sogar die Zahlen von 1929 in den führenden kapitalistischen Ländern außer Frankreich.

So kann man im Abschwung des Kapitalismus sehen, dass die Produktion tendenziell um das Niveau von 1919-37 schwankt (infolge der vom Krieg erzeugten außergewöhnlichen Bedingungen, brach die deutsche Produktion praktisch zusammen und die amerikanische Produktion schnellte in Rekordhöhen), ohne den unveränderlichen Wachstumsrhythmus der Jahrzehnte vor dem Ersten Weltkrieg gewinnen zu können, als auf jede Krise ein ungeheurer Aufschwung auf einem höheren Niveau der Produktivkräfte folgte.

Der Zweite Weltkrieg, ein weiterer Beweis der Todeskrise des Kapitalismus, führte zu einer fürchterlichen Zerstörung von Menschen, der Produktivkräfte, Desorganisation und Zerfall der Produktion in Europa und Asien, wofür es kein Beispiel in der Geschichte gibt. Der Imperialismus und Kapitalismus haben folglich die Barbarismen gezeigt, in die ihr anhaltendes Bestehen die Menschheit stürzen wird. In Opposition zu den Reformisten und Stalinisten, die versuchen, die Massen mit einer Perspektive einer neuen Renaissance des Kapitalismus und großer Zukunft für die Demokratie einzuschläfern, hat die Resolution der internationalen Vorkonferenz hundert Prozent Recht, wenn sie die Epoche des Niedergangs und Zusammenbruchs der kapitalistischen Weltwirtschaft hervorhebt. Aber in einer Resolution, die versucht, unsere eigenen Kader auf die unmittelbaren Wirtschaftsperspektiven zu orientieren — aus denen sich das nächste Stadium des Klassenkampfs und folglich unsere unmittelbare Propaganda und Taktik weitgehend ergeben wird — ist die Perspektive klar falsch.

Die gegenwärtige Krise und das niedrige Produktionsniveau, ist nicht die Wirtschaftskrise, wie sie von Marxisten im klassischen Sinne verstanden wird. Es ist eine Krise der „Unterproduktion“ als Ergebnis der imperialistischen Konzentration der Produktivkräfte auf den Krieg und auf die Kriegszerstörung selbst. Sie spiegelt sich im Mangel an Produktionsgütern, Mangel an Verbrauchsgütern, Mangel an landwirtschaftlichen Gütern wider. Gerade das Gegenteil einer Wirtschaftskrise der kapitalistischen Überproduktion, wie sie von Marxisten verstanden wird.

Die fürchterlichen Hungersnöte, die die Völker der gesamten Welt erfasst haben, die Desorganisation und der Verfall Europas, sind Anzeichen der Unterbrechung des kapitalistischen Systems. Diese hätten leicht zur Zerstörung des Kapitalismus und der Organisation der sozialistischen Produktion im gesamteuropäischen und gesamtasiatischen Maßstab führen können, wenn es nicht die Schwäche der revolutionären Partei und die Kapitulation der Massenorganisationen der Arbeiterklasse gäbe. Zum zweiten Mal in einer Generation konnte der Kapitalismus eine neue Atempause gewinnen.

Die Theorie des spontanen Zusammenbruchs des Kapitalismus ist den Vorstellungen des Bolschewismus völlig fremd. Lenin und Trotzki hoben immer wieder hervor, dass der Kapitalismus immer einen Ausweg finden wird, wenn er nicht durch das bewusste Eingreifen des revolutionären Partei zerstört wird, die an der Spitze der Massen, die Schwierigkeiten und Krisen des Kapitalismus für seinen Sturz nutzt. Die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs hebt die tiefgreifende Richtigkeit dieser Ideen von Lenin und Trotzki hervor.

