Peter Taffe und Lynn Walsh: Die Ursachen der kapitalistischen Krise

Eine Antwort auf Andrew Kliman

[Bearbeitung einer zeitgenössischen Übersetzung des auf der Website der Socialist Party veröffentlichten englischen Textes]

Dieses Dokument beschäftigt sich mit den Ursachen der kapitalistischen Krise und ist eine Antwort auf Andrew Kliman. Es wurde von Peter Taaffe und Lynn Walsh geschrieben und vom Exekutivkomitee der Socialist Party (England und Wales) unterstützt.

Einige Genoss*innen in Schottland, England und Wales haben eine Debatte über Marx‘ ökonomische Ideen und deren Relevanz für heute angestoßen. Dabei geht es vor allem um das „Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate“.

Die Genoss*innen haben sich dabei stark auf das letzte Buch von Andrew Kliman bezogen: „The Failure of Capitalist Production“ („Das Scheitern der kapitalistischen Produktion“). Sie wollen damit die These untermauern, dass das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate der Schlüssel sei, um die derzeitige verheerende kapitalistische Weltwirtschaftskrise zu erklären.

Dabei haben sie die ökonomische Analyse der Sektionen in Großbritannien und des CWI weltweit einer heftigen Kritik unterzogen. In diesem Dokument werden wir nun darlegen, warum wir meinen, dass sie dabei zutiefst falsch liegen.

Gleich zu Beginn weisen wir darauf hin, dass eine Diskussion zu diesem Thema nicht bloß auf nackte „Wirtschaftsfragen“ beschränkt sein kann, sondern sich auch mit „politischer Ökonomie“ befassen muss, wie Marx und Engels bei vielen Gelegenheiten erklärt haben.

Die Fragen, die in dieser Debatte aufgeworfen wurden, betreffen das Herzstück einer korrekten marxistischen Methode und deren Herangehensweise an die ökonomischen Analyse. Es geht aber auch um programmatische Aspekte, die sich daraus ergeben.

Wir analysieren nicht als Selbstzweck, sondern wegen der politischen Schlussfolgerungen, die wir daraus für die Arbeiter*innenklasse und unsere Organisationen ziehen. Theorie ist eine Anleitung zum Handeln.

Gleichzeitig mangelt es Kliman und vor allem Bruce Wallace an jedem Sinn für Verhältnismäßigkeit, wenn Letzterer behauptet, dass es für die „Socialist Party“ und das CWI hierbei um eine Frage von „Leben und Tod“ gehe.

Wie wir später erklären werden, stimmte Rosa Luxemburg in dieser Frage nicht mit Marx‘ Position überein. Das hinderte sie jedoch nicht daran, als konsequente und mutige revolutionäre Marxistin aufzutreten, die in der Deutschen Revolution von 1918-19 ihr Leben opferte.

Es handelt sich dabei dennoch um ein wichtiges Thema, und eine falsche Theorie kann zu falschen, mitunter sogar zu absurden politischen Schlussfolgerungen führen. Im Falle von Kliman und Bruce Wallace ist dies definitiv so.

Weil diese Genoss*innen – und unter ihnen vor allem Bruce Wallace, der fast täglich die „Socialist Party“, ihre Führung und das CWI attackiert und dies nicht innerhalb der Strukturen des CWI sondern auf öffentlicher Bühne tut – dabei die zentralen Ansätze von Kliman wiedergeben, ist es nötig, dass sich ein Großteil dieses Papiers mit Klimans Ideen wie auch denen von Wallace und anderen befassen wird, die ersteren als „unbesungenen Helden“ preisen.

Klimans politische Methode

Bevor wir uns Klimans ökonomischen Ideen zuwenden, ist es notwendig, die politischen Folgerungen dessen aufzuzeigen, was er schreibt.

Er teilt vorbehaltlos die „staatskapitalistische“ Analyse der „Socialist Workers Party“ (SWP) in Großbritannien, obwohl er kein Mitglied ihrer „Internationalen“, der „International Socialist Tendency“ (IST) ist (ihre Organisation in Deutschland hieß früher „Linksruck“ und hat dann das „Marx 21“-Netzwerk gegründet; Anm. zur deutschen Übersetzung).

Tatsächlich widmet er sein Buch einem der Theoretiker*innen der SWP, dem verstorbenen Chris Harman, der seine Herangehensweise an das Problem der Profitrate teilte.

Bruce Wallace mag so tun, als ob dies keinen Einfluss auf seine ökonomische Analyse habe. Aber es ist unsere Erfahrung, und die von vielen Arbeiter*innen in Großbritannien, dass die SWP und andere, die hinsichtlich der ehemaligen Sowjetunion der Staatskapitalismus-Theorie anhängen (demnach sei diese ein staatskapitalistisches Regime gewesen und kein degenerierter Arbeiter*innenstaat), letztlich zu einer irrigen Herangehensweise zu praktisch alle politischen Fragen kommen – sowohl solche von historischem als auch von aktuellem Charakter (s. unser Buch „Socialism and Left Unity“). In seinem Buch macht Kliman immer dann, wenn es um politische Fragen geht (aber auch in seiner ökonomischen Analyse, die wir später aufgreifen werden) einen Schnitzer nach dem anderen. Vor allem gilt dies für die Schlusskapitel.

Es gibt einen sehr simplen Aphorismus für die Bewertung von Einzelpersonen und politischen Gruppierungen: „Sag´ mir, wer deine Freunde sind, und ich sage dir, wer du bist“.

Dass Bruce Wallace die Ideen Klimans, von jemandem, der die trotzkistische Methode und ihr Programm zurückweist, so widerspruchslos schlucken kann, spricht Bände über seine derzeitige Position.

Kliman fällt ein vernichtendes Urteil über die Idee eines kämpferischen Übergangsprogramms für Arbeiter*innen, was im letzten Kapitel seines Buchs, das mit „Was nicht tun“ überschrieben ist, klar formuliert wird.

Er schreibt: „Die Annahme, dass der Sozialismus durch eine Partei erreicht wird, die die staatliche Macht erlangt und die Produktionsmittel verstaatlicht, ist grundlegend fehlgeleitet“ [siehe: „The Failure of Capitalist Production“ (TFoCP), S. 204]. Bruce Wallace ist gegenwärtig Mitglied einer Partei und einer internationalen Organisation, die die Ansicht verteidigt, dass die Arbeiter*innenklasse mit ihrer eigenen Partei wird für die Idee kämpfen müssen, über die Verstaatlichung der großen Monopole (der Produktionsmittel) auf nationaler wie internationaler Ebene die Macht zu erlangen.

Dies ist eine Voraussetzung dafür, die ökonomische wie auch die Staatsmacht dem Kapitalismus aus der Hand zu nehmen und sie in die Hände der der Arbeiter*innenklasse zu übergeben. Dadurch wird die Grundlage geschaffen für die demokratische und sozialistische Planung der Gesellschaft.

Was ist Klimans Alternative dazu? Wir zitieren: „Wir können eine moderne Gesellschaft haben, die funktioniert, ohne dass die Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktion in Kraft sind“ [TFoCP, S. 206]. Aber wie dies erreicht werden kann, bleibt ein Mysterium.

Kliman schlägt lediglich vor: „Es muss ein neues Verhältnis zwischen Theorie und Praxis geschaffen werden, damit der Durchschnittsmensch nicht nur die treibende Kraft ist, mit der die alte Macht zu Fall gebracht wird, sondern das volle Rüstzeug bekommt – theoretisch wie intellektuell –, um selbst die Regierung über die Gesellschaft übernehmen zu können.

Nichts weniger als dies kann verhindern, dass die Macht in die Hände einer Elite übergeht“. Darauf folgt der Satz: „Dies scheint sehr utopisch zu sein“ [TFoCP, S. 206]. – Das kann man laut sagen! Das sind nicht ein kämpferisches Programm und Perspektiven im marxistischen Sinne, sondern ähnelt der Astronomie, bei der die Ereignisse geradezu automatisch abgespult werden. „Schule“ die Arbeiter*innenklasse in den „Grundlagen“, und der Kapitalismus wird wie eine faule Frucht von selbst in sich zusammenfallen, und der Sozialismus wird geboren werden!

Sofern das irgendetwas bedeutet, dann dass die Arbeiter*innenklasse „theoretisch“ geschult werden muss – vermutlich von Kliman und Bruce Wallace –, um sie auf den Sozialismus vorzubereiten.

Das kommt doch recht bekannt vor. Es ist ein Widerhall der Argumente der „Socialist Party of Great Britain“ (SPGB) – nicht unserer Partei, der „Socialist Party of England and Wales“, sondern der winzigen Organisation. Sie sucht den Weg zum Sozialismus, der per definitionem lang und mühselig verlaufen wird, durch die abstrakte „Schulung“ der arbeitenden Menschen über die wirklichen Rolle des Geldes und die Forderung nach seiner sofortigen Abschaffung. Entsprechendes gilt für die Klassen, das Wertgesetz etc.

Damit nicht der Eindruck entsteht, wir würden die Argumente Klimans entstellen indem wir behaupten, er habe keine Antwort auf die brennenden Fragen der Arbeiter*innenklasse von heute, zitieren wir seine eigenen Worte: „Mir ist schmerzlich bewusst, dass diese Reflexionen noch keine Antwort geben auf die Frage: ‚Wie genau?’ […].

Ich meine, dass wir vor allem deshalb noch keine glaubwürdigen Antworten haben, weil die Menschen an der falschen Stelle nach diesen Antworten gesucht haben.

Ich denke, dass die obigen Überlegungen uns dabei helfen werden, an der richtigen Stelle nach Antworten zu suchen“ [TFoCP, S. 206]. Dieser Quatsch wird von den Apologet*innen Klimans – wie z.B. von Bruce Wallace – als glaubwürdige Alternative verkauft!

Wie schon viele isoliert agierende radikale Intellektuelle vor ihm (und zweifellos auch in der Zukunft), versucht Kliman das Rad neu zu erfinden.

Die historischen Erfahrungen der Arbeiter*innenklasse – wie etwa die russischen Revolutionen, die Pariser Commune, die mächtigen Generalstreiks wie in Frankreich 1968, die spanische Revolution, die chinesische Revolution usw. usf. – sind ein verschlossenes Buch mit sieben Siegeln für Kliman.

Statt auf den Erfolgen der Arbeiter*innenklasse aufzubauen und auch aus den Niederlagen Schlussfolgerungen zu ziehen und klar zu untersuchen, warum sie jeweils stattgefunden haben, müssen wir auf Klimans Grübeleien – und sein neues (!) Buch – warten, um die Arbeiter*innenbewegung auf den rechten Weg zu bringen.

Darauf zu warten, würde sich lohnen, wenn es dabei wirklich etwas Neues und Konkretes zu entdecken gäbe, mit dem für den Kampf gegen den Kapitalismus ein klarer Weg aufgezeigt und die Grundlage für Sozialismus geschaffen werden würde.

Voraussichtlich wird es jedoch nur dieselben leeren Abstraktionen zu entdecken geben, die seine derzeitigen politischen Perspektiven abstecken. Und diese – wir wiederholen es – sind „organisch“ verwoben mit seiner ökonomischen Analyse, wie wir zeigen werden.

Zurückgeworfenes Bewusstsein

Allein die Tatsache, dass jemand wie Kliman ein Publikum für seine politischen Ansichten findet (zu seiner ökonomischen Analyse werden wir später noch kommen), widerspiegelt an sich schon das Ausmaß, in dem das Bewusstsein nach dem Zusammenbruch des Stalinismus zurückgeworfen wurde. Seinen besonders heftigen Ausdruck findet dies in linken und „marxistischen“ Intellektuellen wie Kliman und – bedauerlicher Weise – nun auch in Bruce Wallace.

Bei vielen Gelegenheiten haben wir erklärt, dass der Zusammenbruch des Stalinismus nicht nur das Ende einer monströsen Bürokratie bedeutete, von der diese Gesellschaften beherrscht wurden. Er führte auch zum Zusammenbruch der Planwirtschaft, die in der Vergangenheit im Vergleich zum Kapitalismus relativ fortschrittlich war.

Jedoch hat die Bürokratie in den Jahrzehnten vor ihrem Zusammenbruch die meisten Vorzüge eines Wirtschaftsplans praktisch wieder zunichte gemacht, was sich in den „Jahren der Stagnation“ unter dem Breschnew-Regime zusammenfasste.

Was folgte, war eine weltweite Orgie des bürgerlichen Triumphgeschreis, die durch das Anwachsen der antikapitalistischen Bewegung um die Jahrtausendwende und seither durch das Einsetzen der Weltwirtschaftskrise in den Jahren 2007/-08 nur teilweise wettgemacht wurde.

