Aber die Konzern-Demokrat*innen bieten keine wirkliche Alternative an
(eigene Übersetzung des englischen Textes in The Socialist, Nr. 463, 16. November 2006)
Die Republikaner*innen und Bush haben eine „krachende“ politische Niederlage erlitten. Bush selbst gab dies zu und fügte hinzu: „Ich habe es nicht kommen sehen. Aber was wüsste ich schon?“ Lynn Walsh erklärt die Gründe für den Absturz der Republikaner*innen, aber auch, warum die Konzern-Demokrat*innen keine echte Alternative für die US-Arbeiter*innen sind.
Zwischenwahlen (zwischen den vierjährlichen Präsidentschaftswahlen) werden normalerweise von lokalen Themen beeinflusst. Doch dieses Mal waren sie ein nationales Referendum über Bush und die Republikaner*innen, die beide Häuser des Kongresses kontrollierten. Der katastrophale Krieg im Irak war das wichtigste Thema: Sechs von zehn Wähler*innen lehnten den Krieg ab. Etwa vier von zehn Wähler*innen sagten (in Nachwahlbefragungen), dass ihre Stimme eine Stimme gegen Bush war.
Das Ergebnis ist Demokratische Kontrolle sowohl des Repräsentant*innenhauses als auch des Senats (ab Januar nächsten Jahres). In den nächsten zwei Jahren wird Bush ein „Lahmer Enten“-Präsident sein.
Was für eine Veränderung seit Bushs überwältigender Wiederwahl im Jahr 2004! Indem sich Bush als Oberbefehlshaber im „Krieg gegen den Terrorismus“ präsentierte, spielte mit der Angst vor terroristischen Anschlägen. Die schwächliche Opposition des demokratischen Kandidaten, John Kerry, ließ ihn gewähren.
Bush brüstete sich damit, dass er über „politisches Kapital“ verfüge und dieses auch zu nutzen beabsichtige. Karl Rove und andere republikanische Meinungsmacher*innen behaupteten, es habe einen massiven Rechtsruck gegeben, der die Grundlage für eine dauerhafte republikanische Mehrheit sei. Diese politische Fata Morgana hat sich nun verflüchtigt.
Der Irak ist der Hauptfaktor. Eine überwältigende Mehrheit sieht den Krieg jetzt als einen katastrophalen Fehler an. Sie haben das Scheinargument durchschaut, dass der Krieg die Gefahr von Terroranschlägen gegen die USA verringere.
Neben dem Irak war die Korruption ein Hauptthema. In Nachwahlbefragungen gaben drei Viertel der Wähler*innen an, dass die Korruption ihre Wahlentscheidung beeinflusst hat. Ein Dutzend oder mehr Kongresskandidat*innen waren von Korruptionsskandalen und Ermittlungen betroffen. Die jüngste Verurteilung des Washingtoner Lobbyisten Jack Abramov, der zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von 21 Millionen Dollar verurteilt wurde, deckte ein Netz von Korruption zwischen Unternehmen, Lobbyist*innen und Kongressmitgliedern auf.
Über 20 Mitglieder des Kongresses hatten Wahlkampfspenden, kostenlose Reisen und andere Vergünstigungen als Gegenleistung für korrupte Entscheidungen erhalten.
In jüngster Zeit hat der Skandal um den Kongressabgeordneten Mark Foley, bei dem es um unangemessenen sexuellen Verkehr mit Kongresspagen ging, führende Republikaner*innen weiter in Misskredit gebracht.
Aber das sind nicht die einzigen Vorwürfe gegen Bush und seine republikanischen Unterstützer*innen. Die kriminell inkompetente Reaktion der Regierung auf die katastrophalen Auswirkungen des Hurrikans Katrina auf New Orleans und die Golfregion ist nicht vergessen.
Obendrein hat Bushs „Erfolg“ in der Wirtschaft die meisten Menschen nicht beeindruckt. Die Konzernprofite sind in die Höhe geschnellt, aber die Realeinkommen haben stagniert. Die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich vertieft. Der typische Vorstandsvorsitzende eines großen Konzerns „verdient“ bis zur Mittagessenszeit am Montag mehr als Niedriglohnempfänger*innen in einem Jahr.
