[Eigene Übersetzung der Broschüre, geschrieben im Winter 1990-91, online veröffentlicht 2003]
Vorwort
Die Arbeit an dieser Broschüre wurde im Wesentlichen kurz vor dem Beginn des grausamen Luftkriegs gegen den Irak am 17. Januar 1991 abgeschlossen, dem 38-tägigen Vorspiel zu dem kurzen, aber verheerenden viertägigen Landangriff der US-amerikanischen, britischen, französischen und anderen imperialistischen Streitkräfte. Es sollte von „Militant“, dem Vorläufer der Socialist Party (England und Wales), veröffentlicht werden. Leider wurde die Broschüre aus praktischen Gründen (in erster Linie die Abreise des Autors zu einem unerwarteten Besuch in der zerfallenden Sowjetunion) – so schnell von den Ereignissen überholt – nie veröffentlicht. Könnte man sie heute gründlich überarbeiten, ließen sich viele Punkte, auch zu den Vorgängen, die zum Krieg geführt haben, zweifellos ergänzen oder ausarbeiten, um dem tatsächlichen Verlauf der Ereignisse und den später zutage getretenen umfassenderen Informationen Rechnung zu tragen. Dennoch glauben wir, dass der Originaltext der Broschüre, auch wenn er nicht den Verlauf des Krieges oder seine Folgen abdeckt, historische Hintergründe und sozialistische Analysen enthält, die für das Verständnis der gegenwärtig wieder aufflammenden Krise am Golf und im Nahen Osten nützlich sein können.
Lynn Walsh, 12. Februar 2003
Einleitung
Kein Krieg für Öl!
Ein barbarischer Krieg wird im Golf ausgefochten. Noch nie zuvor wurden so viele Waffen mit solch einer tödlichen Kraft auf einem einzigen Schlachtfeld zusammengeworfen. In der ersten Phase des Krieges haben die Luftstreitkräfte der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten – Großbritannien, Frankreich, Saudi-Arabien und andere – den Irak und Kuwait bereits einem verheerenden Bombardement aus der Luft ausgesetzt. Alle paar Minuten flogen Kampfflugzeuge einen Einsatz, um den Irak mit Raketen und Bomben zu bombardieren. Bis zum 11. Februar wurden über 60.000 alliierte Luftangriffe durchgeführt. Die Zerstörungskraft übertrifft bei weitem die der im Zweiten Weltkrieg oder in Vietnam eingesetzten Waffen. Nicht nur militärische Ziele, sondern auch Straßen, Brücken, Kraftwerke, Fabriken und unausweichlich auch Wohnungen werden zerstört.
Das Fernsehen berichtet über den Krieg, als wäre er ein „Star Wars“-Videospiel. Sowohl das Fernsehen als auch die Presse unterliegen einer strengen Zensur. Das Militär filtert die Nachrichten aus der Golfregion sorgfältig durch die offiziellen Medien-„Pools“, die praktisch unter der Kontrolle des Militärs stehen. Stanley Cloud, ein führender Journalist des „Time Magazine“, sagte dazu: „Dies ist ein unerträglicher Versuch der Regierung, die Presse zu verwalten und zu kontrollieren.“ („Guardian“, 12. Februar 1991) Der Öffentlichkeit wird nur ein sorgfältig geschönter Blick auf den Krieg gewährt.
Der Angriff auf den Irak ist angeblich „klinisch präzise“ und beschränkt sich auf „rein militärische Ziele“. Zweifellos wurden die neuesten wissenschaftlichen und technologischen Erkenntnisse pervertiert, um die Genauigkeit und Zerstörungskraft der eingesetzten Waffen zu erhöhen. Vor Ort jedoch wird eine Gesellschaft pulverisiert – Tausende sind sicherlich getötet und verwundet worden. Zehntausende werden bereits obdachlos sein und unter Kälte, Hunger und Krankheit leiden. Nach seiner Rückkehr von einem Besuch im Irak am 11. Februar beschuldigte Ramsey Clark, ein ehemaliger US-Justizminister, die USA, Kriegsverbrechen begangen zu haben, da sie zahlreiche zivile Opfer und Schäden verursacht hätten: „Die Schäden, die wir gesehen haben, waren in ihrem Ausmaß erschütternd.“ Der Leiter des irakischen Roten Halbmonds schätzte, dass bereits zwischen 6.000 und 7.000 Zivilist*innen bei den alliierten Bombardierungen ums Leben gekommen waren. „Dies ist ein Angriff auf das irakische Volk und die irakische Wirtschaft“, sagte Clark und wies darauf hin, dass das US-Militärbudget das Vierfache des irakischen Bruttosozialprodukts ausmache. Und das noch vor Beginn des Landkriegs, der noch mehr Tod und Zerstörung bringen wird.
Der Luftkrieg gegen den Irak hat in den arabischen Ländern bereits wütende Massendemonstrationen ausgelöst. Es gibt einen tief verwurzelten Hass auf den US-Imperialismus, der seit langem repressive Diktatoren unterstützt und sich einmischt, um die Bestrebungen der arabischen Arbeiter*innen und Bäuer*innen zu unterdrücken.
Als die Vereinigten Staaten am 17. Januar ihre Militäraktion gegen den Irak eröffneten, erweckten Bush, Major und andere führende politische Vertreter*innen den Eindruck, dass es sich um einen schnellen, schmerzlosen Krieg handeln würde. Es wurde behauptet, dass Luftüberlegenheit und High-Tech-Genauigkeit die Militärmaschinerie Saddam Husseins innerhalb weniger Tage zerschlagen würden. Dies war eine eklatante Täuschung. Im letzten Oktober gab General Schwarzkopf selbst zu, dass die Feindseligkeiten „sehr lange dauern und schrecklich viele Menschen töten“ könnten. In einer Studie der US-Armee vom letzten Jahr hieß es: „Wir glauben nicht, dass die Luftwaffe allein ausreichen wird, um einen Krieg mit dem Irak zu einem frühen oder entscheidenden Ende zu bringen. Letztendlich werden Bodentruppen benötigt, um die irakische Armee zu konfrontieren…“ („Independent“, 24. Januar 1991) General Schwarzkopf warnte vor den Leichensäcken, die im Falle eines Krieges nach Hause kommen würden: „Krieg ist eine Ruchlosigkeit, denn, seien wir ehrlich, es gibt zwei gegnerische Seiten, die versuchen, ihre Differenzen beizulegen, indem sie versuchen, so viele wie möglich von den anderen umbringen.“ („Daily Telegraph“, 29. Oktober 1990)
Generäle wie Schwarzkopf, der als US-Militärbefehlshaber in Vietnam tätig war, sind sich der Barbarei des Krieges durchaus bewusst. Aber er wird seine Befehle im Golf ausführen. Anprangerung des Schreckens des Krieges ist nicht genug. Wir müssen den Ursachen des Krieges auf den Grund gehen. Warum haben die USA und die westlichen Mächte Saddam Hussein dabei geholfen, die Militärmaschinerie aufzubauen, die sie jetzt zu zerstören versuchen? Warum waren die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten willens, Milliarden und Abermilliarden von Dollar auszugeben und das Blut tausender Soldat*innen, Matros*innen und Pilot*innen in einem Krieg zu opfern, um den irakischen Staat zu zerschlagen? Es ist klar, dass solche Kriegsziele mit den grundlegenden Interessen des westlichen Kapitalismus verbunden sein müssen – seinem Durst nach billigem Öl, seiner Gier nach weltweitem Profit und seinem Streben, über strategische Macht zu verfügen.
Der Krieg kostet die Vereinigten Staaten „nachweislich weniger als 1 Milliarde Pfund pro Tag“, so Greenspan, Vorsitzender der US-Notenbank. („Financial Times“, 23. Januar 1991) Dies ist optimistisch. Nach Angaben des Budgetamt des Kongresses [Congressional Budget Office] belaufen sich die Kosten eines einmonatigen Krieges auf 28 Mrd. $ (14,3 Mrd. £), während ein sechsmonatiger Krieg 82 Mrd. $ (41,8 Mrd. £) kosten würde. Diese Zahlen wurden zu einem Zeitpunkt bekannt gegeben, als Greenspan selbst offiziell zugab, dass sich die USA in einer Rezession befänden, nachdem die Wirtschaftsleistung in zwei aufeinander folgenden Quartalen zurückgegangen war. Am 4. Februar veröffentlichte Bush einen Haushaltsplan, der „Kürzungen bei wichtigen Programmen, einschließlich einer erwarteten Kürzung von 23 Milliarden Dollar bei Medicare, inmitten düsterer Vorhersagen über die Rezession in den USA“ enthielt. („Independent“, 4. Februar 1991)
Die ersten zwei Wochen des Krieges kosteten Großbritannien 1,2 Milliarden Pfund. Jeder Tag kostet weitere 30 Millionen Pfund. Jeder abgeschossene Tornado kostet 20 Millionen Pfund. Das Finanzministerium schätzt, dass ein 90-tägiger Krieg 3,09 Milliarden Pfund kosten wird. Einige Analysten der City schätzen jedoch, dass sich die Kosten auf 6 oder sogar 10 Milliarden Pfund belaufen könnten („Sunday Times“, 3. Februar 1991). Dies geschieht zu einer Zeit, in der Krankenhausstationen geschlossen werden und Patient*innen aufgrund von Kürzungen lebensrettende Medikamente verweigert werden. Die offiziellen Arbeitslosenzahlen stiegen im Dezember um mehr als 80.000. „Es bleibt eine beängstigende Möglichkeit“, so das Thatcher-nahe „Institute for Fiscal Studies“, „dass die Wirtschaft in eine tiefe Rezession stürzen könnte.“ („Daily Telegraph“, 5. Februar 1991).
Während jedoch kein Geld für die Rettung des Nationalen Gesundheitsdienstes, den Bau von Wohnungen und Schulen oder die Senkung der stark ansteigenden Kopfsteuern gefunden werden kann, werden keine Kosten gescheut, wenn es zum Krieg am Golf kommt.
Während Milliarden von Dollars in diesem Krieg verbrannt werden, müssen Millionen von Menschen in neokolonialen Ländern hungern, weil es ihnen an Nahrungsmitteln, sauberem Wasser und Medikamenten fehlt. Schon vor dem Golfkrieg wurden weltweit 1,9 Milliarden Dollar pro Minute für Militärausgaben ausgegeben, während jede Minute 15 Kinder in der Welt sterben, weil es an lebenswichtigen Nahrungsmitteln und preiswerten Impfstoffen fehlt. Beides ist natürlich miteinander verbunden. Die kapitalistischen Mächte bauen ihre Militärmaschinerie und die ihrer Marionetten auf, um ihre Fähigkeit zur Ausplünderung der neokolonialen Welt zu erhalten.
„Kein Krieg für Öl!“ Dies ist der Slogan, der bei den weltweiten Protesten gegen die US-Intervention überall zu hören ist. Wenige der Soldat*innen am Golf zweifelt daran, dass sie dort sind, um die westliche Ölversorgung und die Profite der riesigen Ölkonzerne zu schützen. Lange vor dem Zusammenstoß mit dem Irak haben die Strateg*innen des US-Kapitalismus (wie wir zeigen werden) ihre Bereitschaft erklärt, zum Schutz ihrer Ölinteressen zu intervenieren.
Imperialistische Intervention
Bush, Major und die verbündeten Führer*innen haben ihre militärische Intervention mit dem Deckmantel der Legalität der Vereinten Nationen getarnt. Sie führen Krieg gegen den Irak, behaupten sie, um kleine Nationen gegen Aggressionen zu verteidigen, das Völkerrecht zu wahren und Diktatoren zu besiegen. Doch weder die Vereinigten Staaten noch Großbritannien oder irgendeine andere Kolonialmacht haben jemals gezögert, in souveräne Staaten einzumarschieren, wenn es in ihrem Interesse lag. Saddams Irak, das ist wahr, ist eine Diktatur, und Marxist*innen unterstützen nicht die brutalen Polizeistaatsmethoden, mit denen er seine Macht aufrechterhält. Allerdings wurde auch Kuwait von einem autoritären Regime beherrscht, das von der reichen und korrupten al-Sabah-Familie kontrolliert wurde. Saddams Regime wurde zudem von den Vereinigten Staaten unterstützt, wenn es ihren Interessen diente. Nun führen die Vereinigten Staaten Krieg gegen den Irak und verbünden sich dabei mit ebenso bösartigen Diktaturen wie dem Assad-Regime in Syrien und den reaktionären Machthabern in Saudi-Arabien.
Demokratie und Diktatur sind für die herrschende Klasse der Vereinigten Staaten nicht das Thema. Was auf dem Spiel steht, sind ihre weltweiten wirtschaftlichen Interessen, ihre Macht und ihr Prestige. Dies hat auch der ehemalige Tory-Premierminister Edward Heath zugegeben. Auf die Frage von ITV (2. Februar), wie er Bushs „neue Weltordnung“ sehe, bezeichnete Heath sie unverblümt als „den neuen Imperialismus“. Der neue Imperialismus ist jedoch lediglich eine Fortsetzung des alten Imperialismus. Jahrzehntelang haben die Westmächte versucht, den Nahen Osten wirtschaftlich im Würgegriff zu halten. Sie haben nie gezögert, reaktionäre Regime zu unterstützen oder zu intervenieren, um die Bewegung der arabischen Völker zu unterdrücken.
Die USA sind in den Krieg gestolpert. Doch als Saddam Kuwait besetzte, unternahmen die USA keinen Versuch, durch Verhandlungen einen Ausweg zu finden. Angestachelt von Thatcher und ohne die Zustimmung des Kongresses oder der UNO abzuwarten, entsandte Bush die größte militärische Eingreiftruppe der USA seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Wie jetzt enthüllt wurde („Guardian“, 12. Februar 1991), erklärte sich Saddam, als Perez de Cuellar am 13. Januar nach Bagdad reiste, zu Verhandlungen über die wesentlichen Punkte des Konflikts bereit. Der Bericht des [UN-]Generalsekretärs wurde jedoch verschwiegen – und Bush zog innerhalb von 24 Stunden nach Ablauf der UN-Frist in den Krieg.
Bushs Vorgehen zeigt, dass das wirkliche Ziel der USA von Anfang an die Zerstörung des irakischen Staates war. Bushs Politik zielt darauf ab, den Würgegriff des Imperialismus über die Region zu stärken und die weitere Entwicklung der arabischen Revolution zu unterdrücken. Der Krieg am Golf kann nicht von der allgemeinen Krise im Nahen Osten getrennt werden. Selbst Bush war gezwungen zuzugeben, dass es eine „Verbindung“ zwischen dem Golfkrieg und der Palästinafrage gibt. Die verzweifelten Bemühungen der USA, Israel aus dem Krieg herauszuhalten, was bisher durch das Versprechen massiver zusätzlicher militärischer und wirtschaftlicher Hilfe erreicht wurde, unterstreichen diese Verbindung.
Es gibt klar eine massive Unterstützung für Saddam Hussein unter den Arbeiter*innen und Bäuer*innen der arabischen Staaten. Dies bedeutet keine Begeisterung für Saddams autoritäre Herrschaft. Aber es zeigt eine tiefe Unterstützung für einen Anführer, der bereit ist, dem US-Imperialismus die Stirn zu bieten, welcher den reaktionären Staat Israel bewaffnet und finanziert, welcher den Palästinenser*innen die Selbstbestimmung verweigert und welcher die Bestrebungen der arabischen Massen generell mit Füßen getreten hat. Die USA stützen sich auf eine Reihe arabischer Regime, darunter auch die Syriens und Ägyptens. Washington hat frühere Schulden gestrichen und vergrößerte Hilfe versprochen. Doch der Zorn der arabischen Massen wird dafür sorgen, dass die Tage von Assad und Mubarak gezählt sind.
Die Vereinigten Staaten haben die militärische Macht, Saddam zu besiegen, wenn auch zu enormen Kosten. Der Krieg wird nicht Frieden und Stabilität im Nahen Osten erzeugen. Alle Probleme werden bleiben: der israelisch-palästinensische Konflikt, die Instabilität der Regime in der Region und die zugrunde liegende wirtschaftliche und soziale Krise. Militärisch mag Saddam zerschlagen werden. Aber wie Brzezinski, der frühere Nationale Sicherheitsberater Präsident Carters, sagt: „Es besteht die begründete Sorge, dass die Vereinigten Staaten nach dem Krieg nicht in der Lage sein könnten, sich aus dem Hexenkessel des Nahen Ostens zu lösen, vor allem, wenn sich die arabischen Massen in der Zwischenzeit radikalisiert haben und den arabischen Regimen, die die US-Militäraktion unterstützt haben, feindlich gegenüberstehen.“ (Aussage vor dem Ausschuss für auswärtige Beziehungen des Senats, 5. Dezember 1990)
Ein ehemaliger britischer Luftwaffenkommandeur, Alastair Mackay, kommentierte: „Es wäre der größte Pyrrhussieg der Geschichte, weil alle Ressourcen weg wären und ein wirtschaftliches Chaos zurückbleiben würde.“ Der ehemalige Labour-Chef Dennis Healey erklärte, dass „ein Krieg mit der Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit in der Region völlig unvereinbar wäre“. Schlimmstenfalls würden „Syrien, die Türkei und der Iran um die Leiche des Irak kämpfen … die politischen und wirtschaftlichen Folgen eines solchen Krieges würden sich weit über den Nahen Osten ausdehnen. Die arabischen Regime, die den Krieg unterstützt haben, würden von ihren eigenen Völkern hinweggefegt werden; ihre Nachfolger würden ihre Waffen gegen den Westen richten, wie Khomeini nach dem Sturz des Schahs…“
Leider teilt die heutige Führung der Labour Party unter Neil Kinnock die nüchterne Einschätzung ihres ehemaligen Kollegen nicht. Indem sie sich an die Resolutionen der Vereinten Nationen klammern, haben die Labour-Chef*innen die Politik Bushs und Majors sklavisch unterstützt. Beschämenderweise haben sie dazu beigetragen, den wahren Charakter des Krieges vor der Arbeiter*innenklasse zu verbergen. In einer Rede im Parlament am 21. Januar sagte Gerald Kaufman, der Schattenaußenminister der Labour-Party: „Für uns geht es im Krieg nicht um Öl. Ich würde nicht dulden, dass ein einziges Menschenleben im Austausch für eine Milliarde Barrel Öl geopfert wird…“ „Für uns geht es auch nicht darum, Saddam Hussein loszuwerden.“ Für die Labour Party ist „das einzige Ziel des Krieges die Umsetzung der Resolutionen 660-678 des UN-Sicherheitsrates, die alle die bedingungslose Entfernung des Irak aus ganz Kuwait fordern“. In der gleichen Rede sagte Kaufman jedoch auch: „Wenn die militärische Niederlage des Irak die einzige Möglichkeit ist, den Irak aus Kuwait zu entfernen, dann wird der Irak auf diese Weise entfernt werden.“ Darüber hinaus unterstützte die Labour-Führung in einer vom Parteivorstand im Januar verabschiedeten Entschließung das Ziel, die „substantielle Entwaffnung des Irak durch die Reduzierung der konventionellen Streitkräfte und die verifizierte und vollständige Beseitigung chemischer, biologischer und nuklearer Waffen sowie der Mittel zu ihrer Herstellung“ zu erreichen, und darüber hinaus „den regionalen Supermachtstatus für den Irak zu beendigen…“. Was bedeutet das anderes als die Unterstützung für die Intervention des US-Imperialismus zur Zerschlagung des irakischen Staates? Im Parlament sagte Kinnock, dass es „weder für die USA noch für irgendeine andere Macht klug, wünschenswert oder machbar wäre, diese Aufgabe zu übernehmen“. „Keine Macht hat realistische Ambitionen, eine solche Rolle zu übernehmen“. Die USA, Großbritannien, die Sowjetunion usw., so Kinnock, würden lediglich dazu beitragen, „über die Vereinten Nationen die Architektur der kollektiven Sicherheit im Nahen Osten zu schaffen“. Der „Aufbau – die eigentliche Aufgabe des Aufbaus (von was?) – muss wirklich von den Ländern in dieser Region geleistet werden“. (Parlament, 21. Januar) Kinnock sprach sich auch für die „Befreiung Kuwaits von der Besatzung und die Wiedereinsetzung der rechtmäßigen Regierung…“, d.h. des al-Sabah-Regimes, aus. Am Ende der Debatte lobte Kinnock das Versprechen Majors, „die kollektive Sicherheit und die Autorität der UNO zu wahren“. „Ich glaube“, sagte Kinnock, „dass dies eine Überzeugung des sehr ehrenwerten Abgeordneten war; ich teile seine Überzeugung. Die Menschen kämpfen und sterben jetzt für dieses Prinzip“.