Für Kliman (wie auch seine Vettern in der SWP) bedeutete der Kollaps des Stalinismus keine historische Niederlage für die Arbeiter*innenklasse. Nach seinen Worten handelte es sich bei den stalinistischen Ländern bloß um „despotische“ staatskapitalistische Regime. Ihr Zusammenbruch war – laut dem wichtigsten Theoretiker der SWP, dem verstorbenen Tony Cliff – nur ein „Schritt zur Seite“, der Austausch eines Kapitalismus durch einen anderen! Kliman teilt diesen Standpunkt ohne Zweifel.

Die Tatsache, dass die weltweite Arbeiter*innenbewegung dabei in hohem Maße von einem spürbaren Rechtsruck getroffen wurde – was sich im Zusammenbruch der sozialdemokratischen und der meisten kommunistischen Parteien geäußert hat – ist für die Schule des Staatskapitalismus unerheblich.

Tatsächlich schienen sie eine Zeit lang sogar den politischen Schwerkraftgesetzen zu trotzen und auf der Basis frenetischer Aktivität und völlig utopischer Perspektiven für eine Weile Zugewinne zu verzeichnen. Schließlich wurden sie – wie wir prophezeit hatten – Ende der 1990er Jahre und danach von der Realität eines Besseren belehrt (vgl.: „Socialism and Left Unity“).

Es folgte eine Phase des Zerfalls, die zu bedeutenden Spaltungen und einer Schwächung der SWP sowie ihrer internationalen Organisation, der IST, führte – auch wenn sie nicht ganz verschwunden sind.

Über den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus

Die theoretische Verwirrung dieser Strömung kommt auch im Falle Klimans voll und ganz zum Tragen, wenn er sich eingehender mit der Geschichte befasst. Dies gilt vor allem, wenn er die angeblichen Ideen von Karl Marx über den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus kommentiert.

Im Vorbeigehen kritisiert er die Übergangsmethode und das Übergangsprogramm, das von den Bolschewiki ausgearbeitet und von Trotzki entwickelt wurde.

Im US-amerikanischen Online-Magazin marxisthumanistinitiative.org attackiert er verschiedene politische Gegner*innen, die „die Tatsache ignorieren, dass die ‚Kritik des Gothaer Programms’ [von Marx] – zweimal – darlegt, dass die erste Phase der kommunistischen Gesellschaft sich aus der kapitalistischen Gesellschaft herausbildet: Eine Gesellschaft geht direkt in die andere über. […]

Es gibt nichts dazwischen, nicht in Marx‘ Darstellung. Die Basis für den Mythos besteht also in Marx‘ Aussagen […] wonach ‚zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft […] die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andere [steht].

Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts andres sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats’“.

Kliman fährt fort: „Von einer Übergangsgesellschaft ist hier keine Rede. Es geht um die revolutionäre Umwandlung der kapitalistischen Gesellschaft in die kommunistische, und um eine damit korrespondierende politische Periode des Übergangs. […] Wenn man aber ‚Umwandlung’ und ‚Übergang’ miteinander gleichsetzt, dann macht man Marx zu einem Befürworter der Übergangsgesellschaft.

Diese Lesart der ‚Kritik des Gothaer Programms’ geht zurück auf Lenin, der in Staat und Revolution die Umwandlung mit dem Übergang verschmelzen lässt, indem er schreibt, dass ‚der Übergang von der kapitalistischen Gesellschaft zur kommunistischen Gesellschaft […] unmöglich [ist] ohne eine >politische Übergangsperiode< [….]’“.

„Verwirrung, die sich ärger noch verwirrt“, wie John Milton sagen würde (der englische Dichter des 17. Jahrhunderts, in „Das verlorene Paradies“, 2. Gesang; Anm. d. Übers.). Fragen, die bereits gelöst waren und bereits vor langer Zeit schon erledigt schienen, werden in dieser Phase der politischen Reaktion – die sich allerdings unter einigen „marxistischen“ Intellektuellen breit gemacht hat – wieder ausgegraben, aufgewärmt und als neue Wahrheiten verkauft.

In den Zeilen, die Kliman zitiert, nahm Marx an, dass die Revolution zuerst in den fortgeschrittenen Industrieländern stattfinden werde. Frankreich hatte dies bereits mit der Pariser Kommune angekündigt, die in Umrissen zeigte, wie ein Arbeiter*innenstaat aussehen könnte.

Wenn Frankreich die Revolution begonnen hätte und Deutschland und Großbritannien gefolgt wären, so würde der Rest der Welt diesem Beispiel folgen und die sozialistische Weltrevolution würde stattfinden und wäre in trockenen Tüchern. Das war Marx‘ Annahme.

Marx schrieb: „[…] diese Entwicklung der Produktivkräfte […] (ist) eine absolut notwendige praktische Voraussetzung (für den Kommunismus), weil ohne sie nur der Mangel verallgemeinert, also mit der Notdurft auch der Streit um das Notwendige wieder beginnen und die ganze alte Scheiße sich herstellen müsste […].“ (vgl.: „Die Deutsche Ideologie“; Marx Engels Werke Band 3, S. 34 f.). Der Startpunkt für den Sozialismus wäre ein höheres Niveau der Produktion und der Technik als selbst das fortgeschrittenste Industrieland, Großbritannien damals oder die USA heute.

Wenn der Sozialismus, die niedrigste Stufe des Kommunismus, fest verwurzelt gewesen wäre, hätte eine massive Produktionssteigerung stattgefunden.

Dies wiederum würde zur Auflösung aller Elemente des Kapitalismus führen, die aus der Vergangenheit geerbt sind, einschließlich des Staats, des „Werts“ usw., bis die Gesellschaft den Kommunismus und die Errichtung einer sich selbst regierenden Welt-Kommune erreicht hätte.

Die Revolution brach aber nicht in einem der entwickelten Industrieländer aus oder konsolidierte sich dort. Sondern sie fand zum ersten Mal im unterentwickelten Russland statt, was von den Arbeiter*innen in Europa, den USA usw. am Anfang enthusiastisch unterstützt wurde.

Mit anderen Worten: Die Revolution brach nicht in einem Land mit dem höchsten Niveau der Technik und Produktion, einer höheren Arbeitsproduktivität etc. aus.

Unausweichlich gab es in der ersten Phase nach der Russischen Revolution sogar unter den Bolschewiki manche Illusionen, dass es sich als möglich erweisen würde, rasch zum Beginn des Sozialismus zu kommen – vor allem dann, wenn sich die Revolution erfolgreich ausbreiten würde.

Aber sobald klar wurde, dass die Dinge sich nicht in diese Richtung entwickelten, schlussfolgerten die großen Theoretiker*innen der Arbeiter*innenklasse, darunter Trotzki, die Bolschewiki und Lenin – die Kliman klar geringschätzt –, dass daher eine ziemlich lange Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus erforderlich sei, um weltweit die Grundlage für den Sozialismus zu etablieren und dann zum Kommunismus zu kommen.

Selbst wenn nur eine Reihe von entwickelten Staaten mit dem Kapitalismus brechen würden und es dann zu einer Pause käme, so wäre dies nicht der Anfang vom Sozialismus.

Nur wenn sich die Revolution auf der ganzen Welt ausbreitet, wäre es möglich, mit dem Aufbau des Sozialismus zu beginnen. Diese Staaten befänden sich im Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus.

Lenin und Trotzki betonten immer wieder, dass der Beginn des Sozialismus ein höheres Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung voraussetze, als selbst die höchst entwickelten kapitalistischen Länder vorweisen konnten. Dieses Niveau müsste demzufolge noch über dem der USA heute liegen.

In diesem Kontext schrieb Lenin „Staat und Revolution“, in dem er sich auf alle Schriften von Marx stützte wie auch auf die Erfahrung der Pariser Kommune und die Revolutionen in Russland.

Er sprach vom Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus. Die Forderungen nach Arbeiter*innendemokratie, die aufgestellt wurden, werfen ein helles Licht auf das, was die Arbeiter*innenklasse begeistert annehmen wird, nachdem sie den Kapitalismus beseitigt hat.

Kliman ist vollkommen verwirrt, wenn er sich dem politischen wie auch dem ökonomischen Phänomen mit einem Schwarz-Weiß-Ansatz – undialektisch – nähert.

Seine Vorstellung scheint zu sein, dass man die Arbeiter*innenklasse aufbaut – wobei Kliman offen lässt, wie dies geschehen soll –, um dann der „Frau Geschichte“ einfach das Thermometer unter die Zuge zu halten.

Sobald die richtige Temperatur erreicht ist, dann ist es „Bingo!“ Wir sind bereit für den Sozialismus! Er schreibt: „Ich bin zu der Annahme gekommen, dass die ganze Idee von der ‚Übergangsgesellschaft’ zusammenhanglos ist und dabei im Weg steht, die Dinge klar zu durchdenken“. Die Idee von der Übergangsgesellschaft aber auch das Aufstellen von Übergangsforderungen gegen den Kapitalismus liegt jenseits seiner Vorstellungskraft.

Wir werden später sehen, dass ihn seine ökonomische Analyse bei konkreten drängenden Tagesfragen in Gegensatz zur Arbeiter*innenbewegung bringt.

Klimans Wirtschaftsanalyse

Seine umfassende Wirtschaftsperspektive – insofern er eine hat – ist, dass wir eine Wiederholung der Geschichte erleben können, wenn die Bürgerlichen keynesianische Ideen übernehmen. Das haben sie als unmittelbare Reaktion auf die gegenwärtige Krise einem gewissen Ausmaß bereits getan.

Klimans Argumentation geht folgendermaßen: Keynesianische Politik wurde von Roosevelt vor dem Zweiten Weltkrieg in den USA und generell in der Phase des Nachkriegsaufschwungs nach 1945 umgesetzt.

Dies war rückschrittlich wegen seiner Auswirkungen, besonders auf die führenden Vertreter*innen der Arbeiter*innenbewegung und sozialistische Intellektuellen wie Paul Sweezy und Leo Huberman in den USA, die eine Art linken Keynesianismus übernahmen. (Das heißt nicht, dass sie nicht ein paar aufschlussreiche Punkte zur Natur des modernen Kapitalismus geliefert hätten.) Mit dem Scheitern der keynesianischen Politik in den 1970er Jahren wendeten sich die Bürgerlichen dem Monetarismus und neoliberaler Politik zu, was durch den Triumph von Thatcher und Reagan gekennzeichnet war.

Würde man heute derartige keynesianische Praktiken anwenden, dann wäre die Reaktion darauf wesentlich schlimmer, so schlussfolgert Kliman. Das würde zur selben rechten Wirtschaftspolitik wie in den 1980er Jahren führen. Das wiederum würde den Weg für eine noch extremere politische Reaktion in Form des Faschismus bereiten.

Dies ist eine völlig einseitige Schlussfolgerung, die Kliman hinsichtlich der Möglichkeit zieht, ob der Faschismus an die Macht kommen kann, besonders in dieser Phase.

Das Kräfteverhältnis der Klassen lässt eine solch pessimistische Schlussfolgerung nicht zu. Auf lange Sicht betrachtet könnte natürlich politische Reaktion in Form eines extrem rechten Bonapartismus auf der Tagesordnung stehen, wenn die Arbeiter*innenklasse die Gesellschaft nicht zu verändern vermag.

Jedoch wird die Arbeiter*innenklasse wahrscheinlich nicht nur eine, sondern eine Reihe von Gelegenheiten haben, die Macht zu übernehmen, bevor dies eine reale Möglichkeit wird.

Obendrein werden die bürgerlichen Kräfte nach der Katastrophe, die sie im Anschluss an den Sturz Mussolinis, Hitlers etc. erleben mussten und die eine Phase der Revolution einläutete, sehr skeptisch sein, erneut dem Faschismus die politische Macht überlassen.

Aus diesem Grund werden die extrem rechten Parteien – selbst jene wie die „Goldene Morgenröte“ in Griechenland mit offen faschistischen Merkmalen – voraussichtlich eher als Gehilf*innen einer Diktatur von Generäl*innen agieren, die gewöhnlich aus den Reihen der herrschenden Klasse selbst kommen.

Aber der Triumph des Faschismus oder selbst eines extrem rechten bonapartistischen Regimes steht unmittelbar nicht auf der Tagesordnung. Obendrein haben die Arbeiter*innenklasse wie auch die Arbeiter*innenbewegung im Allgemeinen kein echtes unmittelbares Mitspracherecht dabei, welche Politik die Bürgerlichen einführen.