„Konservative Demokrat*innen“
Der dramatische Wechsel in der Kontrolle über den Kongress spiegelt ein Votum gegen Bush und die Republikaner*innen wider, nicht ein positives Votum für die Demokrat*innen. In der Tat war es trotz der Demokrat*innen, deren Wahlerfolg das tiefe Reservoir der Unzufriedenheit und des Zorns unter den US-Arbeiter*innen und Teilen der Mittelschicht nur blass widerspiegelt. Außerdem haben nur 40% der Wähler*innen ihre Stimme abgegeben, obwohl dies eine höhere Beteiligung war als gewöhnlich bei Zwischenwahlen. Die ärmsten und am meisten unterdrückten Menschen haben keinerlei Vertrauen in die Politiker*innen oder das politische System.
Vor den Wahlen drängten führende Demokratische Vertreter*innen wie Rahm Emmanuel, der Vorsitzende der demokratischen Kongresskampagne, darauf, „gemäßigte“ und konservative Demokratische Kandidat*innen aufzustellen. Heath Shuler zum Beispiel, der einen Sitz im Repräsentant*innenhaus von North Carolina gewann, ist gegen Abtreibung, für die Waffenlobby und gegen Steuern (und damit gegen höhere Sozialausgaben). Nach dieser Wahl sind sowohl die „Neuen Demokrat*innen“ als auch die konservativen „Blue Dog“-Fraktionen der Demokrat*innen gestärkt.
Die Demokrat*innen sind auf einer Welle der Antikriegsstimmung geritten, haben aber keine klare Antikriegsposition vertreten. Ihre Forderung nach einer „Verlagerung“ der US-Truppen, von der weithin angenommen wird, dass sie den Rückzug aus dem Irak bedeutet, bleibt ein vager Slogan. Sie haben keinen klaren Plan.
Vor der Wahl sagte Howard Dean, der sich 2004 mit seiner Antikriegsrhetorik um die Präsidentschaftskandidatur der Demokrat*innen beworben hatte: „Wir werden Druck auf ihn [Bush] ausüben, damit er einige Richtgrößen, einige Zeitpläne und einen echten Plan vorlegt, der über die Beibehaltung des Kurses hinausgeht.“ Das war vage genug. Aber nach der Wahl sagte er: „Wir können den Irak jetzt nicht verlassen. Wir müssen die Lage stabilisieren.“
Hillary Clinton, die sich bereits im Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen 2008 befindet, befürwortet eine Stabilisierung der Lage im Irak – was mehr Truppen bedeuten würde.
Demokrat*innen haben Bush wegen des Iraks angegriffen und kritisieren seine drakonische Einschränkung der demokratischen Rechte im eigenen Land. Sie versprechen Untersuchungen in Form von Anhörungen im Kongress, wobei sie notfalls von Vorladungsbefugnissen Gebrauch machen, um Beweise von Bush und seinen Beamten zu erhalten.
Noch vor den Wahlen verkündete die führende Vertreterin der Demokrat*innen, Nancy Pelosi, dass ein Amtsenthebungsverfahren gegen Bush „nicht zur Debatte steht“. Senator Charles Schumer aus New York, ein führender Demokrat, sagte: „Wir werden nicht eine ganze Reihe von Anhörungen abhalten, in denen mit dem Finger auf das Jahr 2001 gezeigt wird.“
Noch vor den Wahlen haben sie Bush für all die Lügen und Täuschungen, all die verfassungswidrigen und illegalen Aktionen, die er im Laufe der Besetzung des Irak eingesetzt hat, praktisch vom Haken gelassen. Die führenden Vertreter*innen der Demokrat*innen sind mehr damit beschäftigt, sich auf die Wahlen 2008 vorzubereiten, als Bush für seine „Verbrechen und Vergehen“ zur Rechenschaft zu ziehen.
Die Demokrat*innen sind ebenso vage und ausweichend in Wirtschaftsfragen. Sie versprechen, den Mindestlohn von 5,15 $ auf 7,25 $ anzuheben. Selbst das wäre eine willkommene Verbesserung für die ärmsten Arbeiter*innen, die arbeitenden Armen. Aber es ist wirklich eine klägliche Verbesserung.