In Wirklichkeit haben die Labour-Chef*innen die Kriegsziele des amerikanischen Imperialismus gebilligt und die Tory-Führung in Großbritannien in der Frage des Krieges unterstützt. Nur eine Handvoll Mitglieder der Labour-Fraktion haben sich lobenswerterweise gegen den Krieg ausgesprochen. Die Position Kinnocks, Kaufmans und der Labour-Fraktionsführung hat der kapitalistischen Propagandamaschinerie das Feld überlassen, um die Unterstützung für die Intervention am Golf aufzupeitschen. Als die Streitkräfte einmarschierten, gab es zwangsläufig, wie in jedem Krieg, einen Anstieg der Unterstützung für „unsere Truppen“ am Golf. Das wird sich in der nächsten Periode ändern. Der Beginn der Landschlacht, die weitaus erbitterter und blutiger sein wird, wird den wahren Charakter des Krieges deutlich machen. Die Kosten in Form von britischen Opfern sowie von zivilen Toten und Verletzten im Irak werden eine massive Opposition gegen den Krieg hervorrufen. Ohne die erbärmliche Haltung der Labour-Führung gäbe es in Großbritannien bereits eine massive Antikriegsbewegung.
Dennoch lehnen große Teile der Jugend und der Arbeiter*innen die Intervention am Golf ab. Das ist nicht aus pazifistischen Gründen, sondern weil sie wissen, dass es ein Krieg für Öl, für Profit und für die strategische Macht des Imperialismus ist.
Schwarze und asiatische Arbeiter*innen und Jugendliche haben bereits unter einer Flut von Beschimpfungen und körperlichen Angriffen gelitten, die von der chauvinistischen Regenbogenpresse aufgepeitscht wurden. Die gesamte Arbeiter*innenbewegung muss gegen solche rassistischen Angriffe kämpfen.
Ein sozialistisches Programm gegen den Krieg
Die Marxist*innen in der Arbeiter*innenbewegung lehnen diesen imperialistischen Krieg am Golf ab. Wir sind dagegen, dass auch nur ein einziges Leben oder ein einziger Penny der Steuergelder der Arbeiter*innen im Interesse des Kapitalismus geopfert wird. Die Analyse, auf der sie beruhen, und unser vollständiges Programm sind in der Broschüre dargelegt. Unsere Forderungen lauten wie folgt:
– Nein zur imperialistischen Intervention, lasst die Menschen im Nahen Osten über ihr eigenes Schicksal entscheiden.
– Beendet das Gemetzel: Abzug der US-amerikanischen und britischen Truppen aus der Golfregion.
– Unterstützt die Arbeiter*innen und die Jugend des Nahen Ostens in ihrem Kampf, sich von den Diktaturen zu befreien.
– Für einen demokratischen, sozialistischen Irak, der allen nationalen Minderheiten Selbstbestimmung einräumt und der Bevölkerung Kuwaits das Recht einräumt, durch ein Referendum über ihre eigene Zukunft zu entscheiden.
– Für eine sozialistische Konföderation des Nahen Ostens.
– Nein zur Wehrpflicht: Die jungen Menschen in Großbritannien und den USA sollten nicht als Kanonenfutter zur Verteidigung der Ölprofite der Großkonzerne benutzt werden.
– Unterstützt Arbeiter*innen und Jugendliche, die sich entscheiden, die Wehrpflicht zu bekämpfen.
– Unterstützt Soldat*innen und Reservisten, die sich dem Krieg widersetzen.
– Nein zu Sanktionen!
– Schmeißt die Tories raus.
– Verteidigt den Lebensstandard der Arbeiter*innen: Kürzung der Verteidigungsausgaben und Verwendung des Geldes für Gesundheit, Bildung und Wohnungsbau.
– Kämpft für ein sozialistisches Programm.
Kapitel 1. Ein Krieg um Öl
Bush, Major und andere führende westliche Vertreter*innen kleideten ihre Kriegsziele in die edelste Sprache. Sie kämpfen gegen Saddam, um Kuwait zu „befreien“, um „das Völkerrecht zu wahren“ und um die „Demokratie“ gegen die böse „Diktatur“ zu verteidigen. Ein kurzer Blick auf die jüngste Geschichte wird jedoch zeigen, dass solche Behauptungen völlig heuchlerisch sind. Die Vereinigten Staaten zeigen ausnahmslos unverblümt ihre Missachtung für das Völkerrecht und die Resolutionen der Vereinten Nationen. Die USA handeln nicht nach den Regeln des „Völkerrechts“, das eine Fiktion ist, sondern gemäß der „Realpolitik“, d. h. gemäß einer Politik, die „auf Realitäten und materiellen Bedürfnissen statt auf Moral oder Idealen beruht“. (Concise Oxford Dictionary) Die Verbündeten der USA am Golf sind bösartige Diktaturen, keine Demokratien. Das entscheidende Motiv für den Krieg ist das Öl. Irak und Kuwait verfügen über 19 Prozent der Weltölreserven. Auf Saudi-Arabien, das von Saddams Regime bedroht wird, entfallen 25 Prozent. Die Kontrolle über riesige Reserven gibt einem Staat die Möglichkeit, die Produktion zu variieren, das ist der Schlüssel zum Ölpreis. Jede zusätzliche Million Barrel pro Tag, die zum Beispiel von Saudi-Arabien gefördert wird, erhöht die Ölproduktion der kapitalistischen Welt um etwa zwei Prozent, was den Preis um 20 Prozent senkt. Die Einschränkung der Fördermenge hingegen würde offensichtlich den Weltölpreis in die Höhe treiben. „Der Grund, warum Saddam Hussein nicht ungestraft Kuwait einnehmen konnte“, schrieb der Wirtschaftsredakteur des „Independent“, ist daher „einfach der, dass ihm das die Kontrolle über den Weltölmarkt überlassen hätte“. (20. Januar 1991)
Die Doppelmoral der Vereinigten Staaten
Präsident Bush behauptet, die Intervention gegen den Irak diene der Wahrung des Völkerrechts und der Bestrafung von Aggressionen und Verstößen gegen die UN-Charta. Diese Behauptung wird durch das Verhalten der Vereinigten Staaten in den letzten Jahren völlig widerlegt.
Es war George Bush, der im Dezember 1989 die Invasion in Panama anordnete. Obwohl sie unter dem Codenamen Operation Just Cause [Gerechte Sache] lief, war die bewaffnete Entführung Noriegas, eines Gangsters aus den eigenen Reihen, völkerrechtlich ebenso „illegal“ wie die Besetzung Kuwaits. Bush diente auch in Reagans Regierung, die acht Jahre lang wirtschaftliche Sabotage und verdeckte Militäroperationen durchführte, um die sandinistische Regierung Nicaraguas zu untergraben. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag entschied, dass die Verminung der Häfen Nicaraguas durch die USA gegen das Völkerrecht verstößt. Washington hat diese Entscheidung einfach ignoriert.
Die illegale Besetzung von Gebieten ist keine neue Entwicklung. Einige der Hauptschuldigen der letzten Zeit waren wichtige Verbündete der Vereinigten Staaten. Die Türkei, ein NATO-Mitglied, von dessen Stützpunkten aus US-Kampfflugzeuge jetzt gegen den Irak operieren, besetzte 1974 Nordzypern. Die US-Regierung hat die Frage von Sanktionen oder einer Blockade gegen die Türkei, die im Norden Zyperns einen Klientenstaat errichten durfte, nicht einmal erwähnt. Die Resolution 353 des UN-Sicherheitsrats, in der der „unverzügliche Rückzug“ der türkischen Streitkräfte gefordert wurde, blieb völlig wirkungslos.
1975 marschierte Indonesien in Osttimor ein und besetzte es, was 200.000 Menschenleben kostete. Die UN-Resolution 384 forderte Indonesien zum „unverzüglichen Rückzug“ auf. Auch dies blieb völlig wirkungslos.
1967 besetzte Israel durch eine Militäraktion, die noch immer im Mittelpunkt des arabisch-israelischen Konflikts liegt, den Gazastreifen (Teil Ägyptens), die Golanhöhen (Teil Syriens) und das Westjordanland (Teil Jordaniens), das Kernland des palästinensischen Volkes. Der UN-Sicherheitsrat verabschiedete einmütig die Resolution 242, in der „der Rückzug der israelischen Streitkräfte aus den im jüngsten Konflikt besetzten Gebieten“ gefordert wird.
Die Vereinigten Staaten haben die UN-Resolutionen unterstützt und viele eigene Erklärungen abgegeben, in denen sie Lippenbekenntnisse zur Notwendigkeit einer Lösung des Konflikts zwischen Israel, den arabischen Staaten und den Palästinenser*innen abgaben. Aber sie haben nie Sanktionen oder irgendeine andere Art von wirtschaftlichem oder militärischem Druck vorgeschlagen, um Israels Rückzug aus den besetzten Gebieten zu erreichen. Im Gegenteil, die Vereinigten Staaten haben dem Staat Israel unabhängig von der Politik des israelischen Regimes in immer größerem Umfang militärische und wirtschaftliche Hilfe gewährt. Im Jahr 1982 überfiel der israelische Staat den Libanon, einen anderen souveränen Staat, und tötete in den ersten zwei Wochen der Invasion 14.000 Libanes*innen und Syrer*innen. Aufeinander folgende Regierungen haben weitere jüdische Siedlungen in den besetzten Gebieten gefördert. In der Befürchtung, dass die Auswirkungen einiger dieser Aktionen auf die strategischen Interessen der USA im Allgemeinen zurückschlagen könnten, hat sich Washington von Zeit zu Zeit über die Politik der israelischen Regierung beschwert. „Rechtsgerichtete Israelis“, kommentierte der „Independent on Sunday“ (10. Juli 1990), „haben gelernt, dass die US-Beschwerden nie Sanktionen zur Folge haben würden, die die 3,2 Milliarden Dollar (1,9 Milliarden Pfund) an militärischer und wirtschaftlicher Hilfe, die Israel jedes Jahr erhält, untergraben.“ Als Entschädigung dafür, dass es sich aus dem Krieg heraushält, hat Israel Berichten zufolge ein zusätzliches Hilfspaket von 13 Milliarden Pfund aus Washington ausgehandelt.
Als der Irak im August 1990 in Kuwait einmarschierte, woraufhin der Sicherheitsrat in seiner Resolution 660 den „sofortigen und bedingungslosen Rückzug aller irakischen Streitkräfte“ forderte, entsandten die Vereinigten Staaten rasch die größte Streitmacht der Nachkriegsgeschichte, um den Irak aus Kuwait zu vertreiben. Die Bilanz der Vereinigten Staaten in Bezug auf die Invasion in souveränes Territorium und die Missachtung von UN-Resolutionen zeigt, dass das Handeln der USA nicht auf der Sorge um das „Völkerrecht“ beruhen kann. Ein ehemaliger Marineminister in der Reagan-Regierung drückt es ganz unverblümt aus: „Unsere Politik im Nahen Osten lässt sich zumindest in den letzten 20 Jahren am besten als Realpolitik charakterisieren – eine Manipulation von Regimen, von denen mehrere potenziell feindlich gesinnt sind, um die absolute Vorherrschaft eines Regimes zu verhindern … dies hat uns zu der Ironie geführt, dass wir jetzt versuchen, genau die Nation zu zerstören, die noch vor wenigen Monaten unser bevorzugtes Bollwerk gegen einen widerstrebenden Iran und ein aufstrebendes Syrien war.“ („Wall Street Journal“, 3. Februar 1991) Ihr wirkliches Kriegsmotiv ist die Verteidigung der wirtschaftlichen und strategischen Interessen des US- und Weltkapitalismus. In diesem Fall jedoch hat die beispiellose Einigkeit des UN-Sicherheitsrates es den USA ermöglicht, ihre Politik in internationale Legalität zu kleiden. Ermöglicht wurde dies durch die Bereitschaft der Gorbatschow-Führung in der Sowjetunion, den Interessen des US-Imperialismus entgegenzukommen.
Kaperung der Vereinten Nationen
Die Vereinten Nationen haben der herrschenden Klasse der USA einen unschätzbaren politischen Schutzschild geboten. Ohne sie wäre Bush im US-Kongress und bei den kapitalistischen Regierungen im Ausland auf viel mehr Widerstand gestoßen. Als die führenden britischen Labour-Vertreter*innen für den Krieg stimmten, behaupteten sie beispielsweise, sie würden nicht die Tory-Regierung unterstützen, sondern für die Intervention der Vereinten Nationen stimmen. In der Labour-Linken hatten einige, wie Tony Benn, ursprünglich eine Intervention der Vereinten Nationen gefordert, um den Rückzug des Irak aus Kuwait sicherzustellen. Als das Militär jedoch unter der Schirmherrschaft der UNO intervenierte, argumentierten sie, dass die UNO von den Vereinigten Staaten „gekapert“ worden sei.
Dies wirft für Sozialist*innen eine Reihe von Fragen auf. Können die Vereinten Nationen jemals wirksam internationale Konflikte auf der Grundlage der Zusammenarbeit zwischen Staaten, unabhängig von den streitenden Parteien und über die Interessen der Großmächte hinaus lösen? Können Sozialist*innen den Vereinten Nationen Vertrauen schenken oder gar ein Eingreifen der UNO fordern? Es stellt sich auch die Frage der Sanktionen, die die Labour-Linke als Alternative zur bewaffneten Intervention unterstützte.
Die großen Erklärungen der UN-Charta zugunsten der internationalen Zusammenarbeit und gegen den Krieg erscheinen an sich lobenswert. Nur wenige Menschen begrüßen die Idee des Krieges, am wenigsten die werktätigen Menschen, die immer die Hauptlast des Konflikts tragen. Die Wurzeln des Krieges liegen jedoch im Aufeinanderprallen von Eigeninteressen, die vor allem auf der Existenz des Nationalstaates und des Privateigentums beruhen. Fromme Erklärungen zugunsten des Friedens werden Kriege niemals verhindern.
Die Organisation der Vereinten Nationen ist nicht in der Lage, Kriege zu verhindern, weil sie sich auf Mitgliedsstaaten stützt, die ihre gegensätzlichen nationalen Interessen niemals aufgeben werden. In Wirklichkeit handelt es sich um Veruneinte Nationen, die während des größten Teils der Nachkriegszeit von den beiden Supermächten, der Kapitalist*innenklasse der Vereinigten Staaten und der herrschenden Bürokratie der Sowjetunion, beherrscht wurde. Wie der Völkerbund, ihr Vorgänger, bieten die Vereinten Nationen lediglich eine Tarnung für die nackten Klasseninteressen der kapitalistischen Mächte und der stalinistischen Bürokratien.
Einige kleine Streitigkeiten am Rande der Weltbeziehungen wurden durch die UNO beigelegt. Der Druck der Staaten der neokolonialen Welt, die heute in der UN-Generalversammlung stark vertreten sind, zwingt die eine oder andere der Mächte zu diplomatischen Zugeständnissen. Doch in entscheidenden Fragen, die die grundlegenden Interessen der Supermächte berühren, erweist sich die UNO stets als handlungsunfähig. Das zeigt sich schon am konstitutionellen Mechanismus der Vereinten Nationen selbst. Maßnahmen können nur auf der Grundlage einstimmiger UN-Resolutionen ergriffen werden, und jedes Mitglied des Sicherheitsrats, dem die Vereinigten Staaten und die UdSSR als ständige Mitglieder angehören, kann ein Veto einlegen.
Die UNO hat in der gesamten Nachkriegszeit deutlich versagt, wenn es darum ging, den Frieden zu bewahren. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat es 127 Kriege gegeben, die 21,8 Millionen Kriegstote forderten. Im Jahresdurchschnitt war die Zahl der Todesopfer im 20. Jahrhundert fünfmal höher als im 19. Jahrhundert und achtmal höher als im 18. Jahrhundert (aus dem Military and Social Expenditures Annual, 1989). Zusätzlich zu den vorzeitigen Todesfällen haben diese Kriege einen entsetzlichen Tribut an Verletzungen, Hunger und sozialem Zerfall gefordert.