In den 1930er Jahren war der „New Deal“ in den USA eine Reaktion der Bürgerlichen auf die Tiefe der Krise und die Gefahren, die aus Sicht der herrschende Klasse von der Arbeiter*innenklasse ausgingen, wenn sie nicht eine gewisse Tätigkeit im Wirtschaftsbereich entfaltet hätten.

Nur die USA mit ihren „fetten Ersparnissen“ aus der Vergangenheit waren in der Lage, derlei Maßnahmen wie den „New Deal“ zu ergreifen, deren Wirkung eher fiktional als real war, wie Trotzki ausführte.

Und dennoch hegten – selbst in der Arbeiter*innenbewegung – einige falsche Illusionen, wie effektiv eine derartige Politik doch sei. Sie wurden von Trotzki und den Trotzkist*innen kritisiert – und würden heute genauso kritisiert werden.

Einfach gesagt bedeutet keynesianische Politik, die öffentlichen Ausgaben zu steigern, um mit der Erwerbslosigkeit fertig zu werden, Nachfrage zu schaffen etc. Aber um das zu bezahlen, kann die Regierung ihre Einkünfte aus zwei Quellen steigern: aus Steuern auf Kapitalist*innen oder auf die Arbeiter*innenklasse.

Wenn die Kapitalist*innen besteuert werden, so werden sie in einen Investitionsstreik treten, was zu weiterer Arbeitslosigkeit führt und die Auswirkungen der zusätzlichen staatlichen Ausgaben zunichte machen wird. Wenn die Arbeiter*innenklasse besteuert wird, so wird das den Markt mit denselben Folgen zurechtstutzen: die Wirkung der Steigerung der „Nachfrage“ würde zunichte gemacht werden.

Auf der anderen Seite würde es zu Inflation führen, sollte die Regierung zur Notenpresse greifen und Geld drucken, das keinen Gegenwert in Form von zusätzlichen Waren und Dienstleistungen hat. Das würde jegliche zusätzliche Nachfrage zunichte machen. Dies haben wir schon oft durch argumentiert.

Und dennoch meint Bruce Wallace, uns mit ernster Miene warnen zu müssen, dass wir – sofern wir ihre ökonomische Analyse zur Profitrate nicht akzeptieren – verdammt seien, dem Keynesianismus zum Opfer zu fallen.

Was wir diesbezüglich vorweisen können, ist leicht überprüfbar und widerlegt diese lächerliche Behauptung. Wir lehnten sowohl den Keynesianismus theoretisch ab als auch die rechte Reaktion gegen die Anwendung keynesianischer Ideen.

Damals warnten wir nicht nur vor den Gefahren von Thatchers und Reagans Politik. Wir bekämpften diese auch aktiv und recht erfolgreich, wie der Kampf gegen die Poll Tax [Kopfsteuer] in Großbritannien zeigte. Diese Steuer wurde besiegt – wobei unsere Partei eine führende Rolle gespielt hat – und Thatcher selbst landete auf dem Müllhaufen der Geschichte.

Wenn die Arbeiter*innenbewegung an diesen großen Erfolg angeknüpft hätte, so wäre ein neues glorreiches Kapitel aufgeschlagen worden. Stattdessen jagte Neil Kinnock all jene, die diese Bewegung führten.

Er war nur wegen der Rechtsverschiebung in der Arbeiter*innenbewegung in den späten 1980er Jahren, der durch den Zusammenbruchs des Stalinismus weiter verfestigt wurde, erfolgreich. Der Rest ist Geschichte: Die Labour Party wurde als eine Partei, die an der Basis eine spezifische Arbeiter*innenpartei war, zerstört, und das politische Bewusstsein wurde zurückgeworfen.

Es gibt eine ganze Palette von Leuten, die häufig als „Unterkonsumtionist*innen“ bezeichnet werden, weil sie meinen, die wirtschaftlichen Probleme einer Gesellschaft kämen dadurch zustande, dass die gesellschaftliche Kaufkraft insgesamt zu gering sei. Ihr Heilmittel besteht darin, – gerade in Krisenzeiten – die Ausgabenseite zu stärken, indem der Staat mehr investiere und/oder die Löhne gesteigert würden.

Klimans fixe Idee, alles zurückzuweisen, was mit „Unterkonsumtion“ zu tun hat, ist ein Vorurteil und wird keiner seriösen Untersuchung standhalten.

Die Behauptung, dass die „Unterkonsumtion“ in der marxistischen Krisenanalyse keine Rolle spielen dürfe, basiert auf einer falschen Lesart sowohl von Marx als auch der aktuellen Fakten.

Er scheint zu meinen, dass „keynesianische Ideen“ – wie in der Vergangenheit – automatisch zu einer Reaktion führen würden, wenn sie nur von den Bürgerlichen übernommen würden.

Die Tatsache, dass die Socialist Party in ihren Publikationen – früher in „The Militant“ und heute im „The Socialist“ bzw. unserem Magazin „Socialism Today“ – konsequent gegen keynesianische Ideen als langfristige Lösungen für die Probleme des Kapitalismus argumentiert hat, zählt nicht – soweit es um Kliman und Wallace geht.

Vor allem Bruce Wallace „vermengt“ jede alternative Erklärung der Krise mit Keynesianismus als Lösung für die Krise des Kapitalismus.

Wir sind gemäß der Übergangsmethode für eine Erhöhung der Staatsausgaben eingetreten um Wohnungsbau, Bildung, den Anteil der Arbeiter*innen am Einkommen zu steigern. Wir haben auch die Verstaatlichung der Banken und des Finanzsektors gefordert. Kliman jedoch lehnt diese Vorschläge ab. Er schreibt: „Einige linke Ökonom*innen forderten Staatskontrolle oder die Verstaatlichung des Finanzsystems, statt nur eine Regulierung des Finanzsystems […] Es kann aber keinen Sozialismus in einem Land geben. Wenn man versucht, den Sozialismus in einem Land zu etablieren, dann kommt dabei Staatskapitalismus heraus, ein staatlich geleiteten System, das weiterhin in die globale kapitalistische Wirtschaft eingebettet und das immer noch in einer Konkurrenz-Schlacht mit dem weltweiten Kapital verhaftet ist. Eine staatlich geleitete Bank ist immer noch eine Bank“ [TFoCP, S. 194 f.].

Ja, schon, aber hat eine staatliche Bank nicht wenigstens das Potential, die Arbeiter*innenklasse einen Schritt weiterzubringen? Wenn Kliman diese Frage negativ beantwortet – was er tut –, dann beinhaltet seine Vorstellung, wie der Sozialismus erreicht werden kann (wie wir oben ausgeführt haben), eine Transformation vom Kapitalismus zum Sozialismus über Nacht.

Wie würden unsere Genoss*innen in Griechenland eine solche Idee sehen? Wenn Klimans Herangehensweise übernommen würde, wären sie angesichts der heutigen Lage vollkommen entwaffnet.

Als Reaktion auf die Schuldenkrise und die Forderungen der Troika nach weiteren Kürzungen war unsere Antwort: Schuldenstreichung, Verstaatlichung der Banken unter Arbeiter*innenkontrolle und -verwaltung und ein staatliches Außenhandelsmonopol.

Kliman glaubt ziemlich klar, dass solche Übergangsmaßnahmen nicht möglich seien und auf den erbitterten Widerstand des Kapitalismus stoßen würden.

Wir sagen: ja, das würden sie. Für sich genommen werden derlei Maßnahmen nicht ausreichen. Und zu dieser Schlussfolgerung wird auch die Arbeiter*innenklasse mit unserer Hilfe mit der Zeit kommen.

Deshalb wäre es notwendig, weiter zu gehen und die Kommandohöhen der Wirtschaft zu übernehmen. Davon, wie der Prozess des politischen Erkenntnisgewinns unter den Menschen der Arbeiter*innenklasse ablaufen soll, hat Kliman keine Vorstellung.

Die Verstaatlichung der Banken ist lediglich eine erste Maßnahme. Sie wird bzw. sollte zur Überführung der Kommandohöhen der Wirtschaft in öffentliches Eigentum führen.

Es ist wahr, dass eine Revolution in Griechenland, wenn sie sich nicht zunächst auf Spanien, Portugal, Italien und andere Länder ausweitet, nicht überleben könnte. Deshalb werfen wir die Idee einer Sozialistische Konföderation Europas auf. Und auch das wird nicht reichen.

Ein sozialistisches Europa würde umgehend auf Drohungen der kapitalistischen USA stoßen. Daher muss die Revolution gezwungenermaßen ein Weltereignis sein – eine sozialistische Welt – wenn ihr der Erfolg gesichert sein soll.

Dies zeigt an, dass Revolution ein Prozess vom Kapitalismus zum Sozialismus sein wird, es wird ein Übergang und nicht eine einmalige Handlung sein. Sie wird nicht – wie Kliman sich das anscheinend vorstellt – über Nacht durchgeführt werden.

Kliman schreibt: „Ich glaube, dass [die Theorie von der Unterkonsumtion] falsche Hoffnungen weckt, wonach der Kapitalismus fairer sowie relativ krisenfrei gestaltet werden könne“. Das CWI nährt keine falschen Hoffnungen in die Aussichten für den Kapitalismus!

Schon vor Beginn der derzeitigen Krise argumentierten wir dass ein Krach zwangsläufig sei. Den Beleg dafür findet man in den beständigen Analysen von „Socialism Today“ und „Socialist“. So schrieben wir beispielsweise in der „Socialism Today“ (Ausgabe 161; September 2012): „[keynesianische] Politik kann nur ein vorübergehendes Hilfsmittel sein.

Sie wird keine Rückkehr zu einer langfristigen nachhaltigen keynesianischen Politik des Nachkriegsaufschwungs sein, als der Staat seinen Eingriff in die Wirtschaft vergrößerte und eine umfassende soziale Wohlfahrtsinfrastruktur entwickelte.

Keynesianische Politik kann für die herrschende Klasse Zeit gewinnen, aber sie kann die Krise des Kapitalismus nicht lösen. […]

Ein Programm zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Stimulierung von Wachstum würde die Mobilisierung der Arbeiter*innenklasse erfordern.

Obendrein wäre erhöhte Besteuerung allein nicht ausreichend, um die Wirtschaft zu entwickeln. … Die Banken und Finanzhäuser müssten verstaatlicht (nicht gerettet und auf öffentlichen Kosten gestützt) und unter demokratische Arbeiter*innenkontrolle und -verwaltung geleitet werden.“ Es wäre interessant, dies mit Klimans eigenen Perspektiven vor Ausbruch der Krise von 2007-08 zu vergleichen.

Darüber hinaus findet sich in seinem Buch aber rein gar nichts zu den Wirtschaftsperspektiven – ganz zu schweigen von den politischen Entwicklungen für die kommende Periode, was kurzfristige oder langfristige Perspektiven behandelt.

Übergangsmethode

Wir stimmen vollkommen zu, dass es möglich ist, Illusionen zu schüren, dass solche Maßnahmen das Leben der Arbeiter*innen verändern werden, wenn man Teil-Maßnahmen – Verstaatlichung einer bzw. mehrerer Branchen – oder Reformen fordert, die den Lebensstandard der Arbeiter*innenklasse verbessern.

Das Problem besteht jedoch darin, dass diese Illusionen unter der Masse der Arbeiter*innen (und sogar unter Teilen der fortschrittlicheren Schichten unter ihnen) bereits bestehen.

Sie glauben bereits, dass begrenzte Maßnahmen ausreichen können, um die allgemeine wirtschaftliche Lage und ihre Stellung zu verbessern.

Das kann nicht allein durch Propaganda allein oder Beteuerungen geändert werden, sondern nur durch die Erfahrungen der Arbeiter*innenklasse und dadurch, dass Sozialist*innen und Marxist*innen sich mit ihnen einlassen, wenn sie diese Erfahrungen machen.

Wir werfen zu jedem Zeitpunkt der Entwicklung auf, dass eine umfassende sozialistische Lösung nötig ist, die über den Rahmen des Kapitalismus hinausgeht und die Grundlage schafft für eine sozialistische Planwirtschaft.

Aber wir verstehen auch die Illusionen, die arbeitende Menschen immer noch in den Kapitalismus haben, und versuchen, ihnen entgegenzutreten.

Wir verstehen diese Illusion, teilen sie aber nicht und versuchen, ihnen durch unsere Übergangsforderungen und -programm entgegenzuwirken.