Seit Jahren haben viele Demokrat*innen Bushs Steuersenkungen für die Superreichen angeprangert. Aber jetzt sagen sie, dass es sechs Monate bis ein Jahr dauern werde, die Steuerstruktur zu überarbeiten. Howard Dean „warnte davor, die Steuersenkungen zu erwarten, die viele Demokraten für die Mittelschicht [d.h. Facharbeiter*innen und Angestellte] wollen“ („International Herald Tribune“, 13. Mai).
Eifrig bemüht, den Großkonzernen zu versichern, dass sie „fiskalkonservativ“ seien, sagte Dean, dass die Demokrat*innen einen haushaltsausgleichenden Ansatz unterstützen.
Führende Demokratische Vertreter*innen versprechen ständig „Reformen“. Niemand sollte ernsthafte konzernfeindlichen Maßnahmen oder wesentliche wirtschaftliche Verbesserungen für die Arbeiter*innen erwarten.
Konzernpolitik
Die Demokrat*innen sind die alternative Partei der US-Großkonzerne. Das gesamte politische System ist darauf ausgerichtet, das „republikratische Duopol“ aufrechtzuerhalten und Herausforderungen durch dritte Parteien auszuschließen. Unzufriedenheit mit einer Partei wird dann sicher in die Unterstützung für die andere kanalisiert.
Beide großen Parteien erhalten riesige Summen an Konzernfinanzierung. Bei dieser Wahl gaben Republikanische Kandidat*innen 559 Millionen Dollar aus, während die Demokrat*innen 456 Millionen Dollar ausgaben. Hillary Clinton, die um einen sicheren Senatssitz im Staat New York kämpfte, gab 30 Millionen Dollar für ihren Wahlkampf aus. Insgesamt kosteten die Zwischenwahlen die beiden Parteien 2,8 Milliarden Dollar.
In der Schlussphase des Wahlkampfs, als sich abzeichnete, dass die Demokrat*innen große Gewinne erzielen würden, begannen einige große Konzerne, ihre Finanzen von den Republikaner*innen auf die Demokrat*innen umzustellen. Pfizer, Sprint, UPS, Hewlett-Packard, Lockheed Martin usw. spendeten in großem Umfang an die Demokrat*innen. Zweifellos glauben sie, dass solche Spenden ihren Zugang zu den führenden Vertreter*innen im Kongress erleichtern und die von ihnen gewünschte Politik bewirken.
Gleichzeitig machen die Gewerkschaften weiterhin massive Spenden an die Demokrat*innen. Bei den Wahlen 2004 spendeten die Gewerkschaften beispielsweise 55,4 Millionen Dollar, davon 90% für Demokratische Kandidat*innen. In diesem Jahr wird es sogar noch mehr gewesen sein.
Auf diese Weise haben sie die organisierte Arbeiter*innenbewegung an eine der Parteien der Großkonzerne gebunden. Obwohl die Demokrat*innen die liberale, sozialstaatliche Politik der New-Deal-Ära längst aufgegeben haben, halten die führenden Gewerkschafter*innen an diesem Ansatz fest.
Immer wieder haben sie (mit ein oder zwei rühmlichen Ausnahmen) jeden Versuch blockiert, sich loszureißen und eine neue, unabhängige Partei der Arbeiter*innenklasse aufzubauen. So bleibt die organisierte Arbeiter*innenbewegung der „Schwanz“ der Demokrat*innen, der zwar Millionen von Dollar spendet, aber wenig oder gar keinen Einfluss auf die Politik ausübt.
Das Ergebnis der Zwischenwahlen enthüllt einen eklatanten Widerspruch. Auf der einen Seite die wütende Antikriegsstimmung der Mehrheit der Wähler*innen, die zu einer entscheidenden Niederlage der Republikaner*innen führte. Auf der anderen Seite die wankelmütige, konzernfreundliche Haltung der Demokrat*innen, die diese Stimmung überhaupt nicht zum Ausdruck bringt.
Millionen von Menschen in den USA (und auch international) atmen erleichtert auf, dass Bush in seinen letzten beiden Amtsjahren im Zaum gehalten wird. Viele werden bereit sein, den Demokrat*innen Zeit zu geben. Viele denken zweifellos, dass die Demokrat*innen erst die Präsidentschaft übernehmen müssen, bevor sie wirkliche Veränderungen durchsetzen können. Aber in den nächsten Jahren werden die Demokrat*innen noch mehr als unter Clinton ihre Unterwürfigkeit gegenüber den Großkonzernen unter Beweis stellen und der Arbeiter*innenklasse wenig oder gar nichts zu bieten haben. Sie haben keine magische Lösung für den Irak und werden sich in das katastrophale Chaos verstricken, das Bush angerichtet hat.