In einigen Fällen wurden die Vereinten Nationen tatsächlich „gekapert“, um den Klasseninteressen des amerikanischen Imperialismus Deckung zu geben. Die Militärintervention in Korea (1950-53) war in Wirklichkeit eine Militärintervention der Vereinigten Staaten gegen eine revolutionäre Bewegung. Nordkorea, ein bürokratisches Regime, das auf verstaatlichten Eigentumsverhältnissen beruhte, wurde von China, das damals nicht Mitglied der UNO war, und der Sowjetunion unterstützt, die aus dem UN-Sicherheitsrat austrat und damit den Vereinigten Staaten ermöglichte, den Mantel der internationalen Organisation an sich zu reißen.
Als der dreizehnjährige Krieg in Vietnam begann, waren die Vereinten Nationen nicht in der Lage, einzugreifen, da die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion ihre Vetos nutzten, um die Vorschläge des jeweils anderen zu blockieren. Im Jahr 1960 entsandten die Vereinten Nationen eine Friedenstruppe in den ehemaligen belgischen Kongo, das heutige Zaire, um die Abspaltung der Provinz Katanga vom neuen unabhängigen Staat zu verhindern. Diese vermeintlich neutrale UN-Truppe agierte unverhohlen als Agentin des Imperialismus. Lumumba, der antiimperialistische Präsident des Kongo, wurde gestürzt und ermordet. Er wurde durch Mobutu ersetzt, einen Handlanger der Vereinigten Staaten und der westlichen Bergbaukonzerne, der eine rücksichtslos repressive und korrupte Diktatur errichtete, die bis zum heutigen Tag andauert.
In einigen Fragen, in denen die Politik der Supermächte übereinstimmt, können die Vereinten Nationen manchmal begrenzte Maßnahmen ergreifen oder zumindest einen Deckmantel für die Politik der Supermächte bieten. Ironischerweise gilt dies für den acht Jahre andauernden iranisch-irakischen Krieg. Im Juli 1987, sieben Jahre nach Beginn des Krieges, verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 598. Diese forderte die Beendigung des Krieges und versprach die Einsetzung einer Untersuchungskommission, die entscheiden sollte, welcher der Kriegsparteien der Aggressor war. Das irakische Regime, dem es nicht gelungen war, den zuvor von Saddam versprochenen schnellen Sieg zu erringen, akzeptierte die Resolution. Der Iran, der an den Bedingungen der Resolution herumkritisierte, weigerte sich zu diesem Zeitpunkt, sie anzunehmen.
Die Resolution war weit davon entfernt, ein neutraler, unparteiischer Versuch zu sein, den Krieg zu beenden, sondern diente als Deckmantel, unter dem die Westmächte und die sowjetische Bürokratie die Unterstützung des Irak gegen den Iran verstärken konnten. Sowohl die Vereinigten Staaten als auch die Kreml-Bürokratie fürchteten den Einfluss des islamisch-fundamentalistischen Regimes in Teheran, insbesondere durch die Entwicklung des Fundamentalismus in den arabischen Staaten. Sie verfolgten daher die Politik, die militärische und wirtschaftliche Unterstützung des Irak zu verstärken. Dies war die Periode des so genannten „Tankerkriegs“, in dem die US-amerikanische, britische und französische Marine den Irak in Wirklichkeit gegen den Iran unterstützten. Es war auch die Periode, in der Saddam chemische und biologische Waffen gegen seine Gegner*innen an der Front einsetzte. Als sich das Blatt gegen den Iran wendete, zögerte Saddam die Verhandlungen über die UN-Resolution 598 hinaus und wich vor der Wahrscheinlichkeit zurück, dass eine UN-Untersuchung ergeben würde, dass der Irak die Feindseligkeiten begonnen hatte. Saddam sah die UN-Resolution lediglich als nützliche Ergänzung seiner diplomatischen und militärischen Politik. Er folgte lediglich dem Beispiel der Supermächte.
Die führenden Labour-Vertreter*innen in Großbritannien argumentierten ebenso wie viele Vertreter*innen der Demokratischen Partei in den USA, dass die Sanktionen gegen den Irak über einen längeren Zeitraum hätten aufrechterhalten werden müssen, bevor zu den Waffen gegriffen wurde. Aber Sanktionen sind in Wirklichkeit eine Vorstufe zum Krieg. Eine Sanktionspolitik wäre nur wirksam gewesen, wenn sie durch eine Blockade rigoros durchgesetzt worden wäre, und eine Blockade wird nur funktionieren, wenn sie mit Waffengewalt aufrechterhalten wird. Obendrein würden rigorose Sanktionen unweigerlich das irakische Volk treffen. Saddam hatte bereits ein enormes Waffenarsenal angehäuft. Eine Sanktionspolitik hätte darauf abgezielt, die Wirtschaft zu strangulieren, einschließlich des Treibstoffs (was den Verkehr und die Heizung beeinträchtigen würde), der Lebensmittel und der Materialien und Ausrüstungen, die für die Aufrechterhaltung von Industrie und Dienstleistungen benötigt werden. Das irakische Volk würde die Sanktionen zweifellos als gegen sich gerichtet sehen. Es ist nicht dasselbe wie in Südafrika, wo die schwarzen Arbeiter*innen Sanktionen unterstützen, weil sie eine solche Politik als Schwächung des Apartheidregimes ansehen. Im Falle des Irak würden die Arbeiter*innen die Unterstützung von Sanktionen durch die Arbeiter*innenbewegung als Unterstützung des Imperialismus ansehen. Sozialist*innen können Sanktionen zur Schwächung des Irak im Interesse des Imperialismus ebenso wenig unterstützen wie eine bewaffnete Intervention im Interesse des Imperialismus.
Bush war, von Thatcher gedrängt, entschlossen, militärisch gegen den Irak vorzugehen, sobald die erforderlichen Kräfte und Nachschubmittel mobilisiert werden konnten. Er beschloss eine massive Aufstockung der US-Streitkräfte am Golf, noch bevor eine solche Aktion von den Vereinten Nationen genehmigt wurde (und bevor er die Zustimmung des Kongresses einholte). Es ist klar, dass, wenn die Vereinten Nationen ein entschlossenes militärisches Vorgehen der USA nicht gebilligt hätte, Bush die Truppen trotzdem entsandt hätte. Als die Frist am 15. Januar ablief, traf Bush die Entscheidung, eine Militäraktion einzuleiten, ohne den Generalsekretär der Vereinten Nationen, Perez de Cuellar, auch nur zu informieren. Dies enthüllte die völlige Verachtung des US-Führers für die UNO. Bis zur Golfkrise waren die Vereinigten Staaten mit ihren UN-Beiträgen stark im Rückstand, die als Zeichen der Vorbehalte der US-Regierung gegenüber zahlreichen UN-Resolutionen und -Verlautbarungen einbehalten wurden,. Als der US-Präsident die Zustimmung der UNO einholen wollte, um den nationalen und internationalen Widerstand gegen eine militärische Intervention zu minimieren, wurden die Rückstände in Höhe von 600 Millionen Dollar umgehend beglichen.
Ein freudscher Versprecher während einer Pressekonferenz zu Beginn der Feindseligkeiten offenbarte das Ausmaß, in dem die UNO „gekapert“ worden war. „Der Beitrag der USA zu den Kriegsanstrengungen der Alliierten ist so überwältigend“, berichtete die „Financial Times“ (17. Januar 1991), ‚dass man Konteradmiral William Fogherty… fast zwei Versprecher verzeihen könnte, als er von der ,Resolution des Sicherheitsrats der Vereinigten Staaten‚ und ,Artikel 51 der Charta der Vereinigten Staaten‘ sprach.“
Die politischen Vertreter*innen des US-Imperialismus werden unabhängig vom Ausgang des gegenwärtigen Krieges nicht die Absicht haben, die Frage einer Friedensregelung den Vereinten Nationen zu überlassen. Sie intervenieren, um die wirtschaftlichen und strategischen Interessen der amerikanischen herrschenden Klasse und des Weltkapitalismus zu verteidigen.
Die „Befreiung“ des Emirs von Kuwait
Der Staat, für dessen „Befreiung“ die USA jetzt kämpfen, ist keine Demokratie, sondern ein reaktionäres Scheichtum, das seit langem im festen Griff der al-Sabah-Familie ist. Berichte über irakische Plünderungen nach dem 3. August 1990, die Empörung über „Saddam Husseins Ausplünderung einer Nation“ hervorrufen sollten, enthüllten ungewollt den luxuriösen Lebensstil der herrschenden Elite. „,Ich ging zu meinem Haus“, berichtete ein anonymes Mitglied der königlichen Familie. ,Es war einmal von den Irakern geplündert worden, die auf der Suche nach Gold waren, und dann von jemand anderem, der den Fernseher und die elektronischen Geräte mitnahm, wie meine Diener sagten. Ich sah, wie jemand anderes meinen Cadillac fuhr’…“ („Independent on Sunday“, 16. September 1990) Die irakische Invasion brachte einige der reichsten Flüchtlinge hervor, die es je gab. Kuwaitis in London erhielten von der United Bank of Kuwait einen Notgroschen von bis zu 5.000 Pfund pro Tag, bis die kuwaitischen Guthaben im Ausland wieder freigegeben wurden. In der Zwischenzeit waren Zehntausende von Arbeitsmigrant*innen aus Pakistan, Bangladesch, Palästina, Ägypten usw. gezwungen, ohne ihr Hab und Gut durch die Wüste zu fliehen. Viele wurden von skrupellosen Geschäftemacher*innen und Beamt*innen um ihre spärlichen Ersparnisse gebracht. Tausende verbrachten Wochen in Flüchtlingslagern in Jordanien, unter schrecklichen Bedingungen.
Der luxuriöse Lebensstil der wohlhabenden Elite und die Schatzkammern der königlichen Familie spiegeln die Tatsache wider, dass Kuwait das Öl-Eldorado am Golf ist. Die Öleinnahmen in Höhe von 7,7 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr, die zu den Investitionen aus früheren Öleinnahmen hinzukamen, ergaben ein Nationaleinkommen, das mehr als 10.000 Dollar pro Kopf der zwei Millionen Einwohner*innen des Staates ausmacht. Aber es sind die rund 2.000 Mitglieder der königlichen Familie al-Sabah und ihre Gefolgsleute, die den Löwenanteil des Reichtums einstreichen. Die al-Sabahs waren treue Diener des britischen Imperialismus, als Kuwait zur Kolonie erklärt wurde. Das Gebiet wurde zusammen mit Bahrain, Katar und den Vertragsstaaten [Vertragsoman] von Großbritannien in Besitz gehalten, um sich den Zugang zum Öl der Region zu sichern und strategische Seehäfen für seine Macht „östlich von Suez“ zu erhalten. Nach der Unabhängigkeit im Jahr 1961 blieben die al-Sabahs treue Hüter*innen der britischen und amerikanischen Interessen.
Selbst der ausschweifende Lebensstil der wohlhabenden Herrscher*innen konnte die enorme Anhäufung von Ölreichtum nicht bremsen. Es wird geschätzt, dass das Emirat ein Auslandsvermögen von mehr als 100 Milliarden Dollar hat. Etwa 30 Milliarden Dollar davon werden vom Kuwait Investment Office (KIO, einer mächtigen und geheimnisvollen Einrichtung mit Sitz in London) verwaltet. Der größte Teil des KIO-Vermögens wird angeblich für den „Reservefonds für künftige Generationen“ verwaltet, aber in der Praxis haben der Emir und seine engen Vertrauten praktisch die totale Kontrolle. Wie einer ihrer Bankiers erklärte: „Die einzige Autorität, die in der City (von London) anerkannt wird, ist die des Emirs und seiner Familie.“ Im Januar 1991 traten zwölf KIO-Führungskräfte zurück, was den Unmut über die persönliche Einmischung der al-Sabahs widerspiegelte.
Der Emir, Scheich Dschabir al-Ahmad al-Sabah, hat nicht mehr Interesse an der Demokratie gezeigt als seine Vorgänger. Die Nationalversammlung, die ohnehin keine wirkliche Macht hatte, wurde während des iranisch-irakischen Krieges aufgelöst. Auch die Presse wurde mundtot gemacht, um Forderungen nach Reformen und die Aufdeckung von Finanzskandalen, in die die al-Sabahs verwickelt waren, zu unterdrücken. In der Vergangenheit konnten die al-Sabahs „alles monopolisieren“, indem sie die Mehrheit der kuwaitischen Bürger*innen, die seit den 1960er Jahren eine Minderheit der Bevölkerung des Staates bildeten, auskauften. Ein kleiner Teil des Ölreichtums ermöglichte Bildung, Gesundheitsfürsorge, komfortable Wohnungen und kostenlose Dienstleistungen. Viele Kuwaitis erhielten Pfründe in Regierungsämtern, deren einzige wirkliche Aufgabe darin bestand, ihre Gehaltsschecks abzuholen. Nur 60.000 Kuwaitis, deren Familie bereits vor 1921 in Kuwait ansässig war, hatten das Privileg, Eigentum zu besitzen und zu wählen.
Dieser vergoldete Feudalismus wurde durch den Import ausländischer Arbeitskräfte ermöglicht, die in der kuwaitischen Gesellschaft eine ausgebeutete, benachteiligte Arbeiter*innenklasse bildeten, die die gesamte manuelle Arbeit und einen Großteil der Büroarbeit verrichtete. Vor der irakischen Invasion waren nur 650.000 der Bevölkerung Kuwaitis. Der Rest waren Arbeitsmigrant*innen: 300.000 Palästinenser*innen, 150.000 Hausangestellte (etwa die Hälfte von ihnen aus Sri Lanka) und eine große Zahl von Arbeitsmigrant*innen vom indischen Subkontinent und aus Südostasien. Sie durften weder Eigentum besitzen noch wählen und waren von gewerkschaftlichen und anderen demokratischen Rechten völlig ausgeschlossen.
Im Januar 1990 gab es Demonstrationen, die die Wiedereinsetzung der Verfassung von 1962 und demokratische Reformen forderten. Die Protestierenden waren größtenteils selbst wohlhabende kuwaitische Bürger*innen, die über ihren Ausschluss von der Macht durch die Familie al-Sabah frustriert waren. Scheich Dschabir hatte die Versammlung 1986 suspendiert. Im Februar 1990 gab es Neuwahlen, die von der Opposition boykottiert wurden, gefolgt von der Ernennung von 25 neuen Mitgliedern durch den Emir. Die al-Sabahs bildeten ein Viertel des Kabinetts und besetzten alle wichtigen Regierungsposten.
„Die irakischen Forderungen bezüglich des Öls an der Grenze haben die Kuwaitis überrascht“, kommentiert Hamad al-Katib, ein früheres Mitglied des kuwaitischen Parlaments. Die Konfrontation um das Rumeila-Ölfeld und die Politik Kuwaits, seine OPEC-Exportquote weit zu überschreiten, „kam (für die meisten Kuwaitis) überraschend, weil wir eine Geheimniskrämer-Regierung haben und nichts veröffentlicht wurde.“
Andere Sprecher*innen der Opposition fragten, was mit den Milliarden geschehen sei, die für die Vorbereitung der kuwaitischen Armee auf eine Bedrohung durch den Irak ausgegeben wurden. „Die Kommandeure flohen“, sagte al-Katib. „Sie zerfiel innerhalb von drei Stunden.“
Wenige Minuten, bevor er floh, verbreitete der Kronprinz über das Radio einen emotionalen Appell: „Oh, Araber! Oh, Brüder! Oh, geliebte Brüder! Oh, ihr Muslime! Eure Brüder in Kuwait appellieren an euch. Eilt zu unserer Hilfe…“ Aber für die Völker der arabischen Länder war der Sturz der al-Sabahs, wie auch immer er zustande kam, ein Grund zur Freude. Sie symbolisieren die korrupte Macht der erblichen Herrscher*innen der Golfstaaten und insbesondere Saudi-Arabiens, der Bastion der Reaktion in der Region. Sie haben den Löwenanteil des Ölreichtums der Region an sich gerissen und gehortet, während die arabischen Massen weiterhin in Armut leben. Das 100-Milliarden-Dollar-Vermögen der herrschenden Klasse ist im Westen angelegt, so dass sie möglicherweise ein großes Interesse an der Gesundheit des Kapitalismus in den wirtschaftlich fortgeschrittenen Ländern hat. Die Herrscher*innen von Kuwait fürchten die Regime von Ländern wie dem Irak, die unweigerlich unter den Druck einer viel größeren, ärmeren Bevölkerung geraten. Die al-Sabahs, wie auch die saudische herrschende Klasse, „haben eine implizite Abmachung mit dem Westen getroffen: Sie werden ihre immense Macht über den Ölpreis in verantwortungsvoller Weise nutzen, um im Gegenzug den westlichen Schutz ihrer Unabhängigkeit zu erhalten.“ („Independent“, 21. Januar 1991) „Verantwortungsvoll“ bedeutet: im Interesse des westlichen Kapitalismus. Ihre „Unabhängigkeit“ bedeutet Schutz vor rivalisierenden Staaten und ihren eigenen Völkern. Deshalb werden sie in der gesamten Region als Verräter an der arabischen Sache gesehen.
„Verteidigung der Demokratie“: die saudische Monarchie
Saudi-Arabien ist ebenfalls eine Diktatur. Der Staat wird von König Fahad regiert, dem mutmaßlich reichsten Mann der Welt. Er regiert mit absoluten Entscheidungen, und die meisten seiner Minister gehören seiner Familie an. Es gibt keine Wahlen, und politische Parteien sind verboten. Wie der Emir von Kuwait, wenn auch in viel größerem Maßstab, ist die königliche al-Saud-Familie durch ihre Öleinnahmen unermesslich reich geworden. Alle 7.000 Prinzen sind Multimillionäre. Sie leben zu Hause in unglaublichem Luxus und besitzen Ländereien, Rennpferde, Unternehmen usw. in Europa und Nordamerika.
Wie die Al-Sabahs waren auch die Al-Sauds treue Diener des westlichen Imperialismus. Der saudische Staat entstand in den 1920er Jahren aus dem Bestreben Ibn Sauds, seinen Einfluss auf die verschiedenen Stämme der Halbinsel auszuweiten. Von Anfang an wurde er von den um das Konsortium Aramco gruppierten US-Ölgesellschaften unterstützt, deren Finanzkraft seinen Erfolg sicherte. Seitdem spielte Saudi-Arabien, das über ein Viertel der weltweit bekannten Erdölvorkommen verfügt und eine beherrschende Stellung in der Region einnimmt, eine Schlüsselrolle in den strategischen Plänen der Vereinigten Staaten.