Wenn Übergangsforderungen aufgestellt werden und vor allem, wenn diese von einer Massenbewegung übernommen werden (womit wir im Kampf gegen die Poll Tax sowie während der gewaltigen Auseinandersetzung in Liverpool zwischen 1983 und 1987 einige Erfahrungen hatten), so können sie wie eine Brücke wirken, die – hoffentlich – vom derzeitigen Stand des Bewusstseins zu einem sozialistischen Bewusstsein führt.

Von dieser Art Herangehensweise hat Kliman (unterstützt von Bruce Wallace) absolut keine Vorstellung. Er ist in seiner Studierstube von der Erfahrung der arbeitenden Menschen abgeschottet.

Obwohl er scheinbar ein Anhänger der Dialektik ist, zeigen sein Buch und die sich aus ihm ergebenden politischen Ideen, dass er in kantianischen fixen Begriffen denkt: Hier ist der Kapitalismus und dort ist der Sozialismus. Und abgesehen von abstrakten Vorstellungen hat er keine Idee, wie man vom einen zum anderen gelangt. Seine Politik ist für Universitätsseminare und nicht für die wirkliche Arbeiter*innenbewegung.

Marx’ Analysemethode

Marx’ Haltung war vollkommen anders. Auch wenn Franz Mehring in seiner Marx-Biographie ein paar Fehler machte, so sagte er doch: „Diese Umstände erklären, dass wir in den beiden letzten Bänden des Kapitals nicht etwa eine abgeschlossene fertige Lösung aller wichtigster Probleme der Nationalökonomie zu suchen haben, sondern zum Teil nur die Aufstellung solcher Probleme, und dazu Fingerzeige, nach welcher Richtung die Lösung zu suchen wäre.

Wie die ganze Weltanschauung Marxens ist sein Hauptwerk keine Bibel, mit fertigen, ein für allemal gültigen Wahrheiten letzter Instanz, sondern ein unerschöpflicher Born [Quell] der Anregung zur weiteren geistigen Arbeit, zum weiteren Forschen und Kämpfen um die Wahrheit.“ [Franz Mehring: „Karl Marx“, 12. Kapitel, 3. Abschnitt, Gesammelte Schriften Band 3, S. 376 und Rosa Luxemburg, Gesammelte Werke Band 4, S. 291].

Kliman und Bruce Wallace haben anders als Marx eine monokausale Erklärung für die Krise übernommen: das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate.

In dieser Frage verteidigen wir Marx’ Analyse, die er im dritten Band des „Kapital“ macht. In dem Buch „Marxismus heute. Antworten auf Krieg, Kapitalismus und Umweltzerstörung“ haben wir geschrieben: „Wir denken, dass Marx mit dem tendenziellen Fall der Profitrate Recht hatte.

Geschichtlich hat es ein kolossales Wachstum des konstanten Kapitals gegeben, der toten Arbeit, wenn Du willst, gegenüber der lebendigen Arbeit, um Marx’ Ausdrücke zu verwenden.“ (S. 30)

Mit anderen Worten ist es zu einer Zunahme der „organischen Zusammensetzung“ des Kapitals gekommen, was sich auswirkt auf das Verhältnis zwischen konstantem Kapital (Investitionen in Produktionsmitteln, die im Produktionsprozess teilweise aufgebraucht werden) und variablem Kapital (Investitionen in Löhne oder die Arbeitskraft der Arbeiter*innen, die allein neuen Wert im Produktionsprozess schaffen).

Ein Anstieg in der organischen Zusammensetzung (eine Zunahme des toten Kapitals im Verhältnis zur lebendigen Arbeit) führt zum tendenziellen Fall der Profitrate (auch wenn es entgegenwirkende Faktoren gibt).

Selbst vor-marxistische Ökonomen haben im Allgemeinen als empirische Tatsache akzeptiert, dass die Profitrate fiel, während sich der Kapitalismus entwickelte. Marx beschrieb dies als „Tendenz“ und analysierte dieses Phänomen ganz wunderbar im Detail im dritten Abschnitt des dritten Bandes des „Kapital“. In „Marxismus heute“ fuhren wir fort:

„Was die Kapitalist*innen unmittelbar interessiert, ist nicht der tendenzielle Fall der Profitrate oder auch nur die Profitrate.

Es ist die Profitmasse, die sie akkumulieren können. Die ‚entgegenwirkenden Faktoren’ sind Dinge wie das Herabdrücken der Löhne unter ihren Wert, was wir in gewissem Umfang in den 90er Jahren mit den neoliberalen Maßnahmen gesehen haben.

Die Profite für die Kapitalist*innen sind auf beispielloser Höhe, im Falle der USA die höchsten seit 70 Jahren.

Das ist ein allgemeines Phänomen in allen fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern. Es gibt eine Reihe von anderen entgegenwirkenden Faktoren, die eine Wirkung haben können, aber wieder, um Marx’ Ausdrucksweise zu verwenden, gibt es gewisse ‚unübersteigbare Grenzen’, über die der Kapitalismus nicht gehen kann.“ (a.a.O.)

Klimans Zahlen

Eine neue Diskussion über den tendenziellen Fall der Profitrate muss zeigen, dass sie im Zusammenhang mit der derzeitigen Krise und deren Auswirkungen auf die Entwicklung der Arbeiter*innenbewegung steht.

Weder bei Klimans Herangehensweise noch bei der von Bruce Wallace gibt es einen Beleg dafür. Kliman selbst betont, dass sein Buch nicht „theoretisch“ ist, dass es nichts Neues zu den allgemeinen theoretischen Aspekten beisteuert, die Marx zu dieser Frage angeführt hat. Es sei vielmehr „empirisch“ (seine eigenen Worte) und konzentriere sich hauptsächlich auf den Versuch, einen ständigen Fall der Profitrate seit 1947 nachzuweisen! Wir werden daher mit Grafiken und Zahlen bombardiert – sie sind die „graphische Tendenz“ –, die, so die Behauptung, für sich allein ihre These belegen.

Wir werden weiter unten zeigen, dass ihre „schlüssigen“ Zahlen und Daten dem keineswegs gerecht werden, unterzieht man sie einer seriösen Untersuchung.

Klimans Schaubilder, die auf seinen Berechnungen zur Profitrate in den USA basieren, zeigen einen unaufhaltsamen, kontinuierlichen Abwärtstrend von 1947 (dem Beginn des Nachkriegsaufschwungs) bis 2007 (dem Einsetzen der „Großen Rezession“). [TFoCP, S. 84, Abb. 5.5.].

Nummer 1: Inflationsbereinigte Profitraten vor Steuern (gepunktete Linie: unbereinigt/nominal, durchgezogene Linie: inflationsbereinigt, gestrichelte Linie MELT-bereinigt [MELT steht für Money expression of labour time, Geldausdruck der Arbeitszeit])

Klimans statistischer Trend scheint keine Verbindung zu den tatsächlichen Trends des US- oder des Weltkapitalismus zu haben.

So verzeichnet der Trend nicht den Konjunkturzyklus, der tatsächlich stattfand. Insbesondere zeigt er keine Erholung der Profitabilität nach der Hinwendung der Kapitalist*innenklasse zur neoliberalen Politik in den frühen 1980er Jahren an, die mit Finanzialisierung, Globalisierung, einem Angriff auf die Einkommen und Rechte der Beschäftigten etc. verbunden war.

Andere Ökonom*innen zeichnen einen ganz anderen Verlauf der (US-amerikanischen) Profitrate. Zum Beispiel präsentiert Michel Husson in einem französischsprachigen online-Artikel, „La hausse tendancielle du taux de profit“ („Der tendenzielle Anstieg der Profitrate“, Januar 2010) [http://hussonet.free.fr/tprof9.ppdf], eine Grafik, in der der Verlauf der Profitrate den tatsächlichen Verlauf der US-amerikanischen Wirtschaft widerspiegelt.

Nummer 2 (Profitrate in den Vereinigten Staaten 1950-2008)

Das Schaubild zeigt einen Höhepunkt an Profitabilität 1966-67, auf dem Höhepunkt des Nachkriegsaufschwungs, und dann einem unregelmäßigen Niedergang (was den Konjunkturzyklus widerspiegelt) bis zum Erreichen der Talsohle im Jahre 1983 (im Gefolge des scharfen Anstiegs der US-Zinsen und der Wirtschaftskrise der Jahre 1980/81).

In den 1980er Jahren (der Periode neoliberaler Politik) gab es jedoch eine teilweise, aber steile Erholung der Profitabilität. Bei Rückgängen der Profitabilität rund um die Rezession 1990-92 und das Platzen der IT-Aktien-Blase, nahm die Profitabilität während des Anwachsens der Immobilienblase, die 2007 platzte, weiter zu.

Husson präsentiert Schaubilder (Schaubild Nr. 9 und Nr. 10), die Schätzungen eines halben Dutzend anderer Ökonom*innen im Vergleich zu seinen eigenen angeben. Es gibt Variationen bei den Ausschlägen und Zeitpunkten der Hoch- und Tiefpunkte, aber die Schaubilder folgen einem sehr ähnlichen Trend.

Die Höhepunkte der Profitrate bei Husson von 1998 (26%) und 2006 (27%) liegen unter denen von 1950 (29%) und 1957 [muss heißen: 1967, s. Husson, Schaubilder 8, S. 7] (29%). Davon ausgehend behaupteten einige, dass diese Zahlen einen säkularen (langfristigen) Fall der Profitrate belegen. Allerdings zieht ein geglätteter Durchschnitt über den Gesamtzeitraum nicht den Zyklus der wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen (den Konjunkturverlauf) in Betracht, mit denen die Arbeiter*innenklasse fertig werden muss.

Eine Korrelation von Trends in der Profitrate und Trends in der Realwirtschaft verrät an sich noch nichts über die komplexen Prozess von Ursache und Wirkung von Profitabilität, Investitionen, Konsum etc.

Aber Marxist*innen sollten von einer Analyse der Trends in der realen Welt und nicht von abstrakten statistischen Konstrukten ausgehen.

Nicht einmal Michael Roberts, ein großer Bewunderer Klimans, stimmt ihm voll zu. Er ist ein früheres Mitglied unserer Organisation, der gemeinsam mit Ted Grant ernsthafte Fehler zur Zeit des Börsenkrachs 1987 machte. Damals sagte er, dass eine Krise im Stil von 1929 praktisch gewiss sei.

Dem widersprachen wir und hatten Recht. Aber jetzt meinen er und andere, dass die Profitrate von 1982 bis 1997 in den USA einen starken Anstieg verzeichnete.

Der Grund dafür, erklärt Michael Roberts, ist, dass „wenn gegenläufige Faktoren ins Spiel kommen, die Profitrate entweder steigen kann, weil die organische Zusammensetzung fällt oder die Mehrwert-Rate signifikant steigt oder beides der Fall ist“. Das ist korrekt und ist genau das, was wir beständig vorgebracht haben.

Er betont auch, dass „sich die Profitabilität in den wichtigsten kapitalistischen Wirtschaften von dem Tief des Jahres 2009 erholt hat, jedoch unterhalb des letzten Höhepunkts von 2007 bleibt“.

Wir haben betont, dass dies ein Faktor bei der immensen Akkumulation der Profitmasse war, die nicht mehr profitabel investiert werden kann. Obendrein wird dies von den Zeitungen und Zeitschriften des Kapitalismus selbst in jedem Stadium bestätigt.

Von Wallace und Kliman, die argumentiert haben, der Fall der Profitrate sei die einzige Erklärung für die Krise, wird dem jedoch rundweg widersprochen.

Bruce Wallace hat versucht zu argumentieren, dass es unter marxistischen Ökonom*innen einen „zunehmenden Konsens“ gebe, der ihre Sichtweise unterstütze, eine eindimensionale Erklärung, dass der Fall der Profitrate der einzige Grund für die Krise sei.

Sowohl in den USA als auch in den drei wichtigsten europäischen Ländern können wir klar zwei Perioden unterscheiden: einen Fall der Profitrate bis Anfang der 1980er Jahre, dann ein Anstieg.

Es kann festgestellt werden, dass die Fluktuationen in den USA besonders auffällig ist, wo die Profitrate seit 2007 fällt.

Wir stimmen grundsätzlich überein bezüglich der Gültigkeit der marxistischen Analyse des Gesetzes des tendenziellen Falls der Profitrate. Jedoch Klimans Herangehensweise bleibt eindimensional, starr und hölzern. In ihr konzentriert er sich im Wesentlichen darauf, einen beständigen Fall der Profitrate seit 1947 belegen zu wollen!

Die Zahlen des „Office for National Statistics“ für britische Unternehmen bestätigen unsere Argumentation und nicht die von Wallace. Demnach ist die Profitrate unstet und sinkt nicht linear.