Die Erschöpfung des Proletariats durch den Verrat seiner Massenorganisationen, der zyklische Aufschwung der Produktivkräfte, der Verschleiß der Maschinerie, das Zusammenstreichen der Löhne, all das führt zu einem Aufsaugen der überschüssigen Maschinerie und der Wiederherstellung oder teilweisen Wiederherstellung der Profitrate. So wird der Weg für einen neuen zyklischen Aufschwung bereitet, der wiederum die Grundlage für eine noch größere Krise schafft. So schrieb Trotzki von der Weltwirtschaftskrise:

„Die herrschenden Klassen aller Länder erwarten vom industriellen Aufschwung Wunder, davon zeugt die bereits entfachte Börsenspekulation. Würde der Kapitalismus wirklich in die Phase einer neuen Prosperität oder auch nur eines langsamen, aber lang dauernden Aufstiegs eintreten, so würde das selbstverständlich die Stabilisierung des Kapitalismus, Stärkung der bürgerlichen Positionen und gleichzeitige Schwächung des Faschismus und Stärkung des Reformismus nach sich ziehen. Es besteht aber nicht der geringste Anlass zur Hoffnung oder Befürchtung, die an sich unvermeidliche neue Konjunkturbelebung werde die allgemeinen Verfallstendenzen der Weltwirtschaft und insbesondere der europäischen Wirtschaft überwinden können. Entwickelte sich der Vorkriegskapitalismus nach der Formel der erweiterten Warenproduktion, so stellt der gegenwärtige Kapitalismus mit allen seinen Konjunkturschwankungen eine erweiterte Produktion des Elends und der Katastrophen dar. Der neue Konjunkturzyklus wird die unvermeidliche Kräfteumgruppierung innerhalb der einzelnen Länder sowie innerhalb des kapitalistischen Lagers im Ganzen vollziehen, vor allem zwischen Europa und Amerika. Aber schon in sehr kurzer Zeit wird er die kapitalistische Welt vor unlösbare Widersprüche stellen und sie zu neuen, noch furchtbareren Zuckungen verdammen.“ (Der einzige Weg, September 1932 [Trotzki, Schriften über Deutschland, Frankfurt am Main 1971, S. 346-410, hier S. 396])

Egal wie verheerend die Krise wird, wenn die Arbeiter versagen, wird der Kapitalismus immer einen Ausweg aus seiner wirtschaftlichen Sackgasse auf Kosten der Werktätigen und der Vorbereitung neuer Widersprüche finden. Die Weltkrise des kapitalistischen Systems beendet nicht den Wirtschaftszyklus, sondern gibt ihm einen anderen Charakter. Die von den Stalinisten in der letzten Weltkrise vorgebrachte Theorie, dass dies die letzteKrise des Kapitalismus sei, von der er sich nie erholen würde, war völlig unmarxistisch. Es gibt eine ernste Gefahr, dass diese Theorie in unseren eigenen Reihe heute wiederbelebt wird.

Nach dem Ersten Weltkrieg standen die Kapitalisten großen, aber unerfahrenen revolutionären Parteien gegenüber, die sich bemühten, die kapitalistische Krise in der Produktion zum Sturz des Kapitalismus zu nutzen. Dies verschlimmerte das Chaos weiter, und machte die kapitalistische Erholung schwierig. Trotzdem wurde die Produktion jedoch weitgehend wiederhergestellt.

Wenn die stalinistischen Parteien echte revolutionäre Parteien gewesen wären, stünde die Kapitalistenklasse jetzt einer völlig anderen Perspektive in der Wirtschaft sowie politisch gegenüber. Das Proletariat in Frankreich hätte die Versuche der Kapitalisten gelähmt, die Produktion auf Kosten von weiteren Opfern und Belastungen von Seiten der Massen wiederherzustellen. Aber die zwei Verräterorganisationen des Proletariats strengen gegenwärtig alle ihre Kräfte an, um jeden wirtschaftlichen und politischen Kampf von Seiten des Proletariats zu frustrieren und zu sabotieren.

Inzwischen konnten wegen der Schwäche der Parteien der Vierten Internationale, die gegenwärtig kleine Sekten bleiben, die Kapitalisten einen Ausweg aus dem Zusammenbruch und der Niedergang der Wirtschaft finden. Dieses hat in Westeuropa den Weg für eine stetige und ziemlich schnelle Erholung bereitet.