Der Lebensstandard der meisten Saudis hat sich durch die Ölförderung zweifellos verbessert. Die nach 1975 begonnenen groß angelegten Industrialisierungsprojekte wurden jedoch größtenteils auf der Grundlage von 1,5 Millionen Gastarbeiter*innen durchgeführt, die in Saudi-Arabien keine Rechte haben und abgeschoben werden können, wenn sie versuchen, bessere Bedingungen zu fordern.
Der saudische Staat ist starr und archaisch, und er ist bösartig repressiv. Die al-Sauds gehören der engstirnigen, puritanischen wahhabitischen Sekte des Islams an und zwingen dem Volk strikt islamische Gesetze auf, insbesondere in Bezug auf die eingeschränkte Rolle, die Frauen in der Gesellschaft spielen dürfen. Amnesty International berichtet, dass in den letzten 12 Monaten 111 Hinrichtungen vollstreckt wurden, und vielen Tausenden wurden wegen kleinerer Vergehen die Hände abgehackt oder die Ohren abgeschnitten. Frauen können für Ehebruch zu Tode gesteinigt werden. Warum sollte ein junger Mann oder eine junge Frau aus den USA, Großbritannien oder sonst woher im Sand Arabiens sterben, um diese ölreichen Diktatoren zu verteidigen?
In den letzten Jahren haben die Saudis ihre Waffenarsenale aufgestockt, zum Teil wegen der wachsenden Spannungen am Golf, aber auch, um ihre Verteidigung gegen die Opposition im eigenen Land zu verstärken. Die Belagerung der Großen Moschee in Mekka im Jahr 1979 durch eine schiitische Gruppe, die den Ayatollah Khomeini unterstützt, erschütterte das Regime. Sie verschärften die Repressionen im eigenen Land, insbesondere gegenüber palästinensischen Aktivist*innen und der schiitischen Minderheit. Im Juli 1990 explodierten in Mekka während der Pilgerfahrt Bomben, und 29 kuwaitische Schiit*innen wurden verhaftet. Elf von ihnen wurden öffentlich hingerichtet, was bei der demokratischen Opposition in Kuwait Empörung auslöste.
Als der Irak im Vergleich zu Khomeinis Regime im Iran als „kleineres Übel“ erschien, finanzierte das saudische Regime den Krieg Saddams gegen seinen nördlichen Nachbarn (zusammen mit Kuwait belief sich der Beitrag acht Jahre lang auf schätzungsweise 15 Milliarden Dollar pro Jahr). Um den Iran weiter zu untergraben, versuchten die Saudis jedoch auch, die Ölpreise niedrig zu halten – eine Politik, die sie bald in Konflikt mit Saddam brachte.
In keiner Weise kann die Verteidigung Saudi-Arabiens durch die USA als eine Verteidigung der Demokratie angesehen werden.
Ausplünderung des Nahen Ostens für Öl
Was auch immer die hochtrabenden Begründungen sind, die von Bush, Major und Co. vorgebracht werden, haben die Truppen keinen Zweifel, dass es sich um einen „Krieg für Öl“ handelt.
Was auch immer das Niveau der derzeitigen Unterstützung für die Intervention ist, gibt es eine tiefe Feindseligkeit der US-Öffentlichkeit gegenüber den riesigen, profitgierigen Unternehmen, die die Ölindustrie beherrschen. Eine vom American Petroleum Institute in Auftrag gegebene Studie zeigte, dass „etwa 72 Prozent der Menschen Big Oil ablehnend gegenüberstehen, im Juli waren es noch 50 Prozent. Acht von zehn glauben, dass die Ölgesellschaften nach der irakischen Invasion in Kuwait am 2. August die Preise manipuliert haben.“ („Wall Street Journal“, 8. Januar 1991)
Niemand bezweifelt, dass die globalen Interessen der Ölmogule und die Forderung der Großkonzerne nach billigem Öl entscheidende Faktoren sind, die Bushs Politik bestimmen. In der Tat ist Bushs Entscheidung, Truppen an den Golf zu schicken, lediglich die Umsetzung der „Carter-Doktrin“, die Präsident Jimmy Carter 1980 nach der iranischen Geiselkrise aufgestellt hatte. Jeder Angriff auf die Ölversorgung des Westens im Nahen Osten, so verkündete Carter, „wird als Angriff auf die lebenswichtigen Interessen der Vereinigten Staaten betrachtet“ und „mit allen erforderlichen Mitteln, einschließlich militärischer Gewalt, abgewehrt werden.“ („New York Times“, 24. Januar 1980)
Carter erklärte die Ölversorgung zu einem „vitalen Interesse“ der Vereinigten Staaten. Caspar Weinberger, der US-Verteidigungsminister, sagte: „Die Nabelschnur der westlichen Welt verläuft durch die Straße von Hormus in den Arabischen Golf und die Nationen, die ihn umgeben.“ („New York Times“, 5. März 1981) Fünfundsechzig Prozent der Welt-Ölreserven befinden sich im Nahen Osten. Auf Kuwait, die Golfstaaten und Saudi-Arabien entfallen mehr als 50 Prozent der der OPEC bekannten Reserven. Diese Region ist die „Ölschlagader“ der kapitalistischen Welt.
Die Vereinigten Staaten importieren wieder mehr als die Hälfte ihres Ölbedarfs. Dies ist eine Umkehrung der Politik, die nach den Ölschocks von 1974 und 1979 verfolgt wurde, als die Ölpreise drastisch anstiegen. Die wirtschaftliche Rezession ließ die Nachfrage nach Öl sinken. Gleichzeitig stellte die Großindustrie durch die Einführung neuer Technologien auf energieeffizientere Verfahren und Produkte um. Außerdem wurden in Gebieten wie Alaska und der Nordsee im Fall Großbritanniens neue Ölreserven erschlossen. Nachdem der Ölpreis 1982 seinen Höchststand von 40 $ pro Barrel erreicht hatte, fiel er jedoch wieder, da die Weltproduktion die Nachfrage bei weitem überstieg. Der Preis erreichte 1986 kurzzeitig 8 $ pro Barrel, bevor er sich 1987 bei etwa 18 $ stabilisierte. Diese Schwemme an billigem Öl veranlasste die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder, sich wieder dem Nahen Osten zuzuwenden und die Erkundung und Erschließung von schwierigeren Gebieten wie Alaska und der Nordsee einzuschränken. Saddams Versuch, die OPEC zu zwingen, einen höheren Ölpreis festzusetzen (auf den wir später zurückkommen werden), bedrohte diese billige Versorgung.
Die massiven Ölreserven des Nahen Ostens haben die Region zu einem Gebiet von zentraler strategischer Bedeutung für den westlichen Kapitalismus gemacht, seit Öl zu einer wichtigen Energiequelle wurde. Als die britischen Kriegsschiffe begannen, von Kohle auf Öl umgestellt zu werden, erklärte Winston Churchill (1911), dass es für Großbritannien eine strategische Notwendigkeit sei, „Eigentümer oder zumindest Kontrolleur der Quelle von zumindest einem Teil des von uns benötigten Öls zu werden“. Dies war eine frühe Version der „Carter-Doktrin“.
Zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg versuchten der britische und der französische Imperialismus, ihren Zugriff auf die Region zu festigen, um die Ölversorgung des Westens zu sichern. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen die USA die Vormachtstellung in der Region. Billiges Öl war ein entscheidender Faktor für den Nachkriegs-Wirtschaftsaufschwung. Nach 1959 sank der reale Ölpreis (d. h. nach Berücksichtigung der Inflation) kontinuierlich. Der Marktwert eines Barrels Öl fiel zwischen 1950 und 1970 um über 60 Prozent, von real 4,25 Dollar auf 1,60 Dollar.
Die riesigen Ölkonzerne konnten ihre beherrschende Stellung international nutzen, um sicherzustellen, dass die ölproduzierenden Länder Öl zu niedrigen Preisen lieferten. Sie waren durchaus bereit, mit ihren riesigen Profiten dafür zu zahlen, dass die Ölscheichs und die Diktatoren ihren gewohnten üppigen Lebensstil beibehalten konnten, ohne sich um die Interessen der Massen zu kümmern. Die in der OPEC (Organisation erdölexportierender Länder) zusammengeschlossenen erdölproduzierenden Staaten waren zumindest bis 1973 zu uneinig, um der Macht der von den Westmächten unterstützten Ölgiganten etwas entgegenzusetzen. Der arabisch-israelische Krieg von 1973 führte jedoch zum Ölembargo – und zu einem dreifachen Anstieg der Erdölpreise.
Öl ist der größte internationale Wirtschaftszweig der Welt. Für den Großteil der Nachkriegszeit wurde sie von einer Handvoll gigantischer transnationaler Firmen, den so genannten „Seven Sisters“, beherrscht. Diese waren Exxon, British Petroleum (BP), Royal-Dutch Shell, Gulf, Mobil, Standard Oil of California (SoCal) und Texaco. Bis 1969 kontrollierten die Seven Sisters 76 Prozent des internationalen Ölmarktes. In den 1970er Jahren gelang es einer Reihe so genannter „Unabhängiger“ wie Getty Oil und Occidental (von Armand Hammer), in den oligopolistischen Markt einzudringen und selbst schnell zu riesigen multinationalen Unternehmen zu werden. Die Ölgiganten beherrschen den Verbrauchermarkt in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern und kontrollieren den Großteil der Einzelhandelsgeschäfte. In Großbritannien kontrollieren sie über zwei Drittel des Marktes. Auf der anderen Seite haben die Ölgiganten mit Umsätzen, die größer sind als die vieler kleiner Staaten, eine enorme Macht über die Ölproduzenten.
In Wirklichkeit bilden die Ölproduzenten das größte Kartell der Welt. Die Idee, dass es einen Marktpreis für Öl gibt, der durch den Rotterdamer Markt bestimmt wird, ist eine Fiktion. Der Rotterdamer Markt ist überhaupt kein wirklicher Markt. Der „Spotpreis“, der als aktueller Preis bekannt gegeben wird, ist lediglich der „übliche Preis“ für Geschäfte, die zwischen Käufer*innen und Verkäufer*innen in vertraulichen Absprachen getroffen werden. Die meisten Käufer*innen und Verkäufer*innen sind in Wirklichkeit die großen Ölkonzerne und ihre Tochtergesellschaften.
Die Ölgiganten haben immer enorme Profite gemacht. Sie können nicht verlieren. Wenn es eine „Krise“ gibt und der Ölpreis in die Höhe schießt, steigen auch ihre Profite enorm an. „Die Profite der Ölkonzerne stiegen in den Jahren 1956-72 im Durchschnitt um 2,6 Prozent, und im Zeitraum 1973-80 stiegen sie auf 20,8 Prozent. In laufenden Dollar ausgedrückt, stiegen die Profite von 6,8 Milliarden Dollar im Jahr 1972 auf 15,9 Milliarden Dollar im Jahr 1974. Die Profite der amerikanischen Ölgesellschaften gingen drei Jahre lang zurück (als der reale Ölpreis fiel), stiegen dann 1978 auf 16 Milliarden Dollar und verdoppelten sich 1980 auf 32,8 Milliarden Dollar.“ (Data Resources Inc, 1981)
Das Gleiche geschah in der gegenwärtigen Krise. Der Vorstandsvorsitzende von BP, Robert Horton, verkündete freudig, dass jeder Dollar, um den der Preis für ein Barrel Rohöl steigt, den Profit des Unternehmens nach Steuern um über 200 Millionen Dollar erhöht. Im Falle von Exxon (Esso) erhöht ein Anstieg um 1 Dollar den Profit nach Steuern um 272 Millionen Dollar.
Seit Beginn der Golfkrise im vergangenen August sind die Benzinpreise in die Höhe geschossen. Ein Ölanalyst, Peter Burton, erklärte jedoch gegenüber dem „Petroleum Economist“: „In Bezug auf das absolute Angebot hätte die weltweite Schwemme der Ölvorräte für ausreichende alternative Quellen sorgen müssen, aber es herrschte Panik und die Vorräte wurden zu überhöhten Preisen gekauft.“ Der „Petroleum Economist“ kommentierte selbst, dass „die Einzelhandelspreise für Benzin angehoben wurden, noch bevor das hochpreisige Rohöl aus dem Boden kam, geschweige denn in die Nähe einer Raffinerie gelangte.“
Sowohl die US-amerikanische als auch die britische Regierung haben nur langsam Vorräte aus ihren Ölreserven freigegeben, obwohl die USA im Januar damit begonnen haben. Obwohl ein Krieg zu einer Verlagerung der Ölversorgung und einem Anstieg der Ölpreise führt, gibt es bisher keine Ölknappheit. Vor der Invasion Kuwaits lieferten Irak und Kuwait zusammen etwa acht Prozent der Weltproduktion, d.h. etwa 4,3 Millionen Barrel Öl pro Tag. Dieser Anteil wurde bereits von Saudi-Arabien, Iran, Venezuela, Nigeria und Libyen wettgemacht.
Schon vor Beginn der Feindseligkeiten kündigten die Ölgesellschaften massive Profitsteigerungen an. Im Dezember 1990 förderte die OPEC 23,6 Millionen Barrel Rohöl pro Tag. Seitdem hat sich die Weltwirtschaft verlangsamt, was zu einem Rückgang der Energienachfrage geführt hat. Im Laufe des letzten Jahres produzierte die OPEC jedoch weniger und förderte nur noch 23,1 Mio. Barrel pro Tag. Im Januar 1991 wurde berichtet, dass erwartet werde, dass die Profite im vierten Quartal 1990 weltweit „hoch“ sein würden. „Die US-Investmentbank Solomon Brothers sagte voraus, dass die Nettogewinne von Shell, Exxon, BP, Chevron, Mobil und Texaco im vierten Quartal insgesamt 5,79 Milliarden Dollar betragen werden, was einem Anstieg von 58 Prozent gegenüber 3,66 Milliarden Dollar im vierten Quartal 1989 entspricht.“
Nach Schätzungen der First Boston Corporation „werden die elf größten Erdölgesellschaften im Quartal (letztes Quartal 1990) Profite in Höhe von 7,4 Milliarden Dollar erzielen, was einer Steigerung von 154 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht“. Darüber hinaus „könnten die Ergebnisse einiger Unternehmen um 200 bis 400 Prozent hochspringen“. („Wall Street Journal“, 8. Januar 1991) Was die Profite betrifft, so können die großen Ölgesellschaften kaum verlieren.
Die Ölgiganten haben schon immer Hand in Hand mit den westlichen Mächten gearbeitet, insbesondere mit der dominierenden US-Supermacht. Sie sind darauf angewiesen, dass die Supermächte einen stabilen Rahmen schaffen, der für das Funktionieren ihres Kartells unerlässlich ist. Andererseits hat der US-Imperialismus die strategische Bedeutung der Ölversorgung nie aus den Augen verloren. In den USA finanzieren die Ölkonzerne mit geheimen Schmiergeldern Kandidat*innen, von denen sie glauben, dass sie für ihre Interessen eintreten würden, wie Richard Nixon in der Periode vor Watergate. Im Ausland zögern sie nicht, Monarch*innen, Militärdiktatoren, Machtmakler*innen und Mittelsleute zu bestechen, um ihre Ziele zu erreichen.
Der Krieg zwischen Israel und Ägypten im Jahr 1973 – der so genannte Sieben-Tage-Krieg [Jom-Kippur-Krieg/Ramadan-Krieg] – führte zu einer noch nie dagewesenen Einigkeit unter den OPEC-Produzenten. Sie verhängten ein Ölembargo gegen alle Staaten, die Israel in diesem Krieg unterstützten, und setzten die daraus resultierende Ölknappheit als Hebel ein, um den Preis um das Dreifache in die Höhe zu treiben. Der Preis für Rohöl aus dem Persischen Golf stieg von nur 1,80 Dollar im Jahr 1971 auf 11,65 Dollar pro Barrel.
In Wirklichkeit hat dieser Anstieg des aktuellen Preises nur den langfristigen Rückgang des realen Ölpreises zunichte gemacht. Dennoch war das genug, um eine weltweite Rezession auszulösen. Der Ölpreisanstieg war nicht die eigentliche Ursache. Der Abschwung kam durch die weltweite Beschleunigung der Inflation, den Rückgang der Profite der Großunternehmen und den Beinahe-Zusammenbruch des Weltgeldsystems. Eine Ursache war zweifellos die inflationäre Finanzierung des Vietnamkriegs durch die US-Regierung.
Ironischerweise war einer der Staaten, die den Preisanstieg am energischsten forderten, der Iran, obwohl der von den USA bewaffnete und finanzierte Schah von Washington als ihr „Polizist“ im Nahen Osten angesehen wurde. Außerdem war es der Sturz des Schahs, der 1979 von einer revolutionären Welle hinweggefegt wurde, der zu einem zweiten „Ölschock“ führte. Die Preise schnellten auf weit über 30 Dollar pro Barrel in die Höhe. Da die Voraussetzungen für eine Rezession bereits gegeben waren, löste der Ölpreisanstieg erneut eine Umkehrung des nach 1974 ins Stocken geratenen weltweiten Erholung aus.
Der Ölpreisanstieg löste die Rezessionen von 1973-74 und 1979-80 lediglich aus. Die führenden Politiker*innen des US-Kapitalismus machten jedoch das arabische Ölembargo für ihre wirtschaftlichen Probleme verantwortlich. James Schlesinger, Präsident Fords Verteidigungsminister, erklärte gegenüber „US News and World Report“, dass „wir der Verhängung eines (weiteren Öl-)Embargos vielleicht nicht ganz untätig gegenüberstehen. Ich werde keine voraussichtliche Reaktion andeuten, sondern nur darauf hinweisen, dass es wirtschaftliche, politische und denkbare militärische Maßnahmen als Antwort gibt.“ (26. Mai 1975) Im März 1975 drückte es ein unter einem Pseudonym schreibender Washingtoner Verteidigungsanalyst noch unverblümter aus: „Die einzige machbare Gegenmacht zur Kontrolle des Öls durch die OPEC ist die Macht selbst – militärische Macht.“ (Miles Ignotus, „Seizing Arab Oil“ [Arabisches Öl in Besitz nehmen], „Harpers“, März 1975) Im Falle eines neuen Ölembargos, so sagte er, „muss Gewalt selektiv eingesetzt werden, um große und konzentrierte Ölreserven zu besetzen, die schnell gefördert werden können, um die künstliche Knappheit des Öls zu beenden und so den Preis zu senken“.