Der jährliche Brutto-Betriebsüberschuss (die Profitmasse) aller Privatunternehmen außerhalb der Finanzwirtschaft (ohne die britischen Konzerne auf dem Festlandssockel, die Öl- und Gasvorkommen ausbeuten) stieg zwischen 1997 und 2011 von 163 Milliarden britischen Pfund auf 236 Milliarden.

Diese Zahlen stellen eine von 12,7% auf 11,3% sinkende Brutto-Rendite dar. 2001, in dem Jahr, als die IT-Blase platzte, fiel dieser Wert auf 10,8%, bevor er bis zum Jahr 2007 wieder auf 13,3% anstieg, dem letzten vollen Jahr vor dem Krach im Finanzsystem. 2009 fiel sie bis auf 11%, und erholte sich 2011 nur auf 11,3%. Die Zahlen für die Verarbeitende Industrie in Großbritannien sehen düster aus. In derselben Zeitspanne sanken die Brutto-Betriebsüberschüsse von 45,6 Milliarden brit. Pfund auf 38 Milliarden, und die Brutto-Renditen nahmen fast ständig ab …

Dies spiegelt den zurückgehenden Anteil der Verarbeitenden Industrie an der britischen Wirtschaft wider. Der Betriebsüberschuss im Dienstleistungssektor (ohne Finanzsektor) stieg von 99 Milliarden brit. Pfund im Jahre 1997 auf 170 Milliarden Pfund im Jahr 2011, was lediglich eine Veränderung der Brutto-Renditen von 15,7% auf 15,4% bedeutet.

Allerdings waren die Daten in dieser Zeitspanne viel unsteter. Die höchste Rendite wurde mit 17,3% 1998 erreicht. Sie schwankte beträchtlich und lag 2009 mit 14% am niedrigsten.

Obendrein würde das – selbst wenn es momentan Belege für eine sinkende Profitrate gibt – nicht einem Anstieg in den vorigen Perioden ausschließen, ebenso wenig einen entsprechenden Anstieg der Profitmassen. Daher sind die Ausführungen, die wir bezüglich der Anhäufung liquider Mittel in den Tresorräumen der Banken gemacht haben, stichhaltig.

Auch im Internet hat eine Auseinandersetzung über Klimans Zahlen getobt. Er selbst erklärt: „Obwohl diese Ergebnisse mit dem Marxschen Gesetz übereinstimmen, würde ich nicht behaupten wollen, dass sie das Gesetz bestätigten.

Ein einziges Land und nicht das gesamtgesellschaftlich vorhandene Kapital der ganzen Welt ist analysiert worden […]“. Allerdings meint Kliman, die Zahlen, die er liefert, seien „Vertreter“ für die Argumente von Marx zum Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate.

Ursachen der gegenwärtigen Krise

Die Frage des Gesetzes des tendenziellen Falls der Profitrate ist wichtig, aber keine volle Erklärung für die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise. Es erklärt auch für sich genommen die Hauptmerkmale dieser Krise nicht.

Marxist*innen tanzen nicht nur auf einer Hochzeit. Es kann eine ganze Reihe von Hauptfaktoren geben – jenseits des tendenziellen Falls der Profitrate – die die unmittelbare Ursache für eine Krise sind.

Kliman bestätigt, was wir argumentiert haben, dass nämlich „der Fall der Profitrate nur indirekt und auf verzögerte Weise zu Krisen führt“.

Auch erklärt er korrekt, dass das „Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate von daher nicht vorhersagt und nicht vorhersagen kann, dass die Profitrate im Verlauf der Geschichte des Kapitalismus tatsächlich eine abwärts weisende Tendenz aufweisen wird“! Danach bezieht er sich im Besonderen auf die „wirksamen gegenwirkenden Einflüsse, die den Effekt des allgemein gültigen Gesetzes kontrollieren und aufheben“.

Allerdings scheint Bruce Wallace – und Kliman definitiv – den Aspekt der „mangelnden Nachfrage“ als unwichtigen Faktor abzutun für die Frage, was zur derzeitigen Krise geführt hat und wodurch sich diese weiter fortsetzt.

Dabei handelte es sich um einen Faktor, der schon über eine ziemlich lange Zeitdauer wirksam war, von der Kreditblase jedoch überdeckt wurde. Wir haben zugestimmt, dass diese ihre Ursachen in der beispiellosen Ausweitung der Kreditvergabe hatte und – als Folge – in gleichfalls beispiellosen Blasen, die 2007-08 platzten.

Dies hinterließ in seinem Gefolge einen massiven Schuldenüberhang, der die Krise nun schon für fünf Jahre und wahrscheinlich noch länger anhalten lässt.

In seinem Buch versucht Kliman, dies zu widerlegen. Dabei muss er sich denselben Vorwurf der „Rosinenpickerei“ bei Marx-Zitaten gefallen lassen, den er sonst anderen macht: Er bringt solche, die seinem Zweck dienen, aber tut andere Marx-Zitate ab, wenn sie das nicht tun.

Wenn er sich zum Beispiel die Argumente der „Unterkonsumtionist*innen“ vornimmt – was er sehr unzulänglich macht –, greift er sie dafür an, dass sie das folgende berühmte Marx-Zitat verwenden: „Der letzte Grund aller wirklichen Krisen bleibt immer die Armut und Konsumtionsbeschränkung der Massen gegenüber dem Trieb der kapitalistischen Produktion, die Produktivkräfte so zu entwickeln, als ob nur die absolute Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft ihre Grenze bilde.“ [„Das Kapital“, Band III, 30. Kapitel, Marx Engels Werke Band 25, S. 501]. Marx rechtfertigt hier nicht die Argumente der „Unterkonsumtionist*innen“.

Er hält einfach nur die Tatsache fest, dass der „letzte Grund“ die eingeschränkten Kaufkraft der Massen ist, weil diese nicht in der Lage sind, das komplette Produkt ihrer Arbeit zurückzukaufen.

Die Maschinerie des Kapitalismus bleibt jedoch in Gang, weil ein Teil des Mehrwerts wieder in die Produktion reinvestiert wird.

Doch das schafft ab einem bestimmten Stadium und in Verbindung mit weiteren Faktoren wiederum die Grundlage einer zukünftigen „Überfülle“, von Überproduktion etc.

Nichts davon bei Kliman, der versucht, die obigen Worte abzutun, wenn er erklärt, dass die „Unterkonsumtionist*innen sehr gerne einen Satz aus dem Kontext reißen, in dem Marx schreibt: ‚Der letzte Grund aller wirklichen Krisen bleibt immer die Armut und Konsumtionsbeschränkung der Massen’“. [TFoCP, S. 166]. Aber er stellt sie nie in einen „Kontext“, der Marx in dieser Frage widerlegt.

Stattdessen kommt er sehr den Argumenten nahe, die gegen Marx‘ ökonomische Argumente vom rechten Guru der „Österreichischen Schule“, Hayek, ins Feld geführt wurden.

Kliman, so scheint es, erklärt explizit, dass der Kapitalismus immer einen Ausweg finden könne, indem er den Mehrwert in die Produktionsmittel investiert. Wir akzeptieren auch, dass der Kapitalismus das kurzfristig kann, aber es gibt dafür Grenzen, wie oben erklärt wurde.

Zitieren wir den Teil, in dem Kliman sich mit diesen Argumenten beschäftigt: „Unterkonsumtionist*innen behaupten jedoch, dass die Investitionsnachfrage auf lange Sicht nicht schneller wachsen kann als die persönliche Konsumnachfrage.

Warum nicht? Nun, sagen sie, wenn die Unternehmen in neue Fabriken, Maschinen etc. investieren und sie dazu benutzen, mehr Waren zu produzieren, dann müssen sie diese auch verkaufen.

Das ist offensichtlich richtig, aber dann kommt die Unterkonsumtions-Intuition: Letztlich müssen die Unternehmen die Waren an Menschen verkaufen“.

Er beantwortet das, indem er sagt: „Weshalb können die Unternehmen am Ende nicht einander verkaufen statt den Menschen?“

Hayek und nun, wie es scheint, auch Kliman argumentieren, dass dies für immer ohne Grenze so weitergehen könne. Lediglich der Anteil der Konsumgüter an der Produktion werde immer geringer.

Kliman erklärt: „Trotz eines relativen Rückgangs bei der Konsumnachfrage kann Wachstum unbegrenzt stattfinden, wenn es eine gesteigerte Nachfrage nach Maschinen gibt, mit denen neue Maschinen hergestellt werden, und damit eine relative Ausweitung der Produktion von Maschinen.

Sie tun einfach die Reproduktionsschemata ab zugunsten dessen, was sie für die Realität halten, insbesondere des Dogmas, dass alle Produktion, selbst unter dem Kapitalismus, Produktion zum Zwecke des Konsums sei“ [ebd., S. 164]. Die Arbeiter*innenklasse wird niemals in der Lage sein, die Konsumgüter kaufen zu können, die die vermehrten Produktionsmittel erzeugen, aber das System wird mit erhöhten Produktionsmitteln fortgeführt, was sich endlos fortsetzt, begleitet von der permanenten Verarmung der Arbeiter*innenklasse.

Diese Schlussfolgerungen Hayeks sind verrückt – eine reductio ad absurdum (Zurückführung aufs Absurde) des Kapitalismus. Zeitgenössische marxistische Ökonom*innen haben es als das erkannt und auf ihn geantwortet.

Hayek sagt implizit, dass der Kapitalismus auf ein System hinausläuft, das die Produktionsmittel endlos erweitern muss, das aber niemals gesteigerte Produktion – Konsumgüter – die von Verbraucher*innen gekauft werden, umfassen kann, wenn es eine Krise vermeiden soll.

Wie kann die Arbeiter*innenklasse – und die Menschheit als Ganzes, was das angeht – ein solches System unterstützen? In der Tat, wenn es je auf dieser Basis aufgebaut wäre, würde es eine viel heftigere Wirtschaftskrise erzeugen, als wir sie jetzt haben. Sie würde eine weltweite Revolution hervorrufen.

Ist nicht die Produktion von Konsumgütern vernünftiger Weise das Ziel der Produktion, auch wenn das aus einem kapitalistischen Blickwinkel nicht der Fall ist? Daher kommen die unlösbaren Widersprüche des Systems; der Kapitalismus ist ein System, das auf der Produktion für den Profit beruht und nicht für gesellschaftliche Bedürfnissen.

Und deswegen betont Marx: „Die kapitalistische Produktion strebt beständig, diese ihr immanenten Schranken zu überwinden, aber sie überwindet sie nur durch Mittel, die ihr diese Schranken aufs Neue und auf gewaltigerem Maßstab entgegenstellen.“ [„Das Kapital“, Band III, 15. Kapitel, a.a.O., S. 260].

Auf diesen Punkt, den wir in der Debatte gemacht hatten, entgegnet Bruce Wallace unglaublicherweise: „Nein, ich denke nicht, dass im Kapitalismus die Produktion von Konsumgütern jemals das rationale Ziel ist, sondern dass es sich dabei lediglich um ein reines Zufallsprodukt des Systems handelt“!! Marx selbst antwortet darauf wie folgt: „[…] indem die Produktion von konstantem Kapital nie seiner selbst wegen stattfindet, sondern nur, weil mehr davon gebraucht wird in den Produktionssphären, deren Produkte in die individuelle Konsumtion eingehen.“ [ebd., Band III, 18. Kapitel, a.a.O., S. 316 f.].

Kliman geht an die Dinge auf vollkommen undialektische Art und Weise heran und klammert sich an eine einzige Erklärung – die Wirkungen des Falls der Profitrate – die äußerst wichtig ist, damit stimmen wir überein. Es gibt aber andere Faktoren, die in unsere Analyse einfließen.

Diese Tatsache anzuerkennen unterstützt noch keineswegs die Unterkonsumtionist*innen, weder die keynesianische noch die „sozialistische“ Spielart. Denn wenn es einen Versuch gäbe, dieses Problem zu lösen, indem die Löhne angehoben würden, dann bekäme man eine Krise, die durch sinkende Profite und die daraus folgende Einstellung der Produktion verursacht ist.

Wie wir im Zusammenhang mit den Argumenten des Keynesianismus ausgeführt haben, müssen höhere Löhne dadurch gegenfinanziert werden, dass die Profite der Kapitalist*innen beschnitten, der Arbeiter*innenklasse höhere Steuern aufgebürdet oder die Staatsausgaben erhöht werden – ohne dass das durch zusätzliche Warenproduktion gedeckt wäre – was wiederum mit der Zeit zu steigender Inflation führen würde.