Für diejenigen, die für die Interessen der arbeitenden Menschen kämpfen und einen grundlegenden Systemwechsel wollen, steht der Kampf für den Aufbau einer von Großkonzernen unabhängigen Massenpartei, die sich für eine konzernfeindliche Politik einsetzt, ganz oben auf der Tagesordnung.
Kasten: Gesamtergebnisse
Diese Zwischenwahlen haben die 12-jährige Vorherrschaft der Republikaner*innen im Kongress beendet. Die Demokrat*innen gewannen 24 der 33 Senatssitze, die dieses Jahr zur Wahl standen, und erhielten sieben Millionen Stimmen mehr als die Republikaner*innen. Sie kontrollieren den Senat nun knapp mit 51 zu 49 Stimmen.
Bei den Wahlen zum Repräsentant*innenhaus besiegten die Demokrat*innen mindestens 29 republikanische Amtsinhaber*innen. Normalerweise behalten etwa 80 % der Amtsinhaber ihre Sitze, gestärkt durch große Konzernspenden und die Manipulation der Wahlkreiseinteilung. Die Demokrat*innen verfügen bisher über 230 Sitze im Repräsentant*innenhaus, die Republikaner*innen über 196.
Bei den Wahlen zum Repräsentant*innenhaus erhielten die Demokrat*innen etwa 53% der Zweiparteienstimmen (viele Demokrat*innen traten ohne Gegenkandidat*innen an).
Entgegen dem Trend konnte der als Unabhängiger kandidierende Kriegsbefürworter Joe Lieberman seinen Senatssitz in Connecticut behalten. Das lag daran, dass rund 70 % der republikanischen Wähler Lieberman ihre Stimme gaben, während sein „Antikriegs“-Gegner Ned Lamont seine Antikriegshaltung mehr oder weniger aufgab.
Die Demokrat*innen stellen nun 28 der 50 Gouverneur*innen von Bundesstaaten. Ebenfalls gegen den Trend wurde Arnold Schwarzenegger, der republikanische Kandidat in Kalifornien, wiedergewählt. Nach der früheren Niederlage seiner rechtsgerichteten Maßnahmen hat sich Arnold entschuldigt und die Politik der Demokrat*innen übernommen.
Die Demokrat*innen kontrollieren nun in 23 Bundesstaaten beide Kammern, die Republikaner*innen in 16.
Kasten: Grüne Partei
Die Grüne Partei war die Hauptpartei, die bei diesen Zwischenwahlen auf einer unabhängigen, kriegs- und konzernfeindlichen Plattform stand. Sie stellten 382 Kandidat*innen in 38 Bundesstaaten auf und gewannen 62 Mandate bei den Kommunalwahlen. Da das System zugunsten der beiden Parteien der Großkonzerne ausgelegt ist, erhielten die meisten grünen Kandidat*innen nur wenige Stimmen, weniger als 2 %. In einigen wenigen Fällen erhielten die grünen Kandidat*innen jedoch beträchtliche Unterstützung.
In Illinois erhielt der grüne Gouverneurskandidat Rich Whitney 11% der Stimmen. In einem Zweikampf mit einem Demokraten um einen Sitz im Repräsentant*innenhaus von Colorado erhielt Tom Kelly 21% der Stimmen. In Richmond, Kalifornien, wurde ein Grüner zum Bürgermeister gewählt.
Im Jahr 2004, als eine Mehrheit der Grünen Partei die Präsidentschaftskandidatur von David Cobb unterstützte, im Gegensatz zu Ralph Nader, der sowohl gegen die Republikaner*innen als auch gegen die Demokrat*innen antrat, gründete der radikale Flügel der Grünen die Partei Greens for Democracy and Independence (Grüne für Demokratie und Unabhängigkeit, GDI).
Um bei der Vorbereitung des Weg für eine neue Massenpartei der Arbeiter*innen in den USA eine Rolle zu spielen, muss der radikale Flügel der Grünen alle Themen aufgreifen, die die Arbeiter*innen betreffen, und für sie am Arbeitsplatz, in der Community und auf der politischen Bühne kämpfen.
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