Dies war eine unverhohlene Behauptung, dass die USA bereit sein sollten, zur Verteidigung von billigem Öl in den Krieg zu ziehen. Mit prophetischer Weitsicht sagte der Präsident der OPEC, Manah Said al-Oteiba, voraus: „Wenn es einen weiteren Weltkrieg gibt, wird es um Erdöl gehen.“ („New York Times“, 26. Februar 1979)
Kapitel 2. Imperialismus, Neokolonialismus und Krieg
Die Rolle des US-Imperialismus
Seit dem Zweiten Weltkrieg sind die USA der bei weitem mächtigste kapitalistische Staat und haben den Status einer Supermacht erreicht. Vorrangiges Ziel ihrer Außenpolitik war es, ihre Hegemonie über die kapitalistische Welt, einschließlich der unterentwickelten Länder der neokolonialen Welt, aufrechtzuerhalten und, bis zum Ableben des Stalinismus in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion, den wirtschaftlichen Einfluss und die strategische Macht ihrer rivalisierenden Supermacht, der UdSSR, einer von einer bürokratischen Elite beherrschten Planwirtschaft, einzudämmen. In jeder Phase haben sie gehandelt, um ihre globale Position zu schützen: ihre wirtschaftliche Dominanz, ihre strategische Macht und ihr Prestige.
Dazu bauten die USA die größte Militärmaschinerie der Geschichte auf. Seit 1945 haben sie beständig mehr für ihre Atomwaffen und Streitkräfte ausgegeben, sowohl in absoluten Zahlen als auch in Prozent des Sozialprodukts, als jedes andere fortgeschrittene kapitalistische Land. Im Jahr 1960, sieben Jahre nach dem Ende des Koreakrieges und vier Jahre vor dem aktiven Engagement in Vietnam, überstieg der US-Verteidigungshaushalt 50 Prozent der Bundesausgaben und machte fast 10 Prozent des BSP aus.
Das Gleichgewicht zwischen den Großmächten führte zu einer Patt-Situation. Atomwaffen bedeuteten, dass ein Weltkrieg zur totalen Zerstörung des Planeten führen würde. Die Rivalität zwischen den Supermächten, die zwei antagonistische Gesellschaftssysteme repräsentieren, nämlich den Kapitalismus auf der einen und die (durch bürokratische Diktatur verzerrte) Planwirtschaft auf der anderen Seite, wurde jedoch durch Interventionen in Konflikten in der Dritten Welt ausgetragen. Bis in die jüngste Zeit, als die Krise der Bürokratie eine interne Krise in den stalinistischen Staaten auslöste, intervenierte die Sowjetunion häufig, um Regime zu unterstützen, die mit den kapitalistischen Mächten kollidierten. Die Vereinigten Staaten ihrerseits fuhren fort, ihre Rolle als kapitalistischer Weltpolizist zu spielten und bemühten sich, eine stabile Weltordnung für den westlichen Kapitalismus aufrechtzuerhalten. Dies geschah durch die Unterstützung neokolonialer Regime, meist Militär-und Polizeidiktaturen, die bereit waren, als lokale Gendarmerie zu handeln, und, wenn erforderlich, durch direkte militärische Interventionen gegen revolutionäre Bewegungen.
„Imperialismus“ ist kein denunziatorischer Slogan: Er fasst die Rolle des US-Kapitalismus treffend zusammen. Es war im Übrigen kein Zufall, dass den USA im Golfkrieg im vergangenen Jahr von den ehemaligen Kolonialmächten Großbritannien, Frankreich und Italien, zweitrangigen Staaten, die sich in der Nachkriegszeit an die Fersen der USA geheftet haben, tatkräftig militärisch Unterstützung gegeben wurde.
Es war ein Zeichen für die Degeneration der Bürokratie in der Sowjetunion, wie weit sie von den Ideen des echten Marxismus entfernt war, dass sie dem Imperialismus freie Hand ließ, um einen Kolonialkrieg am Golf zu führen. Marxist*innen haben immer den Kampf der Kolonialvölker für nationale Unabhängigkeit und soziale Befreiung unterstützt. Jeder gegen den Imperialismus geführte Schlag stärkt die internationale Arbeiter*innenklasse. Eine Intervention der kapitalistischen Mächte, die ihren Zugriff auf die ausgebeuteten Völker der neokolonialen Welt verschärft, ist grundlegend gegen die Interessen der Arbeiter*innenklasse der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder. Es gibt ein gemeinsames Interesse zwischen dem Proletariat der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder und den ausgebeuteten Arbeiter*innen und Bäuer*innen in den neokolonialen kapitalistischen Ländern.
Der „neue Imperialismus“
Der „neue Imperialismus“ der Nachkriegszeit ist in Wirklichkeit eine Fortsetzung des alten Imperialismus unter den gegenwärtigen Bedingungen. Im 19. Jahrhundert stützte sich der Imperialismus vor allem auf die Kolonialreiche Großbritanniens, Frankreichs, Belgiens, Portugals usw. Die Vereinigten Staaten besaßen zwar keine direkten Kolonien wie Großbritannien und Frankreich, übten aber dennoch einen beherrschenden Einfluss auf verschiedene Länder aus, insbesondere in Lateinamerika. Sie zögerten nie, ihr wirtschaftliches Gewicht und ihre militärische Macht einzusetzen, um ihren Einflussbereich aufrechtzuerhalten und die Rohstoffe, Mineralien und Produktionsmittel dieser Länder zu plündern. Obwohl die USA sich rühmten, „antikolonial“ zu sein, da sie sich von der britischen Herrschaft losgesagt hatten, war der US-Kapitalismus dennoch von Anfang an imperialistisch.
So annektierte der Kongress 1845 390.000 Quadratmeilen mexikanisches Territorium (das entspricht der Fläche der ursprünglichen 13 amerikanischen Kolonien). Es überrascht nicht, dass Mexiko den USA den Krieg erklärte, und es folgte der mexikanische Krieg von 1846-48. In seiner Botschaft an den Kongress im Mai 1846 erklärte Präsident Polk, der Grund für den mexikanischen Krieg sei, dass die mexikanischen Streitkräfte „in unser Gebiet eingedrungen seien und amerikanisches Blut auf amerikanischem Boden vergossen hätten“. In den 1890er Jahren, als die Expansion des amerikanischen Imperialismus weiterging, fielen die USA auf Kuba und auf den Philippinen ein, annektierten Hawaii und andere Inseln (Puerto Rico usw.) und starteten eine militärische und kommerzielle Invasion in China, um das Land zu plündern. Auch wenn sie nicht wie Großbritannien und Frankreich über formale Kolonialgebiete verfügten, übten die USA dennoch eine faktische Kontrolle über diese eroberten Gebiete aus.
In der Nachkriegszeit waren die alten Kolonialmächte gezwungen, sich zurückzuziehen. Das Erwachen der Kolonialvölker, die unabhängige Nationalstaaten und eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Bedingungen forderten, führte zu revolutionären Kämpfen, die die Kolonialmächte zwangen, sich von ihrer direkten Herrschaft zurückzuziehen. Dies war ein großer Schritt nach vorn. Der Kolonialismus wurde jedoch durch den wirtschaftlichen Neokolonialismus ersetzt. Die direkte Kontrolle durch die Westmächte, jede durch ihre eigene Kolonialverwaltung, wurde durch die kollektive Ausbeutung der neokolonialen Welt durch die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder ersetzt. Dies wurde durch die militärische Macht der westlichen Mächte, insbesondere die des US-Imperialismus, verstärkt.
Die Macht der multinationalen Konzerne
Die Vereinigten Staaten gingen aus dem Zweiten Weltkrieg als die bei weitem stärkste Wirtschaftsmacht hervor. Eines der vorrangigen Ziele der US-Außenpolitik war die Schaffung eines für die US-Konzerne günstigen weltweiten Umfelds. 1945 erklärte der US-Finanzminister Morgenthau, dass die USA ein Weltsystem benötigten, „in dem der internationale Handel und die internationalen Investitionen von Geschäftsleuten nach geschäftlichen Grundsätzen betrieben werden können“. Damit waren in erster Linie US-Geschäftsleute nach US-Geschäftsprinzipien gemeint. Die neue Weltwirtschaftsordnung – die Weltbank, der IWF, das GATT, die OECD usw. – wurde von den USA dominiert. Der Dollar wurde zur Basiswährung des Welthandels.
Internationale Investitionen und Handel wurden von den gigantischen US-Unternehmen, den multinationalen Konzernen, beherrscht, die ein Netz der Ausbeutung über den ganzen Globus spannten. Im Jahr 1980 erwirtschafteten die 200 größten multinationalen Konzerne etwa 29 Prozent des gesamten Inlandsprodukts der kapitalistischen Welt. Etwa 90 dieser Unternehmen hatten ihren Sitz in den Vereinigten Staaten (und jeweils etwa 20 in Westdeutschland, dem Vereinigten Königreich und Japan; und 15 in Frankreich). Auf dem Höhepunkt des wirtschaftlichen Aufschwungs der Nachkriegszeit machten die multinationalen US-Konzerne und ihre Tochtergesellschaften zwischen 20 und 25 Prozent aller Welt-Exporte aus. Sie beherrschten vor allem den Weltmarkt für Rohstoffe, Mineralien und natürlich Öl – alles lebenswichtige Zutaten für die amerikanische Wirtschaft. Durch die Ausbeutung billiger Arbeitskräfte und Handelsbedingungen, die die unterentwickelten Länder unter Wert verkauften, schöpften die US-Konzerne Superprofite aus den unterentwickelten Ländern.
Der internationale Waffenhandel wird auch von multinationalen US-Konzernen dominiert. Fast die Hälfte (48) der 100 größten Waffenhersteller der Welt haben ihren Sitz in den USA. Sie sind auch die größten Unternehmen, und auf sie entfallen zwei Drittel der Waffenverkäufe der Top 100.
Auch das weltweite Finanzsystem wird von den großen US-Banken beherrscht. Ein Großteil der Öleinnahmen, die die Ölproduzenten nach dem Preisanstieg von 1974 angehäuft hatten, wurde bei privaten US-Banken deponiert, die sie an neokoloniale Länder „recycelten“ – in einigen Fällen, um Waffenkäufe zu finanzieren, in anderen, um ihre Wirtschaft über Wasser zu halten. Dies führte zu der enormen Schuldenlast, die nun auf den armen und halb entwickelten Ländern lastet. Die Schuldenlast hilft diesen Ländern keineswegs, sondern wirkt wie ein Siphon, der ihnen zusätzlichen Wohlstand entzieht. Aufgrund der angehäuften Schulden zahlen die neokolonialen Länder insgesamt mehr als 50 Milliarden Dollar pro Jahr an die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder zurück, mehr als sie erhalten. Die armen Länder, oder vielmehr die Armen in diesen Ländern, werden vom kapitalistischen Westen ausgeblutet.
Militärische Intervention der USA
Die Vereinigten Staaten waren schon immer bereit, ihre wirtschaftlichen Interessen mit militärischer Macht zu verteidigen. Diejenigen, die sie im Namen der „Demokratie“ verteidigt haben, waren in den meisten Fällen Diktatoren, die bösartig unterdrückerisch und korrupt waren und ohne die Unterstützung der USA keine fünf Minuten überlebt hätten. Diejenigen, die im Namen der „Demokratie“ niedergewalzt wurden, waren ausnahmslos Bewegungen oder Regierungen, die den Kampf der Arbeiter*innen und Bäuer*innen gegen die Ausbeutung durch Großgrundbesitzer*innen und Kapitalist*innen und gegen die Ausplünderung ihrer Länder durch ausländische Unternehmen widerspiegelten. Kurz gesagt, der US-Imperialismus hat auf der Weltbühne immer eine konterrevolutionäre Rolle gespielt und war bereit, seine militärische Macht einzusetzen, um gegen jede Manifestation einer sozialen Revolution einzuschreiten.
Im 19. und frühen 20. Jahrhundert handelten die Vereinigten Staaten in Lateinamerika und der Karibik vor allem als selbsternannter Polizist. „Bananenrepublik“ wurde zur politischen Kurzformel für die Art von korrupten und rücksichtslosen Diktaturen, die von den USA zum Schutz von Riesenunternehmen wie United Fruit unterstützt wurden. Somoza, der Nicaragua mit eiserner Faust regierte, bis er 1979 von der sandinistischen Bewegung gestürzt wurde, war ein berüchtigtes Beispiel. Für die Vertreter*innen des US-Imperialismus ist ihre Polizei-Rolle praktisch ein selbstverständliches Recht. Als 1927 US-Marines nach Nicaragua entsandt wurden, erklärte Präsident Coolidge lapidar: „Wir führen keinen Krieg gegen Nicaragua, genauso wenig wie ein Polizist auf der Straße einen Krieg gegen Passanten führt.“ Als die Vereinigten Staaten aus dem Zweiten Weltkrieg als eine der beiden nuklearen Supermächte hervorgingen, machten Präsidenten wie Truman, Eisenhower, Nixon und Reagan alle ihr Recht geltend, als Weltpolizisten zu agieren.
Die Macht der USA beruhte auf ihrem massiven Atomwaffenarsenal, ihren gewaltigen konventionellen Streitkräften und ihrer Fähigkeit, ihre Streitkräfte in der ganzen Welt einzusetzen. Auf die USA entfallen derzeit etwa 27 Prozent der Weltproduktion, während sie für 33 Prozent der weltweiten Rüstungsausgaben verantwortlich sind.
Den Nuklearstreitkräfte der USA kamen in der Nachkriegszeit die der sowjetischen Bürokratie gleich. Das vorherrschende Gleichgewicht der Kräfte und die totale Zerstörung, die ein Atomkrieg mit sich bringen würde, schlossen einen dritten Weltkrieg zwischen den Supermächten aus. Dies verhinderte jedoch lokale und regionale Kriege nicht. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat es 127 Kriege gegeben. Sowohl der US-Imperialismus als auch die sowjetische Bürokratie haben sich direkt oder indirekt in die meisten dieser Konflikte interveniert. Der Kampf um die Aufrechterhaltung strategischer Einflusssphären wurde durch neokoloniale Stellvertreter*innen ausgetragen, bei denen es sich zumeist um Militärdiktaturen handelte. Der rote Faden der US-Politik war klar: Unterstützung pro-imperialistischer Regime, militärische Intervention gegen jedes Regime, das unter dem Druck der Massen versucht, aus dem Rahmen der kapitalistischen Vorherrschaft auszubrechen, und Unterstützung konterrevolutionärer Aufstände gegen jede Regierung, die progressive Maßnahmen gegen den Imperialismus ergreift.
Der blutige Katalog der US-Interventionen der letzten 45 Jahre ist zu lang, um ihn vollständig aufzuzählen. Aber das Muster ist klar. Im Jahr 1961 befahl der „liberale“ Präsident John Kennedy die Invasion in der Schweinebucht in Kuba, um Fidel Castro zu stürzen. Nach einer Phase der wirtschaftlichen und politischen Destabilisierung Chiles unterstützten die CIA und das Pentagon 1973 den blutigen Militärputsch General Pinochets gegen die gewählte sozialistische Regierung Salvador Allendes. Zusammen mit dem britischen und französischen Imperialismus, der eine untergeordnete, aber ebenso gewalttätige Rolle spielten, intervenierten die Vereinigten Staaten auch, um den sozialen Wandel in Afrika, Asien und im Nahen Osten zu unterdrücken.
Der Vietnamkrieg
Die längste und blutigste US-Intervention war in Vietnam. Die USA versuchten, eine Reihe bösartiger, korrupter Militärdiktatoren (Thieu, Diem, Ky usw.) in Südvietnam als kapitalistischen Schutzwall gegen das „kommunistische“ Nordvietnam zu stützen, einen stalinistischen Staat mit einer Planwirtschaft, der von einem bürokratischen Regime beherrscht wurde. Sie mussten es auch gegen eine revolutionäre Massenbewegung im Süden verteidigen, die für den Sturz der Großgrundbesitzer*innen und Kapitalist*innen sowie für die Vertreibung des Imperialismus und seiner Marionetten kämpfte. Die vietnamesische Bäuer*innenschaft hatte einen nationalen Befreiungskrieg, der mit dem Streben nach sozialem Wandel auf dem Lande verbunden war, gegen die Französ*innen, die Brit*innen und dann die USA geführt.
Zwischen 1963 und 1968 bauten die USA ihre Streitkräfte von einigen tausend Militär-„Berater*innen“ auf über 250.000 auf. Anfangs glaubten die militärischen Befehlshaber, dass sie mit ihren hoch entwickelten Waffen die zerlumpten Guerilla-Armeen, die ihnen im vietnamesischen Dschungel gegenüberstanden, schnell besiegen würden. Als der militärische Erfolg ihnen versagt blieb, griffen die USA zu den barbarischsten Methoden: Entlaubung des Dschungels durch Gift (die ein Erbe von Krankheiten und Geburtsfehlern hinterlassen hat), Konzentrationslager, Folter von mutmaßlichen Anhänger*innen der Nationalen Befreiungsfront (NLF) und das Massaker an ganzen Dörfern wie dem berüchtigten Mai Lai. Trotz all der Ressourcen, die sie einsetzten, konnten die USA die gegen sie kämpfenden Guerillakräfte nicht besiegen. Das war so trotz der Begrenztheit der Führung der vietnamesischen Revolution.
Das Regime in Nordvietnam war ein bürokratisches Regime nach dem Modell der stalinistischen Bürokratie der UdSSR, die Nordvietnam während des Krieges unterstützte. Die Führung der NLF im Süden war an die Führung im Norden angebunden und führte den Krieg auf einer engen, nationalistischen Grundlage, ohne einen sozialistischen, internationalistischen Appell an die Mannschaften der US-Streitkräfte oder an die Arbeiter*innenklasse der Vereinigten Staaten zu richten. Dennoch führten die wachsende Ablehnung der Kriegsziele des US-Imperialismus und die Abscheu vor den barbarischen Taktiken, die vor Ort angewandt wurden, zu einer Massenunzufriedenheit unter den US-Streitkräften. Nach 1968 wuchs die Antikriegsbewegung in den Vereinigten Staaten selbst zu einer Massenopposition gegen den Krieg an. Der Protest breitete sich von den Student*innen und Jugendlichen auf immer breitere Schichten aus, insbesondere auf die Arbeiter*innenklasse, die den größten Teil der Wehrpflichtigen ausmachte. Die Rebellion in den schwarzen Ghettos der Großstädte wurde durch die Tatsache angeheizt, dass Schwarze zwar 11 Prozent der Bevölkerung ausmachten, aber mehr als 23 Prozent aller Todesopfer im Kampf stellten.