Wenn sich ein Konflikt zwischen Stalin und dem westeuropäischem Kapitalismus entwickelt und die stalinistischen Organisationen verwendet werden, die Produktion zu stören und Zugeständnisse mittels Massenstreiks zu erzwingen, kann sich die Lage für die Kapitalisten über Nacht verschlechtern. Sogar die Unterstützung der amerikanischen Finanz würde und könnte nicht die Krise verhindern, die folgen würde. Die spezifische Position, die von der internationalen Vorkonferenz eingenommen und von der Minorität der britischen Partei unterstützt wird, dass die westeuropäischen Länder — Frankreich, Holland, Belgien und andere —auf einem Niveau bleiben, das sich Stagnation und Krisenähert und nicht das Vorkriegsniveau der Produktion erreichen kann, ist völlig falsch. Die Vorkonferenzresolution sagt:

„Diese Wiederherstellung der Wirtschaftstätigkeit in den kapitalistischen Ländern, die vom Krieg getroffen wurden, und insbesondere in den Ländern auf dem europäischen Kontinent, wird durch ihren besonders langsamen Rhythmus gekennzeichnet sein und diese Länder bleiben folglich auf einem Niveau, das sich Stagnation und Krise nähert.“

Insbesondere Osteuropa wird sich unter der Kontrolle der stalinistischen Bürokratie ohne Zweifel erholen und sogar seine produktiven Ressourcen schnell als nach 1914-18 erhöhen. Es ist für den anglo-amerikanischen Imperialismus und die Bourgeoisie von Westeuropa unmöglich, völlige Stockung und Niedergang auf einer Hälfte des Kontinentes zu erlauben, während sich die Wirtschaftstätigkeit in der anderen Hälfte unter der Herrschaft der stalinistischen Bürokratie entwickeln wird.

Abgesehen von diesen politischen Erwägungen, gibt es jedoch die Gesetze des Kapitalismus, die selbst den Aufschwung der Wirtschaft sicherstellen und einen neuen „Boom“ unvermeidlich machen. Besonders angesichts der Tatsache, dass diese Krise keine Überproduktionskrise ist und dass die Kapitalisten in Westeuropa durch die Massenorganisationen nicht angegriffen werden, sondern die direkte Hilfe und Unterstützung der Sozialdemokratie und des Stalinismus empfangen, ist ein zyklischer Aufschwung unvermeidlich. Es ist nicht ausgeschlossen, dass besonders für Westeuropa (mit Ausnahme von Deutschland und Österreich) die Produktionszahlen in der folgenden Periode sogar das Vorkriegsniveau erreichen und übertreffen können.

Sogar in Deutschland wird, abhängig vom Verhältnis zwischen den Imperialisten und Russland, eine mehr oder weniger große Wiederbelebung stattfinden, obwohl es hier wegen dem Konflikt zwischen den Mächten und der Aufteilung und Besetzung Deutschlands unmöglich ist, die Vorkriegszahlen in der nächsten Periode zu erreichen.

Alle Faktoren im europäischen und Weltmaßstab zeigen an, dass die Wirtschaftstätigkeit in Westeuropa in der folgenden Periode nicht von „Stagnation und Krise“, sondern von Wiederbelebung und Boom geprägt ist.

Das Hauptmerkmal von kapitalistischer Krise, von „Stagnation und Krise“, wie es zum Beispiel die klassische Krise von 1929-33 enthüllte, die beispiellosen Umfang und Schwere im Weltmaßstab annahm, war Überproduktion der Produktionsgüter, der Verbrauchsgüter und landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Die Industriekrise wurde folglich durch eine gleichzeitige Landwirtschaftskrise ergänzt. Die wirtschaftliche Erholung, die der letzten Weltkrise folgte, wurde, wie immer, durch die Zerstörung und die Entwertung der Produktionsgüter, die Entwertung und Zerstörung der Anlageinvestitionen, der Verbrauchsgüter, der Verringerung der Anbauflächen usw. erzielt. Dies beinhaltete zwar unermessliches Elend und Leiden für die Werktätigen, dennoch überstiegen bis 1937-8 die Produktionszahlen sogar die Rekordjahre von 1928-9 in den meisten Ländern der Welt, besonders durch die Kriegvorbereitungen. Die Zerstörung, die durch den Krieg bewirkt wurde, hat ähnliche Resultate wie die erzielt, die die Kapitalisten erzielen, wenn sie bewusst in einer Periode von Überproduktionskrisen Reichtum zerstören.