Obendrein ist eine der ersten Erscheinungen einer Krise, ein Vorbote am Ende der Boomperiode, dass der Preis der Arbeitskraft, die Löhne, in die Höhe getrieben wird. Das verringert die allgemeine Profitabilität, indem es die Mehrwertrate verringert, und wird selbst zu einem weiteren Faktor, der zur Krise führt.

Das heißt nicht, in die Falle zu tappen, theoretische Argumente gegen eine Lohnerhöhung zu liefern. Wir würden weiterhin Lohnerhöhungen fordern, aber gleichzeitig auf die inneren Widersprüche hinweisen, die dadurch auf Grundlage des Kapitalismus geschaffen werden.

Dies wiederum würde die Grundlage liefern für die Argumente für eine neue, sozialistische Gesellschaft etc., nicht Gründe zur Rechtfertigung der Ablehnung von Lohnerhöhungen, für Lohnkürzungen etc.

Sind die Löhne der Arbeiter*innen gestiegen?

Ein weiterer Fehler besteht in seiner Einschätzung der Wirkungen des Neoliberalismus. Zweifellos gab es eine Umverteilung des Mehrwerts – des Reichtums – innerhalb der Reihen der Kapitalist*innen, bei der Manager*innen und Vorstandsmitglieder den Rahm abgeschöpft haben.

Aber es gab auch eine Zunahme des Anteils der Kapitalist*innenklasse insgesamt. Es ist unvorstellbar, dass der Neoliberalismus nicht zu einer Umverteilung der Einkommen – des Anteils am nationalen Reichtum – von den 99% in der Arbeiter*innenklasse und den Mittelschichten zu dem 1%, jetzt eher 0,1%, der Kapitalist*innen, geführt hat.

Die jüngsten Statistiken deuten darauf hin, dass die heutigen Löhne der Arbeiter*innenklasse in den USA auf das Niveau der 1950er Jahre zurückgeworfen sind.

Die US-Arbeiter*innenlöhne stagnieren seit mehr als 30 Jahren. Die inflationsbereinigten durchschnittlichen Stundenlöhne in der Privatwirtschaft lagen 1979 bei 16 US-Dollar und stiegen bis 2012 auf 17 US-Dollar [St.-Louis-Zweigstelle der Federal Reserve Bank]. Inflationsbereinigt lag der Median der Haushaltseinkommen 1979 bei 47,527 US-Dollar und stieg bis 2011 auf 50,054 Dollar (US Census Bureau).

Diese Stagnation fand statt, obwohl der Anteil weiblicher Arbeitskräfte zugenommen hat und die Arbeitszeiten verlängert wurden. Um ihren Lebensstandard zu halten, haben die Arbeiter*innen zunehmend Schulden gemacht.

Wir haben nie argumentiert, dass der Neoliberalismus eine grundlegend andere Phase des Kapitalismus sei. Kliman baut Popanze auf, um sie zu bekämpfen. Aber er war einzigartig darin, in welchem Ausmaß beispiellose Summen an Krediten ausgeschüttet wurden. In Verbindung mit den politischen Wirkungen des Zusammenbruchs des Stalinismus erlaubte der Neoliberalismus dem Kapitalismus eine Konterrevolution gegen die Rechte und die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter*innenklasse durchzuführen, praktisch ohne die früheren Kontrollen, Beschränkungen oder den Druck der Arbeiter*innenklasse durch die Organisationen der Arbeiter*innenbewegung.

Dies half, durch die massive Einspeisung fiktiven Kapitals eine nie dagewesene Kreditschwemme in Gang zu setzen. Dadurch flossen der Kapitalist*innenklasse unglaublich angenehme Vorteile zu. Unterstellt Kliman ernsthaft, dass diese Periode nicht die Wirkung hatte, den Anteil der Arbeiter*innenklasse zu senken und die Profitabilität zumindest zeitweilig hochzutreiben? Der Staat ist, wie sowohl Marx als auch Engels ausführten, eine wirtschaftliche Macht.

Die Bourgeoisie nutzte diese, um mit wirtschaftliche Vorteile für sich das Kräfteverhältnis zu ihren Gunsten zu ändern. Kliman bestreitet das und trachtet danach, Statistiken aufzustellen, um seine Behauptungen zu beweisen. Wir akzeptieren seine Zahlen nicht. (Wir sollten hinzufügen, dass es sehr schwierig ist, eine wirklich tragfähige Profitrate auch nur für die USA zu berechnen, wie wir unten erklären werden.) Es ist absurd anzunehmen, dass die Vorteile, die als Folge der neoliberalen Maßnahmen an die Kapitalist*innen gingen, nicht erheblich gewesen seien.

Dies war keine grundlegend neue Phase des Kapitalismus. Aber es war auch nicht nur eine „normale“ Form der Kredit-Ausweitung. Es war eine riesige Einspeisung von Krediten mit monumentalen Dimensionen.

Das Ende dieser Phase hinterließ ein immenser Schuldenüberhang, der den Kapitalismus gegenwärtig lähmt. Wie wir erklärt haben, führte es nicht zu massivem Wachstum in der produktiven Seite des Kapitalismus.

Wachstumsraten waren niedrig, in Europa, Japan und den USA kam es zu einer realen wirtschaftlichen Stagnation – China und einige andere asiatische Wirtschaften waren die internationalen Ausnahmen – und es gab niedrige Akkumulationsraten etc. Dies lag an der enormen Ausweitung des fiktiven Kapitals durch die „Finanzialisierung“ [den beträchtliche Bedeutungs- und Machtgewinn der Finanzmärkte – d. Übers.].

Kliman argumentiert, dass der reale Anteil am Gesamteinkommen, der an die Arbeiter*innenklasse geht, nicht gefallen sei, weil der „Soziallohn“ – Gesundheits-, Renten- und anderen Sozialleistungen, die im Nachkriegsaufschwung in den USA von einzelnen Unternehmen statt vom Staat zugestanden wurden – in den Anteil der Arbeiter*innen einbezogen werden muss.

Manche Monopole in den USA gehen so weit, dass sie komplett schließen – Firmen und ganze Industrien bankrott gehen lassen – um sich der Sozialleistungen für die Beschäftigten (z.B. Betriebsrenten, Betriebskrankenkassen) zu entledigen. Danach öffnen sie als neue Firmen wieder, aber ohne die Last der „sozialen Wohltaten“ für die Beschäftigten.

Kliman und diejenigen, die seine Behauptung unterstützen, wonach die „Kompensation“ oder der Anteil der Arbeiter*innenklasse tatsächlich zugenommen habe, berufen sich auf äußerst dubiose Quellen.

Um zu beweisen, dass der Anteil der Arbeiter*innenklasse nicht gesunken ist – im Gegensatz zu dem, was die meisten Arbeiter*innen instinktiv glauben und fühlen – , führt Kliman die Beweisführung von Martin Feldstein, des damaligen Präsidenten des (privaten Wirtschaftsforschungsinstituts – d. Übers.) „National Bureau of Economic Research“, an. Er schrieb, dass es ein „Messfehler“ sei, „auf die Löhne statt auf die gesamte Kompensation zu schauen“ und dass es „zu einer falsche Sicht führt, wie sich die Anteile am Volkseinkommen entwickelt haben“.

Kliman sagt nicht, wer genau Feldstein ist. Er ist in der Tat ein extrem reaktionärer Ökonom, der sein Leben dem Verteidigen und Schönfärben des US-Kapitalismus gewidmet hat.

Er unterscheidet sich nicht vom Vertreter der „British Chamber of Commerce“ (BCC; brit. Handelskammer), der in einer Debatte mit Peter Taaffe in der Oxford Union [ein studentischer Debattierclub – d. dt. Hg.] argumentierte, dass die Lebensstandards der Arbeiter*innenklasse nicht gesunken seien – sie seien gestiegen! Die relativ privilegierte Zuhörerschaft war damit jedoch nicht einverstanden und votierte für die Aussage: „der Kapitalismus hat die Armen im Stich gelassen“. Kliman und Bruce Wallace treten im Prinzip für dasselbe ein wie die britische Handelskammer!

Es ist wahr, dass Marxist*innen oft bürgerliche Ökonom*innen zitieren, wenn deren Forschungsergebnisse manche der Wahrheiten über den Kapitalismus und die Ausbeutung der Arbeiter*innen enthüllen! Etwas völlig anderes ist es aber, wenn ein Marxist reaktionäre Ökonom*innen zitiert, die Statistiken auf eine Art und Weise nutzen, die ihre Verteidigung des Kapitalismus stärkt. Klimans Schlussfolgerung stimmt stark mit der natürlichen ideologischen Ausrichtung von Feldstein überein. [Dieser und eine Reihe anderer vielsagender Punkte werden von Sam Williams auf seinem Blog http://critiqueofcrisistheory.wordpress.com/ gemacht.]*

Selbst wenn es wahr wäre, dass die „Lohnersatzleistungen“ (wie beispielsweise die Gesundheitsversicherung) seit 1972 so stark zugenommen hätten, dass das Realeinkommen (Stundenlöhne plus „Lohnersatzleistungen“) für jede abgeleistete Arbeitsstunde, die von den US-amerikanischen Arbeiter*innen an die Kapitalist*innen verkauft wurde, zwischen 1972 und 2006 gestiegen wäre, so bedeutet dies nicht, dass die Arbeiter*innen in den USA pro Stunde auch einen höheren Wert für ihre geleistete Arbeit erhalten hätten.

So lange die Arbeitsproduktivität steigt ist es durchaus möglich, dass der Lebensstandard der Arbeiter*innen steigt, während sie stärker ausgebeutet werden als je. Das ist Marx´ Konzept vom relativen Mehrwert.

Klimans Behauptung, dass die aus den US-amerikanischen Arbeiter*innen herausgepresste Mehrwertrate in den Jahrzehnten vor der Großen Rezession nicht gestiegen sei, wird von der Tatsache untergraben, dass es in den letzten 40 Jahren eine enormen Schwächung der US-Gewerkschaftsbewegung gegeben hat. 2010 sank die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder im Bereich der Privatwirtschaft auf unter sieben Prozent.

So ein niedriges Niveau gab es seit 1932 unter Präsident Herbert Hoover nicht mehr, als während der „Super-Krisen“-Phase der Großen Depression die Gewerkschaftsmitgliedschaft sehr niedrig war.

Es wäre in der Tat bemerkenswert, wenn die Mehrwertrate, die aus den amerikanischen Arbeiter*innen herausgeholt wird, trotz dieser immensen Schwächung der Gewerkschaftsbewegung tatsächlich zurückgegangen wäre. Hinzu kommt der Anstieg der realen Erwerbslosigkeit seit dem Ende der wirtschaftlichen Nachkriegsprosperität vor 40 Jahren, die sich in den offiziellen Erwerbslosenzahlen nur zum Teil widerspiegelt.

Kliman lässt die Wirkungen der Verlagerung der kapitalistischen Produktion von den Vereinigten Staaten und anderen imperialistischen Ländern, wo die Löhne vergleichsweise hoch sind, in Länder wie China, Indien, Bangladesch usw. weg, wo die Löhne dramatisch niedriger sind. Das räumt er selbst ein und begründet dies mit dem Mangel an seriösen Statistiken.

Anders als 1972 wird die Masse der Profite von Unternehmen, die ihren Firmensitz in den USA haben, in zunehmendem Maße von extrem schlecht bezahlten Arbeiter*innen produziert – vor allem in Asien aber auch in Lateinamerika, der Karibik und Afrika.

Die von Kliman erstellten Schaubilder zur Untermauerung der Idee, dass der Anteil der Arbeiter*innen am Bruttoinlandsprodukt zugenommen habe, unterschätzen, dass die Zahlen so ermittelt werden, dass sie die Gehälter, Spesen etc. von „Nicht-Arbeiter*innen“ enthalten – von Firmendirektor*innen usw.

Zu den Zahlen über Löhne und Gehälter gehören auch die Gehälter der Vorstände, die einen wachsenden Anteil an den Gesamteinkommen kassieren. Den Großteil der Gehälter dieser Schicht (von denen viele zum obersten 1% gehören), sollte man nicht wirklich als Lohn sondern als Teil des Profits betrachten.