Der US-Imperialismus steckte trotz seiner wirtschaftlichen und militärischen Macht im Sumpf eines nicht zu gewinnenden Krieges fest. 1973 sah sich Präsident Nixon schließlich gezwungen, den Rückzug der USA aus Vietnam anzuordnen, und der Imperialismus konnte nicht verhindern, dass die Vereinigung von Nord- und Südvietnam 1975 vollzogen wurde. Im Laufe des dreizehnjährigen Krieges wurden über eine Million Menschen im Süden und eine weitere Million im Norden getötet. Die Nachbarstaaten Laos und Kambodscha wurden auch verwüstet, was ein Erbe von politischen Umwälzungen und blutigen Konflikten (die im Falle Kambodschas bis heute andauern) hinterließ. Die USA ihrerseits hatten 57.000 Tote und über 150.000 Verwundete zu beklagen, was bei vielen zu schweren Behinderungen und Invalidität führte. Die Rückkehr der Leichensäcke hinterließ einen unauslöschlichen Eindruck im Bewusstsein des Volkes der USA.
Die Niederlage in Vietnam war ein Erschütternder Schlag für den US-Imperialismus. „Watergate“, der Skandal, der Nixon zum Rücktritt zwang, enthüllte ein Netz von Korruption und zynischer Machtmanipulation, das die amerikanische Gesellschaft in ihren Grundfesten erschütterte. Hätte es eine unabhängige Partei der Arbeiter*innenklasse gegeben, die sich von den Ideen des Sozialismus leiten ließ, hätte die Situation umgestaltet und die Tür für einen Kampf für grundlegende Veränderungen auf sozialistischer Grundlage geöffnet werden können. Die passive Rolle der Gewerkschaftsführer*innen, von denen viele in die Patronage und Korruption der Demokratischen Partei eingebunden sind, ermöglichte es der herrschenden Klasse, die Krise auszusitzen.
Eine neue Welle der kolonialen Revolution
Nichtsdestotrotz untergrub der Krieg vorübergehend sowohl die wirtschaftliche als auch die militärische Macht des US-Imperialismus. Der Krieg kostete schätzungsweise 250 Milliarden Dollar – zu einer Zeit, als Benzin nur 25 Cent pro Gallone kostete. Die Inflations-Finanzierung des Krieges durch Staatsdefizite führte zur Unterminierung der Rolle des Dollars auf den Weltmärkten. Der Dollar wurde 1971 aus dem Goldstandard gezwungen und 1973 abgewertet. Der Niedergang des Dollars, in dem die Ölpreise festgesetzt wurden, war ein wichtiger Faktor für die Entscheidung der ölerzeugenden Staaten, auf eine Preiserhöhung zu drängen, die den massiven Rückgang des realen Wertes ihrer Öleinnahmen ausglich. Der Ölpreisanstieg von 1974 war kein „externer Schock“. Er ergab sich aus der Krise der kapitalistischen Weltwirtschaft, die durch die US-Intervention in Vietnam verschärft wurde.
Die Niederlage in Vietnam schränkte die Möglichkeiten des US-Imperialismus, international zu intervenieren, für eine Zeit stark ein. Die enorme Zahl der Toten und Verletzten sowie die Abscheu vor der Barbarei des Krieges hinterließen ein Vermächtnis der Ablehnung ausländischer Kriege, das bis heute anhält. Außerdem wurden die US-Streitkräfte, die damals hauptsächlich auf einer Wehrpflichtigenarmee basierten, zerschlagen. Die herrschende Klasse musste ihre Streitkräfte auf der Grundlage einer Berufsarmee wieder aufbauen. Die wirtschaftliche Rezession von 1974-75 und der Verfall des Dollars schwächten auch die Fähigkeit des US-Imperialismus, teure ausländische Militärabenteuer zu finanzieren.
Diese Beschneidung der weltweiten Polizeifunktion des US-Imperialismus wurde als „Vietnam-Syndrom“ bekannt. In dieser Phase des erzwungenen Rückzugs des US-Imperialismus kam es in den neokolonialen Ländern zu einer neuen Welle der Radikalisierung und Revolution. Reaktionäre, pro-imperialistische Regime wurden zwischen 1974 und 1980 in 14 oder mehr Ländern gestürzt: Vietnam, Kambodscha, Laos in Südostasien, Afghanistan und Iran in Zentralasien, Äthiopien in Nordostafrika und Simbabwe im Süden, in fünf portugiesischen Kolonien (Angola, Mosambik, Guinea-Bissau, São Tomé und Kap Verde) sowie im eigenen Hinterhof der USA, in Grenada und Nicaragua. Der Erfolg der Befreiungsbewegungen in den portugiesischen Kolonien löste zudem eine Revolution in Portugal, im europäischen Kerngebiet des Kapitalismus, aus. Dies war ein Schock für die herrschenden Klassen in der westlichen Welt. Nur das Fehlen einer klaren revolutionären Führung in Portugal in Verbindung mit der konterrevolutionären Rolle der Führung der Sozialistischen Partei „rettete“ Portugal für den Kapitalismus.
In den meisten dieser Fälle lag die Führung in den Händen von Führungen, die von der stalinistischen Ideologie beherrscht wurden, die revolutionäre Bewegungen innerhalb enger nationaler Grenzen lenkten und Regime nach dem bürokratischen stalinistischen Modell errichteten, was ihren Einfluss auf die Arbeiter*innen und Bäuer*innen international begrenzte. Im Fall Simbabwes akzeptierte eine pro-stalinistische Führung unter Mugabe den Kompromiss mit dem Imperialismus und errichtete einen bonapartistischen Staat auf der Grundlage einer kapitalistischen Wirtschaft.
Als Reaktion auf diesen neuen Aufschwung der kolonialen Revolution entschlossen sich die Führer*innen des US-Imperialismus, ihre militärische Macht und ihren strategischen Einfluss zu stärken. Im Gefolge der Geiselkrise im Iran von November 1979 bis Januar 1981 begann Präsident Carter mit einer Politik der Stärkung der militärischen Macht der USA, insbesondere ihrer Fähigkeit, weltweit gegen die koloniale Revolution zu intervenieren. Die Rapid Deployment Force [Schnelle Eingreiftruppe] wurde aufgestellt und die US-Marine von 450 auf über 600 größere Kriegsschiffe aufgestockt.
Als Reagan 1980 zum Präsidenten gewählt wurde, übernahm er die zuvor von rechten Strateg*innen skizzierte Politik. Zum Beispiel veröffentlichte die RAND Corporation 1977 einen Bericht des Aufstandsbekämpfungsexpert*innen Guy Pauker mit dem Titel „Military Implications of a Possible World Order Crisis in the 1980s“ [Militärische Auswirkungen einer möglichen Weltordnungskrise in den 1980er Jahren]. „Die Menschheit tritt in eine Periode zunehmender sozialer Instabilität ein“, warnte Pauker, „und steht vor der Möglichkeit eines Zusammenbruchs der Weltordnung als Ergebnis einer sich verschärfenden Konfrontation zwischen der Dritten Welt und den industriellen Demokratien.“ Er räumte ein, dass die Hauptursache für die Konfrontation darin liege, dass „die Kluft zwischen reichen und armen Ländern so groß ist, dass keine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung zu erwarten ist…“ Soziale Umwälzungen in den armen Ländern mit Massenbewegungen, die sofortige, radikale Lösungen forderten, bedeuteten, dass „der Nord-Süd-Konflikt in einer Weise aus dem Ruder laufen könnte, die mit den Bauernaufständen vergleichbar ist, die in den vergangenen Jahrhunderten weite Teile Europas und Asiens erfassten und sich wie unkontrollierte Präriebrände ausbreiteten.“ Paukers konterrevolutionäre Schlussfolgerungen waren absolut klar. Nur die USA haben die militärische Fähigkeit, diese Feuersbrünste einzudämmen und zu kontrollieren, und deshalb wird von ihnen „erwartet, dass sie ihre militärische Macht einsetzen, um den totalen Zusammenbruch der Weltordnung zu verhindern…“
Reagan: Aufrüstung und Intervention
Auf der Grundlage der wirtschaftlichen Erholung und des Booms, der auf die Rezession von 1979-80 folgte, setzte Reagan eine beispiellose Erhöhung der Militärausgaben um, sowohl nuklear als auch konventionell. Reagans letzter Haushalt für das Haushaltsjahr 1990 enthielt Rüstungsausgaben in Höhe von 303 Milliarden Dollar. Im Laufe des Jahrzehnts der 1980er Jahre gaben die USA über 2.300 Milliarden Dollar für Militärprogramme aus. Reagans Ausgaben erreichten 1987 ihren Höhepunkt und übertrafen damit die beiden vorherigen Spitzenwerte der Nachkriegszeit. In konstanten Preisen von 1989 erreichten die Militärausgaben 1953 (zur Zeit des Koreakrieges) 260,5 Milliarden Dollar, 1968 (auf dem Höhepunkt des Vietnamkrieges) 293,6 Milliarden Dollar und 1987 unter Reagan 296,4 Milliarden Dollar.
Reagans Rüstungsausgaben waren in der Tat ein wichtiger Faktor, der zunächst zum Boom in den fortgeschrittenen Ländern in den 1980er Jahren beitrug. Gestützt auf Staatsausgaben, die zu einem massiven Bundeshaushaltsdefizit von 190 Milliarden Dollar und einer Gesamtverschuldung von 2.000 Milliarden Dollar geführt haben, war es eine Art „negativer Keynesianismus“ – eine defizitäre Staatsfinanzierung, nicht für die soziale Wohlfahrt, sondern für Rüstungsausgaben. Reagans neue Rüstungspolitik steigerte die Profite der am militärisch-industriellen Komplex beteiligten Konzerne. Jedoch trugen die Belastung durch die Verteidigungsausgaben und die Umleitung enormer technischer, wissenschaftlicher und industrieller Ressourcen in die Rüstungsproduktion letztlich zur Entwicklung der 1990 beginnenden Rezession bei.
Zur gleichen Zeit, während die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder, insbesondere Westdeutschland und Japan, einen Aufschwung erlebten, gab es in den unterentwickelten Ländern einen Rückgang. In Afrika südlich der Sahara war das Niveau des realen (inflationsbereinigte) Pro-Kopf-Einkommens 1988 um 17 % unter dem von 1981. In Lateinamerika war die entsprechende Zahl fünf Prozent niedriger und in den hochverschuldeten Ländern über sieben Prozent niedriger.
Die Schuldenkrise stellte für die neokolonialen Länder eine enorme Belastung dar. Ein großer Teil der Kredite der westlichen Banken wurde entweder für Rüstungsausgaben oder für die Rückzahlung von Schulden verwendet. Im Jahr 1980 waren etwa 20 Prozent der Schulden der Dritten Welt auf Waffenimporte zurückzuführen. Conable, Präsident der Weltbank, schätzte 1988, dass ein Drittel der Schulden einiger großer neokolonialer Länder dem Kauf von Waffenimporten zuzurechnen sei.
Reagans Politik der aktiven Intervention zielte darauf ab, revolutionäre Bewegungen einzudämmen und konterrevolutionäre Kräfte in ganz Lateinamerika, Afrika und Asien zu einzuspannen. Reagan gab den konterrevolutionären Contras massive Unterstützung, die versuchten, das sandinistische Regime in Nicaragua zu stürzen, und auch den reaktionären Mudschaheddin-Guerillas in Afghanistan. 1983 ordnete er die Invasion Grenadas an, als eine Spaltung der regierenden New Jewel-Bewegung den USA einen Vorwand bot, einzugreifen und ein radikales Regime zu stürzen. 1986 griffen US-Kampfflugzeuge libysche Schiffe in internationalen Gewässern in der Großen Syrte an, worauf ein US-Bombenangriff auf Tripolis folgte.
Die imperialistischen Hauptmächte führten zusammen mit der stalinistischen Bürokratie große Mengen an Waffen in die Länder der Dritten Welt ein. Im Zeitraum 1985-89 wurden über 106 Milliarden Dollar an 15 neokoloniale Staaten geliefert (zu konstanten Preisen von 1985), wobei der Großteil in den Nahen Osten ging. Im Jahr 1989 wies der damalige sowjetische Außenminister Schewardnadse darauf hin, dass im Nahen Osten 25.000 Panzer und 4.500 Militärflugzeuge kampfbereit stationiert waren. In den Jahren 1980-88 importierten der Iran und der Irak etwa ein Viertel der von den neokolonialen Ländern insgesamt eingeführten Großwaffen, wobei sich ihre Käufe auf Großwaffen im Wert von über 27 Milliarden Dollar beliefen. In dieser Zahl sind Kleinwaffen, Munition, militärisches Zubehör und Ersatzteile usw. nicht enthalten, sie unterschätzt daher die tatsächlichen Kosten der Militärausgaben während des iranisch-irakischen Krieges. Im Falle des Irak kamen etwa die Hälfte der irakischen Waffen aus der Sowjetunion, weitere 22 Prozent aus Westeuropa (hauptsächlich Frankreich, aber auch Großbritannien und Deutschland) und fünf Prozent kamen aus den USA. Zwischen 1985 und 1989 exportierten die Vereinigten Staaten Waffen im Wert von zwischen 9 und 12,6 Milliarden Dollar pro Jahr. Mindestens 3 Milliarden Dollar pro Jahr an Waffen, die auf der Grundlage von nicht rückzahlbarer Militärhilfe (in Wirklichkeit Zuschüsse) exportiert wurden, gingen an Israel und Ägypten.
Die Förderung der Politik der „freien Marktwirtschaft“ durch die USA war von einer stärkeren Anwendung der militärischen Macht der USA begleitet. Der Rückgang des Lebensstandards, die verschärfte Wirtschaftskrise in den meisten wirtschaftlich unterentwickelten Staaten und die Bewaffnung der bonapartistischen Regime bis an die Zähne stabilisierten die Krise in der neokolonialen Welt jedoch keineswegs, sondern verschärften sie. Dies gilt insbesondere für den Nahen Osten.
Kapitel 3. Der Nahe Osten in der Krise
Der Nahe Osten ist wie Lateinamerika, Afrika und Asien seit langem der Herrschaft der kapitalistischen Großmächte unterworfen. Diese Region hat mehr als jede andere eine Schlüsselposition in den Weltbeziehungen eingenommen. Ihre geografische Lage verleiht ihr eine unvermeidliche strategische Bedeutung, und sie ist seit langem die Schaltzentrale der Mächte. Seit dem Zweiten Weltkrieg stand sie im Mittelpunkt der intensiven Rivalität zwischen den beiden Supermächten, dem US-Imperialismus und der sowjetischen Bürokratie. Ihre massiven Ölreserven, die wichtigste Energieform des 20. Jahrhunderts, verleihen der Region auch eine überwältigende wirtschaftliche Bedeutung.
Seit der Zeit, in der das Öl entdeckt wurde, haben die imperialen Mächte versucht, ihren Griff auf die Region zu behaupten. Bis zum Ersten Weltkrieg (1914-18) stand ihr größter Teil unter der Kontrolle des Osmanischen (Türkischen) Reiches. Mit dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches teilte der Imperialismus, der damals von Großbritannien und Frankreich dominiert wurde, die Region auf. Sie schufen willkürlich neue Staaten und errichteten Klientelmonarchien als Vertreterinnen der imperialen Herrschaft. Vorrangiges Ziel der Kolonialmächte war es, die arabischen Völker der Region zu spalten und die Entwicklung des Nationalbewusstseins zu erdrosseln, aus dem die Forderung nach Unabhängigkeit und arabischer Einheit hervorging.
Die arabische Revolution
Nach dem Zweiten Weltkrieg ersetzten die USA Großbritannien und Frankreich als imperialistische Hauptmacht, obwohl sowohl Großbritannien als auch Frankreich versuchten, sich an die Einflusshebel zu klammern. Großbritannien zog sich schließlich 1971 aus der Golfregion zurück. Seit der Zwischenkriegszeit steht der Imperialismus im Nahen Osten vor einem besonderen Problem. Unnütz zu sagen, dass sie immer die übliche Politik des Teilens und Herrschens verfolgt haben. Doch anders als auf anderen Kontinenten sah sich der Imperialismus in dieser Region mit Völkern mit einer gemeinsamen Sprache, dem Arabischen, eine gemeinsame Kultur und (überwiegend) einer gemeinsamen Religion, dem Islam, konfrontiert.
Obendrein führte der Zusammenbruch des Osmanischen Reiches zusammen mit dem Eingreifen der Kolonialmächte – von Nationalstaaten – bei den arabischen Völkern zur Entstehung eines Nationalbewusstseins. Es entstand die tiefe Sehnsucht nach einer einheitlichen arabischen Nation, die sich vom Maghreb im Westen über den Jemen im Süden bis zum Irak im Nordosten erstrecken sollte. In den letzten 50 Jahren, das ist wahr, hat sich auch ein lokales arabisches Bewusstsein entwickelt – ein ägyptisches, algerisches, jemenitisches, usw. Nichtsdestotrotz gibt es eine tief verwurzelten Sehnsucht nach arabischer Einheit. Das Bestehen eines arabischen Nationalbewusstseins verleiht der kolonialen Revolution im Nahen Osten eine besondere Intensität.
Vor allem vier Themen spielen im Bewusstsein der arabischen Massen eine Schlüsselrolle:
(1) Die Sehnsucht nach arabischer Einheit, letztlich die Bildung einer einzigen arabischen Nation. Arabische Führer*innen wie Nasser in Ägypten und Gaddafi in Libyen, die sich auf die Idee der arabischen Einheit berufen haben, die manchmal als „Panarabismus“ bezeichnet wird, haben eine enorme Unterstützung der Massen hervorgerufen, obwohl sie diese Sehnsucht in Wirklichkeit ausgebeutet haben, um ihre eigene Macht und ihr Prestige zu fördern. Unterstützung für Saddam Hussein unter den arabischen Massen ist derzeit hauptsächlich auf seine panarabische, anti-US-imperialistische Haltung zurückzuführen, nicht auf die Art des Regimes, das er im Irak errichtet hat.
(2) Die arabischen Massen sind sich bitter bewusst, dass das in ihrem Land geförderte Öl größtenteils extrem billig an die großen Ölgesellschaften und die westlichen Kapitalist*innen verkauft wurde. Die gigantischen westlichen Ölkonzerne haben enorme Profite gemacht, während die willfährigen Herrscher Saudi-Arabiens, Kuwaits, der Golfstaaten usw. großzügig bezahlt worden sind. Die Mehrheit der arabischen Völker teilt den verarmten Lebensstandard und die Lebensbedingungen der Mehrheit in den unterentwickelten Ländern. Dies wiederum erklärt die enorme Popularität von führenden Politikern wie Qasim im Irak in den 1960er Jahren, Gaddafi in Libyen und jetzt Saddam unter den armen Araber*innen, die Maßnahmen gegen die westlichen Ölgesellschaften ergriffen und die Öleinnahmen zur Verbesserung des Lebensstandards eingesetzt haben. Es gibt die tiefe Sehnsucht, dass der Ölreichtum genutzt wird, um das Leben aller arabischen Menschen zu verbessern.
(3) Es gibt die brennende Sehnsucht nach der Befreiung Palästinas. Die Unterdrückung des palästinensischen Volkes in den besetzten Gebieten des Westjordanlandes und des Gazastreifens, zusammen mit den entsetzlichen Bedingungen der Palästinenser*innen, die noch immer in Lagern in Jordanien, im Libanon usw. leben, und der Diaspora der Palästinenser*innen als migrantische Arbeiter*innen in den reichen Ölstaaten, ist eine Wunde im Fleisch der arabischen Völker. Durch die Verbindung der Zukunft Kuwaits mit der Zukunft Palästinas hat Saddam in den arabischen Staaten enorme Sympathien gewonnen.
(4) Es gibt einen brennenden Hass auf den Imperialismus, vor allem den US-Imperialismus, und Unterstützung für jede Form des Widerstands gegen den Imperialismus. Die USA haben den Staat Israel finanziert und bewaffnet, und ohne solche Unterstützung wäre Israel nicht in der Lage, seine Position zu halten. Darüber hinaus haben die USA in den letzten Jahren ihre Unterstützung für die Monarchie in Saudi-Arabien und das Mubarak-Regime in Ägypten, die ebenso Klientelstaaten sind wie Israel, enorm verstärkt. Großbritannien hat seine Politik der Unterstützung für die reaktionären Herrscher der Golfstaaten fortgesetzt, während Frankreich im Libanon lange Zeit die reaktionären Führer der maronitischen Christ*innen unterstützte, die den libanesischen Staat früher beherrschten.
Den revolutionären Bestrebungen der arabischen Massen haben jedoch die Führungen der arabischen Staaten nie entsprochen. Die Monarchien, wie das saudische Regime, verdankten ihre Machtposition und ihren Reichtum ursprünglich den Kolonialmächten. Ihre Angst vor den Massen bindet sie an den Imperialismus. Die Kapitalist*innen der verschiedenen arabischen Nationalstaaten waren schon immer wirtschaftlich zu kraftlos und politisch zu schwach, um ihre Führung in der Gesellschaft durchzusetzen. Daher wurden die arabischen Staaten seit ihrer Unabhängigkeit meist von einer Reihe bonapartistischer Diktatoren regiert. In einigen Fällen haben wirtschaftliche Krisen und die Radikalisierung der Massen diese Bonapartisten zu radikalen Maßnahmen gezwungen. In Ägypten beispielsweise verstaatlichte Nasser den Suezkanal, führte eine teilweise Landreform durch, entwickelte die staatliche Industrie und führte Reformen für die Arbeiter*innen und Bäuer*innen durch. Im Irak verstaatlichte Qasim die ausländischen Ölinteressen und führte Reformen durch. Die Existenz der UdSSR als Gegengewicht zum US-Imperialismus verschaffte diesen Regimen einen gewissen Handlungsspielraum. Die sowjetische Bürokratie, die versuchte, strategische Stützpunkte im Nahen Osten zu schaffen, leistete den Regimen in Ägypten, Syrien und dem Irak zu verschiedenen Zeiten wirtschaftliche und militärische Hilfe. Im Falle Syriens hat die revolutionäre Bewegung von 1966 das syrische Baath-Regime über die Grenzen des Kapitalismus hinausgedrängt, obwohl die verstaatlichte Wirtschaft unter die totalitäre Kontrolle einer herrschenden Elite geriet.
Obwohl solche bonapartistischen Regime Maßnahmen gegen die alte Großgrundbesitzer*innenklasse ergreifen und dem Imperialismus Schläge versetzen können, versuchen sie stets, den Wandel von oben herab zu steuern, da sie die bewusste politische Beteiligung der Massen fürchten. Als Qasim 1963 durch einen rechtsgerichteten Militärputsch gestürzt wurde, lehnte er beispielsweise die Forderung der Massen nach Waffen zur Verteidigung der Gesellschaft gegen eine rücksichtslose Reaktion ab. Heute wird Saddams Schritt, den Irak und Kuwait zu vereinigen, von oben herab mit rein militärischen Mitteln durchgesetzt, ohne Beteiligung der Arbeiter*innen.
Die arabischen Herrscher*innen appellieren an die Sehnsucht der Massen nach panarabischer Einheit, stellen aber in der Praxis immer ihre eigene nationale Macht und ihr Prestige in den Vordergrund. Sie benutzen Israel und die Not der Palästinenser*innen, um die Unzufriedenheit ihrer Völker von Problemen im eigenen Land abzulenken. Alle arabischen Regime, einschließlich der Saudis und des Emirs von Kuwait, subventionieren die PLO und andere Führer*innen, um sie im Griff zu behalten. Sie haben ebenso wie die israelische herrschende Klasse Angst vor der Gründung eines palästinensischen Staates, der sich in eine radikal antikapitalistische Richtung bewegen und als Katalysator für eine Revolution in der gesamten Region wirken könnte. Gleichzeitig hat der totalitäre Charakter der arabischen Regime und ihre engstirnige nationalistische Ideologie für die israelische Arbeiter*innenklasse keine Anziehungskraft. Im Gegenteil treiben Drohungen, „Israel zu verbrennen“, jüdische Arbeiter*innen in die Arme rechter zionistischer Anführer*innen und schneiden den Kampf gegen die wachsenden Lasten ab, die den Arbeiter*innen durch die Krise des israelischen Kapitalismus aufgebürdet werden.
Nur die Massen selbst, unter der Führung der Arbeiter*innenklasse, können die Ziele der arabischen Revolution durchsetzen. In der Vergangenheit hat die Arbeiter*innenklasse durch Generalstreiks und Aufstandsbewegungen eine Schlüsselrolle bei der Erlangung der Unabhängigkeit von den Kolonialmächten und dem Sturz der imperialistischen Marionetten gespielt. Leider hat die stalinistische Politik der einst mächtigen kommunistischen Parteien in der Region das Wachstum der Arbeiter*innenbewegung in der arabischen Welt jahrzehntelang gebremst. Die Führungen der kommunistischen Parteien agierten als Agent*innen der sowjetischen Bürokratie und ordneten die Arbeiter*innenorganisationen den bonapartistischen und nationalkapitalistischen Parteien unter, was häufig zu tragischen Massakern und Verfolgungen von Parteiaktivist*innen führte.
Im letzten Jahrzehnt gab es ein Wachstum des rechten politischen Islams. Dies spiegelt zum Teil die Auswirkungen der iranischen Revolution von 1979 wider (auf die wir später zurückkommen werden). Es spiegelt auch die Verzweiflung einiger der ärmsten Schichten der arabischen Massen und ihre Enttäuschung über frühere Führungen und diskreditierte Politiken wider. Der Nasserismus beispielsweise, sowohl in Ägypten als auch in seinen verschiedenen anderen nationalen Ausprägungen, schaffte es nicht, den Arbeiter*innen und Bäuer*innen dauerhafte Vorteile zu bringen. Die Konfrontation mit dem Imperialismus wich einem Kompromiss mit dem Imperialismus, wie das Beispiel Sadats in Ägypten zeigt, der von rechtsgerichteten Islamisten ermordet wurde. Auch den Führungen der Palästinenser*innen ist es nicht gelungen, Israel zu besiegen oder das Los der Palästinenser*innen zu verbessern. Unter den Palästinenser*innen in Jordanien und im Westjordanland und auch unter Teilen der schiitischen Araber*innen im Libanon hat die Unterstützung für rechtsgerichtete islamische Organisationen und Milizen wie die Hisbollah zugenommen. Verzweiflung und Desillusionierung haben zu einer Rückbesinnung auf die Vergangenheit geführt, auf die scheinbar einfachen, kühnen Ideen der islamischen Militanz, die den US-Imperialismus als „den großen Satan“ und den westlichen Einfluss als „böse“ darstellt. Dies drückt zweifellos den Massenhass auf die Rolle des Imperialismus in der Region aus. Doch eine Rückkehr zum religiösen Puritanismus der Vergangenheit, so militant sie auch sein mag, kann für die arabischen Massen keinen Ausweg bieten.
Eine sozialistische Konföderation des Nahen Ostens
Die Arbeiter*innenklasse ist der Schlüssel für die Zukunft. Das industrielle Wachstum in Ländern wie Ägypten, Irak und Syrien in der letzten Zeit hat zu einer Stärkung des Proletariats geführt. In der nächsten Periode werden die arabischen Arbeiter*innen wieder als eine entscheidende Kraft für Veränderungen die Bühne betreten.
Eine Politik, die in den Grenzen des Kapitalismus verharrt oder von der stalinistischen Ideologie verzerrt wird, hat den ausgebeuteten arabischen Völkern nichts zu bieten. Revolutionäre Veränderungen erfordern ein sozialistisches Programm: die Enteignung aller verbliebenen Grundbesitzer*innen und die Vergesellschaftung und Planung der Industrie auf der Grundlage von Arbeiter*innendemokratie. Das Öl muss, wie der gegenwärtige Krieg zeigt, im Interesse aller Völker des Nahen Ostens planvoll ausgebeutet werden. Der Lebensstandard würde in kurzer Zeit dramatisch angehoben werden.
Aber selbst ein sozialistisches Programm wird die Probleme der Region nicht im Rahmen der bestehenden Nationalstaaten lösen. Der Ruf nach arabischer Einheit stellt die Grenzen bereits in Frage, doch die bestehenden Herrscher*innen werden eine Einheit nur dann in Betracht ziehen, wenn sie ihre eigene Macht ausweitet. Der Kampf kann nur unter dem Banner der sozialistischen Konföderation des Nahen Ostens vorangetrieben werden. Dies würde einen demokratischen Staatenbund bedeuten, in dem die Palästinenser*innen, Israelis und Kurd*innen Selbstbestimmung erlangen würden. Die demokratischen, sprachlichen und religiösen Rechte der vielen Minderheiten in der Region würden garantiert werden.
Dies sind die einzigen Ideen, die die schrecklichen Probleme des Nahen Ostens, die innerhalb der Grenzen des Kapitalismus niemals gelöst werden können, lösen können.
Der israelische Staat
Um sich angesichts der arabischen Revolution in der Region zu behaupten, versuchte der westliche Imperialismus, sich auf Klientenregime zu stützen, die sich auf nicht-arabische Völker stützten. Großbritannien und die USA bauten den Schah von Persien auf, bis er 1979 gestürzt wurde. Frankreich stützte sich auf die Minderheit der maronitischen Christ*innen im Libanon. Vor allem aber stützte sich der US-Imperialismus auf Israel als Brückenkopf für die Konterrevolution gegen die revolutionäre Bewegung der arabischen Völker.
Die führenden Politiker*innen des israelischen Staates widersetzten sich Saddams frühem Versuch, sie direkt in den Krieg einzubeziehen. Der Hass der arabischen Massen auf den israelischen Staat ist so groß, dass ein direktes Eingreifen Israels das von den USA dominierte Bündnis spalten und in den arabischen Staaten, die derzeit die USA unterstützen, Krisen auslösen würde. Wie auch immer seine militärische Antwort aussehen mag, Israel ist unweigerlich in den Konflikt verwickelt.
Marxist*innen unterstützen das Recht des israelischen Volkes, als Nation zu existieren. Israel besteht nun schon seit über vier Jahrzehnten und hat eine Bevölkerung von etwa fünf Millionen Menschen. Es kann keine Rede davon sein, das jüdische Volk aus Israel zu vertreiben, was einen weiteren blutigen Konflikt mit endlosen Auswirkungen bedeuten würde. Wir unterstützen jedoch nicht den gegenwärtigen Staat, der auf der israelische Kapitalist*innenklasse beruht. Der israelische Kapitalismus ist unweigerlich mit dem US-Imperialismus verbunden, auch wenn er zu einem „Frankenstein-Monster“ geworden ist, das nicht mehr vollständig unter der Kontrolle seines Zahlmeisters steht. Wir unterstützen den Kampf für ein sozialistisches Israel, als Teil einer sozialistischen Konföderation in der Region.
Der Kampf der Palästinenser*innen
Die Entwicklung Israels hat auf tragische Weise die Warnungen der Marxist*innen von 1948, zur Zeit der Staatsgründung, bestätigt. Wir lehnten die Gründung eines solchen Staates ab. Viele der jüdischen Einwander*innen in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg hatten der Arbeiter*innenbewegung in Russland und Osteuropa angehört. Sie glaubten, dass sie ein demokratisches oder sogar sozialistisches Israel gründen könnten, das eine Zuflucht vor der Unterdrückung und den Pogromen in den osteuropäischen Ghettos bieten würde. Dabei haben sie nicht gesehen, dass ein solcher Staat immer auf die Unterstützung der Westmächte angewiesen ist. So versprach der britische Imperialismus, der Palästina als Kolonie unter einem „Mandat“ des Völkerbundes regierte, den führenden jüdischen Politiker*innen ein Heimatland in Palästina, während er den arabischen Herrscher*innen zynisch versicherte, dass sie eine solche Entwicklung nicht zulassen würden. Die Kibbuzim wurden von den Siedler*innen als jüdische sozialistische Modellgemeinschaften verteidigt. In Wirklichkeit waren sie ein Vehikel für die europäische Besiedlung von palästinensischem Land.
Die historische Forderung nach einem jüdischen Heimatland wurde um den Preis des Niedertrampelns der nationalen Rechte der Palästinenser*innen erfüllt. Viele von ihnen wurden damals von ihrem Land vertrieben, und seither bilden die Palästinenser*innen innerhalb Israels eine unterdrückte Minderheit, der demokratische Rechte verweigert werden.
Der Nazis-Holocaust, die barbarische faschistische Verfolgung der Jüd*innen und die Vernichtung von sechs Millionen Menschen in den Gaskammern, rief im Westen eine breite Unterstützung für die Schaffung eines „jüdischen Heimatlandes“ hervor. Die Westmächte billigten die Errichtung Israels unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen. Auch Stalin unterstützte diesen Schritt zunächst, auch wenn die sowjetische Bürokratie später ihre Position änderte.
Israel wurde als theokratischer (d. h. nach religiösen Grundsätzen organisierter) Staat gegründet, in dem nur Jüd*innen das Recht auf die volle Staatsbürgerschaft haben. Als Ergebnis des israelisch-arabischen Krieges von 1967 besetzte Israel das Westufer des Jordan (Teil des Staates Jordanien) und den Gazastreifen (Teil Ägyptens) und zwang damit weiteren 1,5 Millionen Palästinenser*innen die Besatzung auf. Seitdem hat Israel das Westjordanland annektiert und die jüdische Auswanderung dorthin intensiviert. Vor kurzem hat eine Kampagne begonnen, die darauf abzielt, die arabische Bevölkerung aus Ostjerusalem zu vertreiben.
Israel ist weit davon entfernt, einen sicheren Zufluchtsort für jüdische Menschen zu bieten, und war schon immer ein bewaffnetes Lager, das sich in einem ständigen Belagerungszustand befindet. Der Staat war in fünf Kriege verwickelt: den Krieg mit den arabischen Staaten bei seiner Gründung 1948/49, das militärische Abenteuer Großbritanniens und Frankreichs gegen Ägypten 1956, den Krieg mit Ägypten und Syrien 1967, den Krieg mit Ägypten 1973 und die Invasion im Libanon 1982. Jetzt ist Israel unausweichlich in den Golfkrieg verwickelt.
Israel befindet sich in einem Zustand der permanenten Krise. Nicht nur den Araber*innen in den besetzten Gebieten, sondern auch den Araber*innen in Israel werden demokratische Rechte verweigert, die ohnehin für die Israelis selbst durch Sicherheitsvorkehrungen zunehmend eingeschränkt werden. Es gibt eine organische Wirtschaftskrise. Der Lebensstandard der ärmeren Schichten der israelischen Gesellschaft wird immer weiter gesenkt. Ende 1990 führte die rechtsgerichtete Schamir-Regierung weitere wirtschaftliche Kürzungsmaßnahmen ein. Die Staatsverschuldung nimmt stetig zu. Ohne die US-Hilfe und die Beiträge der jüdischen Gemeinschaft im Ausland würde Israel überhaupt nicht überleben. Die Schamir-Regierung sieht die russischen Einwanderer*innen als ihre neue Rettung an, mit der Aussicht auf weitere US-Subventionen (zunächst weitere 13 Milliarden Pfund), um die jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten auszubauen. Anfang Februar übertrug der israelische Ministerpräsident Schamir einen Kabinettssitz an Rechavan Ze’evi, den Vorsitzenden der winzigen Moledet (Heimat)-Fraktion, als Minister ohne Geschäftsbereich. Ze’evi ist ein ultra-rechter Reaktionär, der den massenhaften „Transfer“ von Palästinenser*innen ins Ausland befürwortet. Er ist auch ein scharfer Kritiker der bisherigen Entscheidung der Regierung, keine Vergeltung für irakische Raketenangriffe zu üben. Dies ist eine klare Warnung Schamirs an den US-Imperialismus, dass die herrschende Klasse Israels nicht die Absicht hat, sich der Politik Washingtons unterzuordnen, obwohl sie von dessen Subventionen abhängig ist. „Der Schritt“, kommentierte die „Financial Times“ (4. Februar 1991), „sendet ein klares Signal, dass der Premierminister nicht daran denkt, sich dem Druck zu beugen und Zugeständnisse im Westjordanland und im Gazastreifen zu machen, nachdem der Golfkrieg beendet ist.“ Die israelischen führenden Politiker*innen haben deutlich gemacht, dass es, was sie betrifft, keine „Verbindung“ zwischen dem Golfkrieg und der Palästinafrage gibt. Schamir hat wiederholt erklärt, dass Israel nicht an einer Nahost-Friedenskonferenz teilnehmen werde. Solange jedoch den Palästinenser*innen die Selbstbestimmung verweigert wird, wird es in der Region keine Stabilität geben.