Die klassischen Bedingungen für einen Boom sind heute in Europa vorhanden: Mangel an Produktionsgüter; Mangel an landwirtschaftlichen Erzeugnissen; Mangel an Verbrauchsgüter. Die Mängel erlegen den Massen neues Elend und dem System neue Belastungen auf. Diese Bedingungen, die durch absichtliche Zerstörung und die normalen Zerfallsprozesse der kapitalistischen Krise erzeugt werden, werden hier durch die Verwüstung und Verheerung des totalen Krieges erzeugt. Diese Verwüstung führte nicht zum Sturz des Systems durch den Sieg des Proletariats. Genauso wie Erholung auf eine Krise folgt, die nicht zum Sturz des Systems führt, so folgt die Wiederherstellung der Produktivkräfte dem gegenwärtigen Chaos, selbst auf einer kapitalistischen Grundlage.

Jedoch kann solch eine Erholung, wie bereits im Zitat von Trotzki angegeben, nicht zu einem Blühen der Wirtschaft des Kapitalismus führen. Eine neue Erholung kann nur den Weg für eine noch größere Krise und Wirtschaftskrise als in der Vergangenheit bereiten.

Das Stalinisten und Sozialdemokraten haben mit dem Schrei „Produktion! Produktion!“ die Arbeiterklasse weitgehend überzeugt, die Last des Wiederaufbaus zu akzeptieren. Damit hatten sie zweifellos einen gewissen Erfolg unter den breiten Massen. Der Vierte Internationale wird sich nur selbst diskreditieren, wenn sie sich weigert, die unvermeidliche Erholung zu erkennen und sie wird ihre eigenen Kader ebenso wie die breiten Massen desorientieren, wenn sie eine ständige Krise und einen langsamen Rhythmus der Erholung in Westeuropa voraussagt, wenn die Ereignisse eine andere Form annehmen.

Das Argument der Genossen der amerikanischen SWP, das von der Minderheit der britischen Partei wiedergegeben worden ist, dass der amerikanische Imperialismus Kredite zur Unterstützung der Erholung des westeuropäischen Kapitalismus nur geben würde, nachdem das Proletariat entscheidend besiegt worden ist, hat sich bereits als falsch erwiesen. Das Proletariat wurde nicht besiegt, aber Kredite sind bereits gegeben worden. Ebenso falsch ist das Argument, dass nur wenn das Proletariat entscheidend besiegt ist, Wirtschaftsaufschwung und Wiederbelebung stattfinden können. Solch ein Argument wirft politische und wirtschaftliche Probleme zusammen und hält die einen für eine unmittelbare Widerspiegelung der anderen. Ohne Zweifel gibt eine entscheidende Niederlage des Proletariats der Bourgeoisie Stabilität und Vertrauen. Aber solange die wirtschaftlichen Vorbedingungen für einen Boom nicht vorhanden sind, würde ein Boom sogar in diesen Fall nicht notwendigerweise folgen. Es ist kein Gesetz der Entwicklung des Kapitalismus, dass nur die Niederlage des Proletariats in einer revolutionären Lage zu einem Boom führen kann, genauso wenig wie eine Krise automatisch zu einer Revolution führt. Die Geschichte lehrt uns, dass sich der Kapitalismus selbst in seiner Todeskrise nach einer Krise erholt, trotz der revolutionären Möglichkeiten, wenn das Proletariat gelähmt oder betäubt durch seine Organisationen und unfähig ist, seine Chancen zu nutzen.

