Clara Zetkin: Zur Frauenkonferenz

[„Die Gleichheit. Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen”, 20. Jahrgang, Nr. 17, 23. Mai 1910, S. 264]

V.

Die Befürworterinnen einer diesjährigen Frauenkonferenz haben keinen Grund, sich mit Genossin Lungwitz‘ Einsendung auseinanderzusetzen. Sie besagt zur umstrittenen Frage sachlich rein gar nichts, was nicht schon als unstichhaltig zurückgewiesen worden wäre und durch Wiederholung nicht an Beweiskraft gewinnt.

Was Genossin Baumann zur Rechtfertigung der beiden Genossinnen im Frauenbüro anführt, trifft daneben. Niemand hat von ihnen verlangt, dass sie sich mit einer Umfrage beziehungsweise Information in den verschiedenen Orten an einzelne Genossinnen – etwa unsere früheren Vertrauenspersonen – wenden sollten. Dagegen steht fest, dass es ihnen möglich gewesen wäre, sei es durch ein Zirkular an die Vorstände der gemeinsamen Organisationen, sei es durch einen Hinweis in der Parteipresse, rechtzeitig die Aufmerksamkeit der Genossinnen auf die vorliegende Frage zu lenken. Was in dieser Beziehung bei anderen Anlässen geschehen ist, um das Interesse der Genossinnen für eine bestimmte Aufgabe zu erwecken, konnte und musste in einer Sache getan werden, welche wie die Konferenz von so außerordentlicher Bedeutung für die Entwicklung der proletarischen Frauenbewegung ist. Dass Genossin Zietz bereits im November im Parteivorstand die Frage angeschnitten hat, kommt als Entschuldigungsgrund der „Unterlassungssünde“ nicht in Betracht. Durch diese ihre Initiative wurde die Verpflichtung der Büros nicht aufgehoben, die Genossinnen zu unterrichten und zur Erörterung der Frage aufzufordern. Was im Parteivorstand verhandelt wurde, ging nicht über diese geschlossene Körperschaft hinaus und diente mithin auch nicht zur rechtzeitigen Aufklärung der Genossinnen und damit zur Wahrung ihres demokratischen Rechtes, auf Grund reiflicher Prüfung der Sachlage selbst mitzuentscheiden. Genossin Baumanns Ausführungen über die allgemein gelockerten Verbindungen zwischen dem Frauenbüro und den Genossinnen im Lande, über die Notwendigkeit, sie wieder fester zu knüpfen, erhärten beweiskräftig, wie dringend eine Frauenkonferenz in diesem Jahre gewesen wäre. Sie liegen in der Richtung der Argumente, die meines Dafürhaltens für die sachliche Reorganisation des Büros sprechen.

Zur Antwort auf die mahnenden Jammertöne der Genossinnen des dritten Berliner Wahlkreises wegen der Polemik sei in der Hauptsache auf die vorige Nummer verwiesen. Dem

dort Gesagten muss jedoch eine Feststellung hinzugefügt werden. Die Diskussion über die Frauenkonferenz ist sachlich geführt worden bis zu dem Tage, wo die Genossinnen Zietz und Baader in sie eingegriffen haben. Die Genossinnen sollten über den „guten Ton“, der diese Einsendungen zierte, nicht die wenig gute Sache vergessen, für die er aufgewendet wurde, und noch weniger den undemokratischen Geist – um mich milde auszudrücken –, den sie atmeten. Es ist aber eine alte Erfahrung, dass bei Auseinandersetzungen die Wehelaute über die polemische

Form sich gewöhnlich dann einstellen, wenn der bekämpfte Standpunkt durch die Wucht guter Gründe gerichtet worden ist. Genossin Mittags Einsendung ist eine Bestätigung mehr dafür, wie wenig durch sachliche Gründe die Vertagung der Frauenkonferenz gerechtfertigt werden kann.

Klara Zetkin.


Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert