[14. oder 15. April 1934, eigene Übersetzung des französischen Textes in Œuvres 3, November 1933 – April 1934, verglichen mit der englischen Übersetzung in Writings of Leon Trotsky, Bd. 14, dort unter dem Titel „My interrrogation by the police“, „Meine Befragung durch die Polizei“]
1. Die Staatsanwälte1 sind formell nur gekommen, um mich als „Zeugen“ in der Angelegenheit des Motorrads, das angeblich nicht in Ordnung war, zu befragen.
2. Während der Befragung zum Motorrad sagte mir der Staatsanwalt2, dass ich die Aufenthaltsgenehmigung nur für Korsika erhalten hätte, meine Anwesenheit in Barbizon irregulär sei. Ich protestierte aufs Kategorischste gegen diese willkürliche Anschuldigung, die im Übrigen in keiner Weise mit dem Fall des Motorrads in Zusammenhang stand.
Beiläufig muss man feststellen, dass ich in meinen Briefen an Herrn Parijanine – einen französischen Schriftsteller und Übersetzer meiner Bücher – über die Möglichkeit meines Aufenthalts auf Korsika geschrieben hatte, und soweit ich weiß, zeigte Herr Parijanine diesen Brief Herrn Guernut, der damals zugunsten des Visums interveniert hatte. Aber die zuständigen Behörden sprachen nie von Korsika als einem zugewiesenen Ort für einen Aufenthalt in Frankreich. Der französische Generalkonsul in Istanbul stellte mir ein Visum ohne jegliche Einschränkung aus. Der Kommissar3 der Sûreté générale, der mich in Marseille empfing, ließ mich einen Bescheid unterschreiben, der mir den Aufenthalt in Frankreich zu denselben Bedingungen wie jedem anderen Ausländer, auf eigenes Risiko und ohne jegliche Einschränkung gestattete. Ich bin nie nach Korsika gereist. Ich verbrachte einige Monate in Charente-Inférieure. Ich habe mich in Seine-et-Marne aufgehalten und die zuständigen Behörden stets auf dem Laufenden gehalten. Alle gegenteiligen Behauptungen sind frei erfunden und entbehren jeder Grundlage.
3. Die Presse berichtet über den Inhalt meiner Vernehmung als Zeuge in einer völlig fantasievollen und bösartigen Weise. Was mich jedoch am meisten erstaunt, ist, dass in diesem angeblichen Bericht dennoch mehr oder weniger genaue Zitate der von mir gesprochenen Sätze und der von den Richtern beobachteten Tatsachen zu finden sind. Ohne auf die Frage einzugehen, ob die Beobachtungen von Staatsanwälten, die als Staatsanwälte das Haus eines Zeugen betreten haben, in der Presse veröffentlicht werden dürfen, beschränke ich mich auf die Feststellung: Ich hatte nichts zu verbergen. So spricht die Presse von zwei Revolvern, die sich auf meinem Tisch befanden. Das ist richtig. Als ich die Polizei in unser Haus eindringen sah, ließ ich nicht nur meinen Revolver dort, wo er war, sondern legte auch den Revolver meiner Frau auf den Tisch, als die einzigen Gegenstände, denen die Polizei Aufmerksamkeit hätte schenken können.
4. Man spricht in der Presse über die Frage der Vierten Internationale. Dieses Thema wurde von den Staatsanwälten, die mich mit ihrem Besuch beehrten, überhaupt nicht angesprochen. Niemand nannte eine der Internationalen, weder die, die sterben, noch die, die geboren werden. Hätte mir jemand eine Frage dazu gestellt, hätte ich ihm wahrscheinlich einige Broschüren oder Artikel, die ich in verschiedenen Sprachen über die Vierte Internationale verfasst habe, überreicht.
Man hat einen Satz von mir zitiert: „Ich bin ein alter Verschwörer“. Aber man zitiert ihn in einer verzerrten Weise. Auf wiederholtes Drängen bezüglich der „Unregelmäßigkeit“, die mein Mitarbeiter in Bezug auf das Motorrad begangen hatte, bemerkte ich, dass man nicht alles vorhersehen kann und dass ich mich persönlich nicht mit dieser Frage befasst hatte. Ich fügte hinzu, dass ich, wenn ich etwas vor den französischen Behörden zu verbergen gehabt hätte, als „alter Verschwörer“ vielleicht mehr Aufmerksamkeit aufgewandt hätte, auch auf die Motorradfrage.
5. Man schreibt viel über das „seltsame“ Leben der Bewohner der Villa in Barbizon. Das ist richtig. Man verbrachte dort die Zeit nicht als ausruhender Urlauber, sondern als fleißiger Arbeiter. Man hörte dort weder Klavier noch Radio, sondern gewöhnlich die Schreibmaschine.
Ich beschäftige mich mit einem Buch über Lenin, das am 1. Januar 1935 an Verlage in verschiedenen Ländern, darunter auch Frankreich, übergeben werden soll. Ich benötige umfangreiches Material. Mein Sohn und meine Mitarbeiter brachten mir aus Paris umfangreiche Post, manchmal Dutzende von dicken Bänden oder Kopien, je nachdem, was ich angab.
Man muss hinzufügen, dass ich jeden Tag Briefe und Dokumente aus allen Ecken der Welt erhielt, die mir spontan von Personen geschickt wurden, von denen mir die meisten unbekannt sind. In der Regel handelte es sich um Fragen zur weltweiten wirtschaftlichen und politischen Lage, zum Phänomen des Faschismus, zur Arbeiterbewegung usw. Da ich in von meinem Buch absorbiert bin, kann ich leider nicht nur nicht antworten, sondern nicht einmal ein Zehntel der Briefe und Dokumente lesen, die ich erhalte.
Es ist offensichtlich, dass ich kein Interesse daran hatte, meinen Wohnsitz offenzulegen und damit die eine oder andere Komplikation zu verursachen, die meine reguläre Arbeit nur behindern würde. Die Notwendigkeit, mein Inkognito zu wahren, zwang mich dazu, meine umfangreiche 4und internationale Post nicht an meiner Adresse in Barbizon zu empfangen. Meine Mitarbeiter brachten sie mir zwei- oder dreimal pro Woche aus Paris, und auf diese Weise wurde die Post bei meinem Mitarbeiter wegen des defekten Scheinwerfers seines Motorrads beschlagnahmt.
Was die geheime Druckerei und anderen Unsinn betrifft, von dem der weniger intelligente Teil der Presse spricht, so ist es nicht nötig, sich damit aufzuhalten.
1In der englischen Übersetzung: „Inspektoren“
2In der englischen Übersetzung eingefügt: „aus Melun“
3In der englischen Übersetzung: „Beamte“
4In der englischen Übersetzung fehlen die beiden folgenden Wörter
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