Nachdem die Sozialdemokratie die revolutionäre Welle des Ersten Weltkrieges aufgehalten hatte, konnte sich der Kapitalismus auf Kosten der verstärkten Ausbeutung der Arbeiterklasse wiederbeleben. Die erste revolutionäre Nachkriegswelle des Zweiten Weltkrieges ist durch Sozialdemokratie und Stalinismus aufgehalten und gelähmt worden. Wirtschaftliche Wiederbelebung findet in den meisten Ländern Westeuropas und in Großbritannien vor unseren Augen statt. Nicht nur dies, die bürgerliche Staatsmaschine in den westlichen Ländern, die nach dem Fall Hitlers zerrüttet und zerschlagen war, ist schrittweise auf der Grundlage von bürgerlicher Demokratie wiederaufgebaut worden. Eine prekäre „Stabilisierung“ des bürgerlichen Staats und die Wiederherstellung der Wirtschaft aus dem Zustand der fast völligen Zerrüttung und des Chaos hat stattgefunden. Der Rhythmus der Erholung findet mit ziemlich schnellem Tempo in ganz Westeuropa statt, abgesehen von Deutschland.

Die Lähmung des Proletariats durch seine Organisationen hat der Bourgeoisie die Gelegenheit gegeben, die Kontrolle über ihre Wirtschaft wiederherzustellen. Daraus folgt nicht, dass das Proletariat besiegt ist.

In Wirklichkeit werden Ebben und Fluten der Arbeiterbewegung, zusammen mit Ebben und Fluten in die Wirtschaft stattfinden und nicht notwendigerweise in direkter Abhängigkeit von einander.

Wirtschaftliche Wiederbelebung ist nicht notwendigerweise ein Nachteil für die Revolution. Im Gegenteil wird bei der Lähmung des Proletariats das Einspannen und Zusammenstecken der Massen in der Industrie ihr Selbstvertrauen und ihre Kampfkraft stärken. Sie kann den Weg für große Kämpfe bereiten (Amerika 1936), die die politischen Fragen wieder auf eine klare und scharfe Weise aufwerfen können. Die wirtschaftliche Wiederbelebung kann auf jeden Fall nur einige Jahre dauern und die neue Krise wird den Arbeitern wieder den Verrat der stalinistischen und sozialdemokratischen Führer zeigen, die „Produktion“ schrien … und Arbeitslosigkeit produzierten und Mangel wegen „Überproduktion“ schufen.

Während das Proletariat durch seine Organisationen in einer Periode von allgemeinem Mangel eingeschläfert und versöhnt werden kann, um das Joch der vergrößerten Sklaverei und die Lasten der vergrößerten Produktion zu akzeptieren, werden sie es untragbar finden, wenn sie die Sackgasse sehen, in die diese Opfer sie geführt haben. Aber nur, wenn die Anhänger der Vierten Internationale sorgfältig den Prozess theoretisch erklärt haben, können wir aus dem fortgeschrittenen Teil der Arbeiterklasse Nutzen ziehen. Nur auf dieser Grundlage wird es möglich sein, von Führung der Massen zu reden.

Die neue Krise wird noch einmal die Degeneration und chronische Krise des Weltkapitalismus enthüllen, wie die Kriege und die vorhergehenden Krisen. Große Klassenschlachten, Revolution und Bürgerkrieg werden auf der Tagesordnung sein.

Der endgültige Niedergang Europas, der bereits 1914 angefangen hat, ist in den folgenden Jahrzehnten verschlimmert worden, und der Zweite Weltkrieg hat diesen Niedergang besiegelt. Während zyklisch Aufschwünge stattfinden werden und gegenwärtig stattfinden, kann es kein reales Wachstum der Produktivkräfte wie in der Vergangenheit geben. Die chronische Krise und Todeskrise des Kapitalismus wird noch einmal in vollem Umfang aufgedeckt werden, wenn die Katastrophe des Friedens der des Krieges hinzugefügt wird; das Paradox von Armut und Fülle, von untätigen Fabriken und untätigen Arbeitern, von verhungernden Bevölkerungen, während Nahrungsmittel verfaulen, der Lasten des neuen Aufrüstungsprogramms, wird beharrlich die Notwendigkeit der Neuorganisierung der Gesellschaft im Bewusstsein des Proletariats aufwerfen. Das Programm der Vierten Internationale wird das Banner des europäischen und Weltproletariats werden.


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