Gewerkschaftsführer*innen im ganzen TUC (brit. Gewerkschaftsbund – d. Übers.) haben in völligem Gegensatz zu den Behauptungen von Bruce Wallace und Kliman darauf hingewiesen, dass die britischen Arbeiter*innen die größte Lohnkürzung in modernen Zeiten hinnehmen mussten; seit Beginn der Finanzkrise sind die Jahreseinkommen um 52 Milliarden brit. Pfund gesunken. Würden wir die Argumente von Kliman und Wallace akzeptieren, wären wir in der absurden Lage, zu behaupten, dass die Bosse nicht gewonnen sondern verloren hätten, und dass die Arbeiter*innenklasse in der vergangenen Periode tatsächlich dazu gewonnen hätte.

Ein Mangel an Profiten?

Was die Profite angeht, so hat es in letzter Zeit eine Schwemme an Berichten in der bürgerlichen Presse gegeben, nach denen es „die großen Unternehmen noch nie so gut hatten“.

Sie ertrinken förmlich in ihren Profiten, die sie nicht in Form profitabler Investitionen unterbringen können. Alexander Friedman schreibt in der „Financial Times“ [2. Mai 2013]: „Das Veröffentlichen der Gewinne des ersten Quartals ist noch im Gange und die Unternehmen im S&P 500 haben neue Rekordwerte erreicht.

Die US-Firmen verdienen an jedem umgesetzten Dollar mehr als je zuvor in der Geschichte, und die Gesamtheit der Unternehmensprofite belaufen sich auf rund 13 Prozent des BIP, den höchsten aufgezeichneten Wert“. Nachdem es zunächst ausführte, dass die US-amerikanischen Firmen „exzellente Profite“ machen, berichtete das „Wall Street Journal“: „US-Konzerne (ohne Finanzhäuser) sitzen auf mehr als 1,8 Billionen US-Dollar an Kassenbeständen und flüssigen Mitteln, 30% mehr als 2008 laut Schätzungen der US-Notenbank“ [28. Juni 2013]. Und wieder die „Financial Times“ schrieb in einer Kolumne vom 16. Juli 2013 mit dem Titel: „Wall Street wrestles with the problem of too much profit“ [Wall Street ringt mit dem Problem von zu viel Profit], dass die größten US-Banken „kurz davor stehen, zu hohe Gewinne zu machen. JPMorgan Chase erwartet dieses Jahr Profite in Höhe von 25 Milliarden US-Dollar und mehr (das ist mehr als das Bruttoinlandsprodukt von Paraguay), mit mindestens 17% Ertrag auf das Buchkapital, was die Bank auf den berauschenden Stand von 2007 zurückbringt“.

Was die Investitionen der Konzerne angeht, so stellt die „Financial Times“ fest: „Die Profite befinden sich in den USA auf einem Allzeithoch, aber perverser Weise stagnieren die Investitionen“ [25. Juli 2013].

Finanzialisierung

In Bezug auf den Neoliberalismus erklärt Kliman: „Die politischen Folgerungen aus dieser Kontroverse sind tiefgreifend.

Wenn die langfristigen Gründe der Krise und der Rezession finanziell sind, ohne dass Tieferes dahinter steckt, dann können wir die Wiederkehr solcher Krisen verhindern, indem wir mit dem Neoliberalismus und der ,Finanzialisierung des Kapitalismus‘ Schluss machen“. Alles, was erforderlich sei, argumentiert er, sei, dass der kapitalistische Staat die Banken verstaatliche.

Das ist übrigens für ihn nicht immer leicht. Siehe das Zögern der konservativ-liberaldemokratischen britischen Regierung heute bei der vollen Verstaatlichung der „Royal Bank of Scotland“ trotz deren offensichtlichen Misserfolgen. Diese Frage behandeln wir in der „Socialism Today“.

Diese Schlussfolgerungen resultieren keineswegs aus dem Anerkennen der Phase der „Finanzialisierung“. Die Krise ist sowohl finanziell als auch in der „Realwirtschaft“, was zu der Frage führt, die Kommandohöhen der Wirtschaft zu verstaatlichen.

Kliman behauptet, wenn man Aspekte wie die Finanzialisierung betone, bedeute dies in gewisser Weise, dass man nicht das System als Ganzes in Frage stelle, sondern nur für begrenzte Maßnahmen eintrete, die das System tatsächlich durch „Staatskapitalismus“ erhalten können.

Das ist eine völlig unfruchtbare Herangehensweise. Er zeigt hier wie in seinem ganzen Buch wenig Verständnis der Übergangsmethode.

Die „Kritik“ an unserer Analyse

Bruce Wallace stellt auch unsere allgemeine Herangehensweise in der Vergangenheit in Frage. Er kritisiert einen Artikel aus der ersten Ausgabe der „Socialism Today“ vom September 1995. Er zitiert nur einen Satz aus dem Artikel, der das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate nicht erwähnte, der folgendermaßen lautet: „Die Profite der Großkonzerne und insbesondere der großkapitalistischen Spekulant*innen haben wieder das hohe Niveau der Nachkriegsaufschwungperiode (1950-73) erreicht“. Er erwähnt jedoch nicht, was im Text folgt. Der geht weiter:

„Dies wurde jedoch vor allem durch eine verstärkte Ausbeutung der Arbeiter*innenklasse erreicht – durch niedrigere Löhne, geringere Sozialausgaben und härtere Managementregime am Arbeitsplatz.

Außerhalb der fortgeschrittenen Hochtechnologiesektoren der Wirtschaft (Mikroelektronik, Kommunikationstechnologie, Biotechnologie, Pharmazie usw.) ist das Produktions- und Produktivitätswachstum geringer als in der Aufschwungsperiode.

In den großen Industrieländern, vor allem in den USA und in Japan, ist es zu einer „Aushöhlung“ der Industrie gekommen, mit dem beschleunigten Verdrängen der verarbeitenden Industrie durch den Dienstleistungssektor.

Der Kapitalismus ist weit von einer Periode der Renaissance entfernt, sondern ist in eine Periode chronischer Depression eingetreten. Der Zyklus von Booms und schweren Krisen wird sich fortsetzen (wie wir bereits seit 1990 gesehen haben), aber aufeinanderfolgende Erholungsperioden werden die dem langfristigen Niedergang zugrunde liegenden Ursachen nicht beseitigen – im Gegenteil, sie werden sich noch verstärken.

Der Boom der 80er Jahre in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern, die Welle spekulativer Investitionen in bestimmten Ländern der Dritten Welt und die eher schwache Erholung der großen Volkswirtschaften in den letzten zwei oder drei Jahren haben die Erosion der Bedingungen für langfristiges Wachstum, die in der Nachkriegszeit geschaffen wurden, in keiner Weise aufgehalten.

In den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern haben die Kapitalist*innen die Rentabilität wiederhergestellt, indem sie die Zugeständnisse, die sie der Arbeiter*innenklasse während des Nachkriegsaufschwungs machen mussten, wieder einkassiert haben: Vollbeschäftigung, relativ hohes Lohnniveau, Sozialstaat usw.

Angesichts des Rückgangs der Profitabilität ab Ende der 1960er Jahre kam die Kapitalist*innenklasse zu dem Schluss, dass sie sich die Gemeinkosten des „Wohlfahrtsstaates“ nicht mehr leisten konnte.

In den 1980er Jahren kamen der Thatcherismus oder die Reaganomics mit der Privatisierung staatlicher Industrien, der Kürzung staatlicher Sozialausgaben und einem Angriff auf die etablierte Stärke der Gewerkschaften auf die Tagesordnung.

Das Ergebnis war jedoch eine drastische Aushöhlung des Marktes, der die Grundlage für die hohen Investitionen und die anhaltende Profitabilität in der Aufschwungphase bildete. Die Kapitalist*innen sind in einem Widerspruch gefangen.“.

Was ist daran falsch? Es ist eine gute Erklärung unserer Position. Es ist wahr, dass wir an dieser Stelle und auch sonst nicht bei allen Gelegenheiten das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate erwähnt haben.

Aber auch Lenin oder Trotzki taten dies nicht, in deren umfangreichen Werken dieser Aspekt nie oder kaum erwähnt wird! Der Grund dafür war nicht, dass sie das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate nicht akzeptiert hätten.

Es war „gegeben“. Es stimmt, dass Rosa Luxemburg diesen Aspekt in Marx´ ökonomischen Schriften nicht akzeptierte.

So wichtig das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate ist, so sollten wir es dennoch nicht auf Kosten von allem anderen in den Vordergrund stellen. Wir müssen an jede einzelne Situation herangehen, indem wir – wenn nötig – Grundlegendes wiederholen aber auch die spezifischen Merkmale jeder Krise – so weit das möglich ist – studieren und die nötigen politischen Schlussfolgerungen ziehen.

Schauen wir zurück, was unsere Organisation vor allem in den letzten 20 Jahren veröffentlicht hat, so haben wir dies getan.

Unsere Analyse war beachtlich darin, auf jeder Stufe des Konjunkturzyklus die wichtigen Fragen herauszuarbeiten und trotz großer Skepsis vor der Unabwendbarkeit eines Krachs zu warnen.

Es gibt eine ganze Reihe von Gründen – in den Worten von Marx Schranken der weiteren Entwicklung – warum sich eine Krise entwickeln kann, nicht nur einen Fall der Profitrate, wie Kliman und Wallace endlos wiederholen.

Obendrein kann es auch Fälle geben, wo der Fall der Profite aus der Stärke der Arbeiter*innenklasse entspringen kann.

Es kann kapitalistisch gesprochen zur „Verknappung der Arbeitskraft“ kommen als Ergebnis der Stärke der Arbeiter*innenorganisationen, die sich dem Drang zu Profitmaximierung widersetzen.

Marx selbst erklärte in der Tat, dass die Arbeiter*innenklasse am Ende eines Wachstumszyklus zeitweilig einen größeren Anteil herausziehen kann, was auf die Profitabilität der Kapitalist*innen drückt.

Andrew Glyn hatte theoretisch Unrecht, Marx´ Erklärung der langfristig Tendenz der Profitrate zurückzuweisen. Gegen seine uninformierten Kritiker*innen damals wie heute hatte er aber Recht mit dem Argument, dass die Profite in den späten 1970er Jahren durch den Mangel an neuer ausbeutbarer Arbeit „eingeklemmt“ waren.

Dies verschärfte den langfristigen Fall der Profitrate, der während des Nachkriegsaufschwungs stattgefunden hatte. Diese Lage änderte sich dramatisch durch den Eintritt von hunderten Millionen Arbeitskräften aus der ehemaligen Sowjetunion und Osteuropa in den Weltmarkt nach dem Zusammenbruch des Stalinismus zusammen mit der Öffnung Chinas. Dies gab dem Weltkapitalismus und der Profitrate einen kolossalen wirtschaftlichen Schub, entgegen dem, was Kliman argumentiert.

Unterkonsumtionismus

Der Vorwurf des „Unterkonsumtionismus“ wird von Kliman und Bruce Wallace als Vogelscheuche hochgehalten. Damit wollen sie alle davor abschrecken, diese Idee auch nur zu untersuchen. Wir haben zuvor schon erklärt, dass es Ökonom*innen gibt – einige links andere bürgerlich –, die die einfache Idee vorgebracht haben, dass Krisen überwunden werden können, indem die „Nachfrage“ durch erhöhte öffentliche Ausgaben oder Lohnerhöhungen angeheizt wird. Es ist möglich, dies zu tun, aber nur kurzfristig. Gleichzeitig werden damit Widersprüche geschaffen, die wir bereits beschrieben haben. Es handelt sich nicht um eine langfristige Lösung der Krise des Kapitalismus.

Marx hat uns mit unentbehrlichen theoretischen Werkzeugen zur Analyse des heutigen Kapitalismus versorgt. Es wäre jedoch ein Fehler zu glauben, dass Marx´ Theorie vorgefertigte Erklärungen für den Nachkriegsaufschwung oder die derzeitige Depressionsphase des internationalen Kapitalismus liefert.

Marxistische Theorie kann nicht vor einer sorgfältigen Analyse der heutigen Trends mit Erläuterungen dienen. Im „Kapital“ und anderen Schriften arbeitete Marx eine theoretische Analyse der inneren Logik und der Widersprüche des kapitalistischen Systems aus, die er aus der Wirklichkeit des Kapitalismus des 19. Jahrhunderts ableitete.

Selbst auf abstrakter, theoretischer Ebene nahm Marx jedoch nicht einen einzigen Weg der Kapitalakkumulation an und vertrat gewiss kein einfaches Modell der kapitalistischen Krise.

Marx´ Schriften zeigten zwar die Unausweichlichkeit von Krisen, weisen aber auf eine Reihe möglicher Wege zur Krise. Marx zeigt, dass es durch ein Übermaß von Kapital zur kapitalistischen Störung kommen kann – entweder aufgrund des tendenziellen Falls der Profitrate oder einer Überakkumulation an Kapital im Verhältnis zur beschäftigten Bevölkerung.

Ein Übermaß von Kapital (das zur Überproduktion führen kann) führt zu einem Fall in der Profitabilität [Kapital Band 3, Kapitel 15, Marx-Engels-Werke Band 25, S. 252 und 261-70.]

Marx gibt zwar den Ursachen durch Übermaß von Kapital größeres Gewicht, zeigt aber auch, dass es unter bestimmten Bedingungen durch ein Übermaß an Waren zur Störung kommen kann.

Das kann entweder an Ungleichgewichten zwischen den verschiedenen Produktionszweigen oder der beschränkten Kaufkraft der Mehrheit der Gesellschaft liegen. [Kapital Band 3, Kapitel 15, Marx-Engels-Werke Band 25, S. 254 und 501] Marx weist auch auf die Möglichkeit von externen Schocks hin, die das System in die Krise stürzen können, bevor die internen Mechanismen selbst voll zur Geltung gekommen sind.

Um die aktuelle kapitalistische Krise zu verstehen, dürfen wir diese theoretischen Werkzeuge nicht nur auf die Fragen der unmittelbaren Krisenursachen anwenden, sondern auf den gesamte kapitalistischen Konjunkturzyklus: Stagnation, Erholung, Aufschwung, Krach, Depression usw. (die im Wesentlichen außerhalb des Themenbereichs des „Kapitals“ lagen).

Die Analyse darf sich nicht auf den Konjunkturzyklus der produzierenden Industrie innerhalb einer Volkswirtschaft beschränken. Auch die Produktion, der Handel und das Geldwesen auf internationaler Ebene müssen untersucht werden. Der heutige Kapitalismus ist ein viel komplexeres internationales System als zu Marx’ Zeiten (als der britische Kapitalismus den Weltmarkt beherrschte). Und die marxistische Wirtschaftstheorie muss gekonnt und umfassend angewendet werden.

Wer ist ein Unterkonsumtionist?

Es ist behauptet worden, wir würden die „klassische unterkonsumtionistische Sicht“ übernehmen. Aber was bedeutet „unterkonsumtionistisch“?

Marx akzeptierte sicher nie die Argumente von Theoretikern wie Malthus, Sismondi, Chalmers und Rodbertus, die auf vereinfachende Weise die Schwächen des Marktes als chronischen Widerspruch des Kapitalismus sahen.

Diejenigen, die die Idee akzeptieren, dass die unzureichende Nachfrage aus der Arbeiter*innenklasse nach Waren ein ständig unüberwindbares Problem für das System darstelle, haben Schwierigkeiten, Perioden von dynamischer Kapitalakkumulation zu erklären (wie den Aufschwung 1950-73).

Malthus und andere waren (unter anderem) nicht in der Lage zu verstehen, welche Rolle eine Ausweitung der Produktionsmittel spielt, indem sie die Nachfrage nach (Kapital-)Gütern steigert.

Ihre Ideen kann man als „unterkonsumtionistisch“ beschreiben, ebenso wie Rosa Luxemburg irrige Idee, dass in einem geschlossenen kapitalistischen System (das nur aus Kapitalist*innen und Arbeiter*innen besteht) Akkumulation unmöglich sei und dass kapitalistisches Wachstum die kontinuierliche Ausweitung des kapitalistischen Marktes auf neue Gebiete (z.B. Kolonien) erfordere.

Während Marx die Ideen von Malthus ablehnte, so akzeptierte er dennoch nicht die ebenso falsche Vorstellung Says (die Ricardo übernahm), nach der das Angebot stets seine eigene Nachfrage schafft und so ein Gleichgewicht des Marktes aufrechterhält.

Marx war weit davon entfernt, die Idee abzulehnen, wonach es zu einem bestimmten Zeitpunkt im kapitalistischen Konjunkturzyklus zu mangelnder Gesamtnachfrage nach Waren kommen werde, ein Mangel, bei dem die Schwäche der Nachfrage der Arbeiter*innen nach Waren ein wesentlicher Teil ist.

So beschäftigt sich Marx beispielsweise im 16. Kapitel des zweiten Bandes des „Kapital“ („Der Umschlag des variablen Kapitals“) mit dem Zyklus von Erwerbslosigkeit und Vollbeschäftigung, von niedrigen und steigenden Löhnen, schwacher und starker Nachfrage während dem kapitalistischen Konjunkturzyklus.

In einer Periode rapiden Wachstums „verursachen“ erfolgreiche Kapitalist*innen und vor allem Spekulant*innen „starke konsumtive Nachfrage auf dem Markt, daneben steigen die Arbeitslöhne“. „Ein Teil der Arbeiterreservearmee wird absorbiert, deren Druck den Lohn niedriger hielt.

Die Löhne steigen allgemein, selbst in den bisher gut beschäftigten Teilen des Arbeitsmarkts. Dies dauert solange, bis der unvermeidliche Krach die Reservearmee von Arbeitern wieder freisetzt und die Löhne wieder auf ihr Minimum und darunter herabgedrückt werden.“ [a.a.O., S. 317 f.]

Bezeichnenderweise ist an dieser Stelle eine von Engels eingefügt Fußnote, eine kryptische Skizze aus dem Manuskript von Marx, die dieser später näher ausführen wollte:

„Widerspruch in der kapitalistischen Produktionsweise: Die Arbeiter als Käufer von Ware sind wichtig für den Markt. Aber als Verkäufer ihrer Ware – der Arbeitskraft – hat die kapitalistische Gesellschaft die Tendenz, sie auf das Minimum des Preises zu beschränken.

Fernerer Widerspruch: Die Epochen, worin die kapitalistische Produktion alle ihre Potenzen anstrengt, erweisen sich regelmäßig als Epochen der Überproduktion; weil die Produktionspotenzen nie so weit angewandt werden können, dass dadurch mehr Wert nicht nur produziert, sondern realisiert werden kann;“ [mit anderen Worten: Die Kapitalist*innen müssen Waren an Verbraucher*innen verkaufen, bevor sie den darin enthaltenen Wert realisieren, die Lohn- und Herstellungskosten decken sowie den Mehrwert einstreichen können.]

„der Verkauf der Waren, die Realisation des Warenkapitals, also auch des Mehrwerts, ist aber begrenzt, nicht durch die konsumtiven Bedürfnisse der Gesellschaft überhaupt, sondern durch die konsumtiven Bedürfnisse einer Gesellschaft, wovon die große Mehrzahl stets arm ist und stets arm bleiben muss. […]“ [„Das Kapital“, Band II, 16. Kapitel, 3. Abschnitt, Marx-Engels-Werke, Band 24, S. 318].

Mit dem Anstieg des Lebensstandards der Arbeiter*innen während des Nachkriegsaufschwungs wurde Armut (in den entwickeltsten kapitalistischen Ländern, aber nicht in der Mehrzahl der unterentwickelten Länder) für eine Periode zu relativer Armut (auch wenn eine Minderheit der Arbeiter*innen weiterhin unter absoluter Armut litt).

Aber in der gegenwärtigen Phase einer Weltdepression werden weite Teile der Arbeiter*innenklasse durch chronische Massenarbeitslosigkeit, niedrige Löhne und Kürzungen bei den Sozialleistungen wieder in die absolute Armut getrieben.

Im „Kapital“ und den „Theorien über den Mehrwert“ finden sich viele Passagen, in denen Marx die Überproduktion (Übermaß an Waren bzw. Mangel an Nachfrage) als einen Widerspruch in der kapitalistischen Produktionsweise darstellt. Aber macht ihn das zum „Unterkonsumtionisten“?

Im Unterschied zu platten „Unterkonsumtionist*innen“, die sich auf mangelnde Nachfrage als chronischem Problem konzentrierten, ohne den gesamten Kreislauf von Produktion und Realisierung des Mehrwerts zu verstehen, treten laut Marx Krisen wegen Warenüberschuss in „bestimmten Perioden“ auf. [„Theorien über den Mehrwert“, 19. Kapitel, Abschnitt 12, Marx-Engels-Werke Band 26.3, S. 50] Die schwache Nachfrage ist ein Glied in einer ganzen Kette von Ursachen und Wirkungen, eine Krisen-Tendenz, die auf einer bestimmten Stufe des kapitalistischen Konjunkturzyklus in den Vordergrund treten und in dieser besonderen Konstellation entscheidende Wirkung haben kann.

Krisen können von Ungleichgewichten zwischen verschiedenen Industriezweigen verursacht werden. Auch äußerst rasche technologische Veränderungen, angetrieben vom Zwang der Konkurrenz, gegen die sich die Arbeiter*innen wehren, können ein Faktor bei einer Krise sein.

Der Kapitalismus ist eine Produktionsweise, die die höchstmöglichen Profitraten zu erlangen sucht, aber auch ihre Waren verkaufen muss.

Diese doppelte Anforderung erzeugt einen ständigen Widerspruch, der in Krisen zum Ausdruck kommt. Einer der wesentlichen Beiträge von Marx war seine Untersuchung der Bedingungen der Reproduktion des Kapitals.

Es ist eine Schlüsselfrage, die so zusammengefasst werden kann: Wer kauft, was von den ausgebeuteten Beschäftigten produziert wird? Für Arbeitgeber*innen ist es prima, die Arbeiter*innen auszubeuten, aber der daraus gezogene Profit bleibt virtuell, wie er nicht über den Verkauf der Waren realisiert werden kann.

Diese Frage stellt sich während des Konjunkturzyklus, aber sie stellt sich langfristig auch strukturell. Die Aufwärtstendenz der Ausbeutungsrate, die seit den frühen 1980er Jahren festzustellen ist, stellt aus dem Blickwinkel der „Realisierung“ ein Problem dar.

Wenn der Anteil des Konsums der Beschäftigten im Verhältnis zum neu hergestellten Reichtum sinkt, dann stellt sich die Frage, wer den Rest kaufen wird.

Es kann Probleme der „Realisierung“, d.h. des Verkaufs von Waren und Dienstleistungen, geben, ohne die Mehrwert und Profit nicht produziert werden.

Bill Jefferies von der winzigen Gruppe namens „Permanent Revolution“ (die heute aufgelöst ist!) und ein marxistischer Ökonom, der der „Schule des tendenziellen Falls der Profitrate“ anhing, vertrat in der Tat denselben „fundamentalistischen“ Ansatz wie Kliman und Wallace und lag schief, als es 2007-08 zur Krise kam.

Er sagte voraus, dass die Krise nicht stattfinden würde. Es wäre interessant zu sehen, welche Position Kliman vor dem Krach hinsichtlich der wirtschaftlichen Perspektiven vertrat. Zu jenem Zeitpunkt war Wallace noch nicht um den Weg! Anders als Kliman, verstand Jefferies, der nicht der Staatskapitalismus-Schule angehörte und seine eigene Theorie ernst nahm, dass das Eintreten von Millionen von Arbeitskräften aus den ehemals stalinistischen Ländern in den Arbeitsmarkt ein bedeutender Faktor in Bezug auf die wirtschaftlichen Perspektiven war. Er folgerte daraus, dass dies eine tiefe Krise in den Jahren 2007-08 wegen neuer Ausbeutungsfelder für den Kapitalismus ausschließen würde.

Zumindest er gestand seinen Fehler ein: „Ich hatte eine etwas zu fundamentalistische, in der Tat einseitige Krisentheorie, die sich auf Profitraten stützte“. Das sollte Kliman und Wallace zu Denken geben.

Fazit

Deshalb akzeptiert die „Socialist Party“ nicht Klimans zentrale These, nicht die dogmatische Theorie von Wallace, dass der tendenzielle Fall der Profitrate die derzeitige Krise erklärt.

In dieser Antwort auf die Kritik und Angriffe unserer Gegner*innen haben wir nur die wichtigsten Fragen berührt.

Wenn nötig, werden wir weitere Fragen in der Debatte ansprechen. Aber wir halten an unserer Analyse der Lage vor 2007-08 und danach fest.

In der Debatte, die nun zu dieser Frage beginnen wird, werden wir weitere Argumente liefern, um unsere Analyse zu rechtfertigen.

* Andrew Kliman hat uns dafür kritisiert, dass wir die von uns zitierten Punkte von Sam Williams nicht erwähnt haben, als das Dokument ursprünglich am 20. September 2013 veröffentlicht wurde. Wir tun dies gerne und haben dies auch in früheren Entwürfen getan, aber dies wurde versehentlich im Text ausgelassen, als er ursprünglich veröffentlicht wurde.


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