In den letzten drei Jahren wurde Israel durch die Intifada – den Aufstand des palästinensischen Volkes in den besetzten Gebieten – bis in die Grundfesten erschüttert. Praktisch die gesamte Bevölkerung, Männer, Frauen und Kinder, haben sich an einer fast ununterbrochenen Welle von Demonstrationen und Zusammenstößen mit den israelischen Streitkräften beteiligt. Mehr als 750 Palästinenser*innen wurden während des Aufstandes von israelischen Streitkräften getötet. Die Bewegung drückt die Tiefe der Wut und Frustration unter den Palästinenser*innen aus. Der Beginn des umfangreichen Zustroms russischer Jüd*innen eröffnete die Aussicht auf die Vertreibung der Palästinenser*innen aus der Westbank. Die meisten Palästinenser*innen hatten jede Hoffnung verloren, dass die führenden Politiker*innen der arabischen Staaten echte Schritte zur Verbesserung ihrer Lage unternehmen würden. Auch die führenden Politiker*innen der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), des Massendachverbands der Palästinenser*innen, haben es nicht geschafft, eine wesentliche Änderung herbeizuführen.
Die Sackgasse, in der sich die PLO-Führung befindet, spiegelt die Position des Militant [Vorläufer der Socialist Party] in Bezug auf den Guerillakampf wider. Die Strategie der palästinensischen führenden Politiker*innen bestand darin, sich auf den Kampf einer bewaffneten Minderheit zu stützen. Das gab der Mehrheit der palästinensischen Arbeiter*innen und Jugendlichen keine Rolle. Eine Politik des individuellen Terrorismus, im Gegensatz zum Massenkampf, konnte niemals die Niederlage des israelischen Staates herbeiführen. Die Guerillataktik lähmte die Bewegung der Arbeiter*innenklasse. Auf der anderen Seite haben der Generalstreik der arabischen Arbeiter*innen in Israel und im Westjordanland 1981 und die Intifada mehr Wirkung gehabt als jahrelange Guerilla-Scharmützel und die enorme latente Macht des Proletariats demonstriert.
Gleichzeitig haben die verschiedenen palästinensischen führenden Politiker*innen immer Beziehungen zu den arabischen Regimen unterhalten, auch wenn diese von Zeit zu Zeit eine andere Färbung annehmen. Die PLO-Führung hat an der „Etappen“-Theorie bei der Befreiung Palästinas festgehalten: Zuerst einen unabhängigen palästinensischen Staat erreichen, und sich erst dann mit der Frage befassen, was für ein Staat das sein wird. Dies ging stets mit einer Politik der „friedlichen Koexistenz“ mit den arabischen Regimen einher, die jede „Einmischung“ in die „inneren Angelegenheiten“ der arabischen Staaten scheute. Im Jahr 1970 gab es beispielsweise einen Aufstand gegen das Regime von König Hussein in Jordanien. Die palästinensischen Arbeiter*innen und Fedajin, die etwa 60 Prozent der jordanischen Bevölkerung ausmachen, hätten die Macht selbst in die Hand nehmen können – wie Hawatmeh, der führende Vertreter der Demokratischen Volksfront zur Befreiung Palästinas, später zugab. Die palästinensischen führenden Politiker*innen lenkten jedoch die revolutionäre Bewegung mit der Begründung ab, dass sie sich nicht in die Angelegenheiten Jordaniens einmischen sollten! Dies führte zu dem verheerenden Massaker im „Schwarzen September“ an den Palästinenser*innen. Auf der Grundlage eines sozialistischen Appells an das arabische Proletariat und an die Arbeiter*innenklasse Israels hätte eine palästinensische Regierung in Jordanien die Situation im gesamten Nahen Osten verändern können.
Im Dezember 1987 betrat das palästinensische Volk unter dem Druck seiner verzweifelten Lage spontan die Straße des Massenaufstandes. Doch die Intifada ist wegen dem Fehlen einer klaren Führung vorübergehend ins Stocken geraten. Jetzt gibt es eine enorme Unterstützung für Saddam: „Er ist der einzige arabische Anführer, der den Amerikanern die Stirn bieten kann“, sagt ein junger Palästinenser*innen, „wir werden unser Leben für ihn geben.“ Dies ist die Stimme der Verzweiflung.
Der Kampf für die palästinensische Befreiung, der immer wieder von den führenden Politiker*innen der arabischen Staaten verraten wird, schreit nach einem sozialistischen Programm. Nur das Ziel eines sozialistischen Palästinas kann die revolutionäre Energie der Palästinenser*innen nutzbar machen und die Grundlage für eine organisierte Massenbewegung bilden. Die nationale Befreiung kann zudem nur im Rahmen einer sozialistischen Konföderation des Nahen Ostens erreicht werden. Der Kampf der Palästinenser*innen muss mit dem Kampf der arabischen Arbeiter*innen für die Umgestaltung der arabischen Staaten auf sozialistische Weise verbunden sein. Die arabischen Herrscher*innen, mit denen die PLO-Führer*innen freundschaftlich verkehren, haben Angst vor der Schaffung eines revolutionären palästinensischen Staates. Gleichzeitig würde ein solches Programm die israelischen Arbeiter*innen ansprechen und eine Grundlage für die Klasseneinheit zwischen arabischen und jüdischen Arbeiter*innen schaffen, ein wesentlicher Bestandteil einer sozialistischen Lösung der grotesken Widersprüche in der Region.
Die iranische Revolution
Neben der Festung Israel bauten die Vereinigten Staaten und Großbritannien auch die Macht des Schahs des Iran aus, eine Politik, die mit voller Wucht nach hinten losging. Der revolutionäre Sturz des Polizeistaats des Schahs im Jahr 1979 löste in der ganzen Region Erschütterungen aus. Der anschließende Krieg zwischen dem Iran und dem Irak führte schließlich dazu, dass die Vereinigten Staaten den Irak unterstützten und so zum Aufbau der Militärmaschinerie von Saddam Hussein beitrugen.
Der Schah des Iran, Mohammad Reza [Pahlewi], war ein bonapartistischer Diktator, der seine Polizeiherrschaft mit dem falschen Mantel einer königlichen Dynastie legitimierte. Die Vereinigten Staaten stellten seine persönliche Herrschaft wieder her und stärkten sie, nachdem sie 1951 interveniert hatten, um einen Staatsstreich gegen die Regierung von Mohammad Mossadegh zu inszenieren, einem führenden nationalistischen Politiker, der unter dem Druck der Massenunterstützung die britischen und amerikanischen Ölinteressen verstaatlicht hatte.
Während der gesamten 1970er Jahre bauten die USA und Großbritannien das Regime des Schahs weiter auf, damit in ihrem Namen als Regionalpolizist handele. Der Schah gab sich jedoch nicht damit zufrieden, nur ein Handlanger zu sein, und entwickelte seine eigenen Ambitionen, die Rolle einer regionalen Supermacht zu spielen. In den Jahren 1973-74 trat der Schah zudem als einer der Radikalen der OPEC auf und forderte einen höheren Ölpreis. Die massive industrielle Entwicklung im Iran führte außerdem zu einer wachsenden Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den großen Wohlstandsunterschieden, die sich auftaten. Das Wachstum der Schwerindustrie führte zum Entstehen einer Arbeiter*innenklasse, die zunehmend auf Veränderungen drängte. Unter dem Druck der USA unternahm der Schah halbherzige Versuche, Reformen von oben durchzuführen, um eine Revolution von unten zu verhindern. Im Jahr 1979 wurde sein verrottetes Regime von einer Flutwelle der Revolution hinweggefegt. Der repressive Staatsapparat hing in der Luft, die Armee zerbrach, und die Macht ging auf die Straße über. Die Arbeiter*innenklasse, insbesondere die Ölarbeiter*innen in der südlichen Provinz Arabistan, spielte eine Schlüsselrolle beim Sturz des Regimes.
Der Arbeiter*innenklasse fehlte jedoch eine unabhängige, sozialistische Führung. Die führenden Vertreter*innen der Kommunistischen Partei des Iran im Untergrund, der Tudeh, liefen den liberal-nationalistischen kapitalistischen Politiker*innen der Nationalen Front hinterher, die keine wirkliche Basis hatten,. Aufgrund des Bankrotts der KP-Führungen und der Schwäche der liberal-demokratischen Organisationen hatte sich der Widerstand gegen die Diktatur des Schahs über Jahre hinweg in den Moscheen entwickelt. Im Jahr 1979 wurde die Führung der revolutionären Bewegung von den Mullahs ergriffen, was zur Entstehung der Islamischen Republik führte.
Die iranische Revolution hatte also einen widersprüchlichen Charakter. Die Führung lag in den Händen von Khomeini und seinen radikal-islamischen Verbündeten, die rücksichtslos alle ihre Gegner*innen auslöschten und jede unabhängige Bewegung der Arbeiter*innenklasse unterdrückten. Auf der anderen Seite enteigneten sie das Eigentum des Schahs und seiner Herrscher*innenclique und verabschiedeten Reformen zugunsten der Armen, insbesondere Subventionen für Lebensmittel und Mieten.
Vor allem aber versetzte die iranische Revolution, trotz ihres verzerrten Charakters, dem US-Imperialismus einen verheerenden Schlag. Im Jahr 1979 nutzten die radikalen Islamist*innen den tief verwurzelten Hass auf die amerikanischen Geldgeber des Schahs, indem sie die bei der Besetzung der US-Botschaft gekidnappten Geiseln als Druckmittel einsetzten, um die liberal-kapitalistischen Politiker*innen zu stürzen und ihre eigene Machtposition zu festigen. Die 444 Tage dauernde Geiselkrise führte der Welt die Ohnmacht der amerikanischen Macht vor Augen. Dies wurde durch die katastrophale militärische Rettungsmission Präsident Carters unterstrichen, die in der Tabas-Wüste mit dem Tod von acht amerikanischen Kommandosoldaten abgebrochen werden musste.
Die islamische Republik, für die das Schah-Regime den Boden bereitet hatte, stellte eine ernste Bedrohung für den wackeligen wirtschaftlichen und militärischen Rahmen dar, den die Vereinigten Staaten dem Nahen Osten auferlegt hatten. Khomeini verpflichtete sein Regime, den islamischen Radikalismus in die gesamte Region zu exportieren. Dies bedrohte insbesondere die Stabilität von Regimen wie Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten mit schiitischen Minderheiten. Die iranische islamische Republik stützte sich auf den schiitischen (im Gegensatz zum sunnitischen) Zweig des Islams und war möglicherweise für die schiitischen Minderheiten in den anderen arabischen Staaten attraktiv – einschließlich des Iraks, wo die Schiit*innen mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. In jedem Fall waren der iranische und der irakische Staat seit langem Konkurrenten um die regionale Vorherrschaft.
Kapitel 4. Der iranisch-irakische Krieg und der Einmarsch in Kuwait
Der Krieg zwischen dem Iran und dem Irak
Im September 1980 zerriss Saddam einseitig das Algier-Abkommen aus dem Jahr 1975, das die langjährigen Streitigkeiten zwischen dem Iran und dem Irak über ihre Grenze, insbesondere über die Wasserstraße Schatt al-Arab, die den Zugang zum Golf ermöglicht, beigelegt hatte.
Das Abkommen von 1975, das von den Vereinigten Staaten und Großbritannien unterstützt und vom Irak unter dem Druck einer vom Iran unterstützten kurdischen Revolte unterzeichnet wurde, war für das irakische Regime seit langem ein Ärgernis. Der Einmarsch in den Iran zielte daher auf die Aufhebung des Abkommens ab, ging aber darüber hinaus. Saddam hoffte zweifellos, durch einen militärischen Sieg den Zusammenbruch des Khomeini-Regimes herbeiführen zu können, was die Aussicht auf die Annexion der überwiegend arabischen Provinz Chuzestan (Arabistan) eröffnete und den Irak zur dominierenden Macht in der Region machte.
Dieser Krieg zwischen zwei halbkolonialen Ländern, deren Regime ihre regionalen Ambitionen auf Kosten ihrer Völker verfolgten, erwies sich als der längste und zerstörerischste Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg. Beide Seiten waren von den Westmächten schwer bewaffnet worden und suchten einander mit ihren technologischen Waffen heim. Der achtjährige Konflikt war vor allem ein blutiger Abnutzungskrieg. Seine abwechselnden Vorstöße und Rückzüge erinnerten an die Grausamkeit der Schützengräben des Ersten Weltkriegs.
In der ersten Phase des Krieges begnügte sich der US-Imperialismus (dem Großbritannien folgte) damit, beiseite zu stehen und darauf zu warten, dass sich beide Seiten in gegenseitiger Zerstörung erschöpften. Die USA wollten die Islamische Republik zermürben, hatten aber kein besonderes Interesse daran, den Irak zu stärken. Als sich der Krieg jedoch in die Länge zog und der Iran drohte, als Reaktion auf irakische Luftangriffe auf seine Ölterminals den Golf zu schließen, begannen die USA zu befürchten, dass der lebenswichtige Ölfluss unterbrochen werden würde. Die USA begannen, dem Irak immer mehr Unterstützung zu gewähren. Im Jahr 1987 bat Kuwait (dessen Tanker von den Iraner*innen angegriffen wurden) die USA zu intervenieren. Die US-Marine wurde zusammen mit britischen und französischen Kriegsschiffen in den Golf entsandt – in Wirklichkeit, um den Irak gegen den Iran zu unterstützen. Dies wurde durch die UN-Resolution 598 legitimiert, die die USA nach sieben Jahren Krieg durchgehen ließen. Während die iranische Wirtschaft durch das westliche Ölembargo stranguliert wurde, wurde die irakische Kriegswirtschaft durch die fast unbegrenzte Verfügbarkeit westlicher Kredite gestärkt. Vertreter*innen des amerikanischen Imperialismus begründeten die Unterstützung für Saddams Regime damit, dass dieser nun seine radikale Politik aufgegeben und sich auf ein Abkommen mit Saudi-Arabien und Kuwait (die seine Kriegsanstrengungen finanzierten) eingelassen habe. Saddam war nun auch bereit, Gespräche mit Ägypten und Jordanien aufzunehmen, die zuvor aufgrund der Camp-David-Gespräche, die die Tür zur ägyptischen Anerkennung Israels öffneten, geächtet waren. Washington begrüßte auch die Entscheidung Saddams, große Teile des staatlichen Sektors und der staatlichen Landwirtschaftsbetriebe zu privatisieren. Zusammen mit Großbritannien, Frankreich, Westdeutschland und anderen westlichen Ländern begannen die Vereinigten Staaten, den Irak mit modernsten Waffen zu versorgen. Washington drückte beim Einsatz chemischer Waffen gegen die Kurd*innen die Augen zu. Sie ignorierten sogar den versehentlichen Raketenangriff eines irakischen Kampfflugzeugs auf das US-Kriegsschiff Stark. Saddam konnte nichts falsch machen, solange er den unmittelbaren Interessen des amerikanischen Imperialismus in der Region diente.
Die USA stolpern in den Krieg
Die USA und andere westliche Mächte bauten nicht nur den massiven irakischen Militärapparat auf, sondern Washington schien in der Folge auch grünes Licht für Saddams eigene regionale Ambitionen zu geben. Erst als Saddam im August 1990 in Kuwait einmarschierte, wurde den führenden Politiker*innen des US-Imperialismus die grundlegende militärische Bedrohung für ihre Macht und ihr Ansehen bewusst. Der US-Imperialismus stolperte in den Krieg.
Anfang 1990 warnten hochrangige Beamt*innen des US State Departments (Außenministeriums), die für die Politik im Nahen Osten zuständig waren, Bush, dass Saddam sich auf einen möglichen Militärschlag gegen Israel oder einen Konflikt mit Kuwait oder möglicherweise beides vorbereite. April Glaspie, die US-Botschafterin im Bagdad, stand jedoch immer noch unter dem Eindruck, dass „der Wunsch besteht, zu sehen, ob wir die Beziehungen in irgendeiner Weise verbessern können“.
Am 2. April 1990 hielt Saddam eine Rede, in der er drohte, „halb Israel zu verbrennen“. Das State Department schlug daraufhin Sanktionen gegen den Irak vor, einschließlich der Streichung von US-Export-Import-Bankkrediten und Krediten für irakische Käufe von US-Getreide. Viele Kongressabgeordnete aus den Getreidestaaten und das Handelsministerium „beschwerten sich jedoch, dass die Kürzung der Ex-In-Kredite den US-Unternehmen schaden würde. Beamte argumentierten auch, dass die Beendigung der Warenkredite den US-Reisbauern schaden würde.“ („Wall Street Journal“, 2. Oktober 1990) Die Gier der Kapitalist*innen nach schnellen Profiten trübte das Denken ihrer politischen Vertreter*innen. Noch im Juni (so ein Washingtoner Diplomat) „sahen viele US-Beamte den Irak vor allem als einen starken Markt für amerikanische Produkte – und als eines der wenigen verbliebenen Nationen, in denen die US-Technologie der japanischen vorgezogen wird“. („Wall Street Journal“) Die halbherzigen Sanktionen wurden erst am 27. Juli umgesetzt.
Inzwischen hatte Glaspie in Bagdad ein Treffen mit Saddam Hussein. Nach Angaben des „Wall Street Journal“, das eine Zusammenfassung des Gesprächs zitiert, sagte Glaspie zu Hussein, dass „der Präsident persönlich die Beziehungen zum Irak ausbauen und vertiefen möchte“. Über den Streit mit Kuwait sagte sie: „Wir haben nicht viel zu Ihren arabisch-arabischen Differenzen zu sagen, wie z.B. Ihre Grenzstreitigkeiten mit Kuwait.“ Mitte Juli warnte die Central Intelligence Agency das Weiße Haus, dass die irakischen Truppen entlang der Grenze zu Kuwait in Massen mobilisiert würden und dass eine Invasion wahrscheinlich innerhalb einer Woche bevorstehe. Dennoch erklärte ein hoher Beamter des State Departments (Kelly) am 31. Juli vor einem Unterausschuss des Repräsentantenhauses für auswärtige Angelegenheiten, dass „wir es seit jeher vermieden haben, zu Grenzstreitigkeiten Stellung zu nehmen“. Zwei Tage später marschierte Saddam in Kuwait ein. Die Besetzung bündelte die Köpfe der führenden Politiker*innen des US-Imperialismus. Ein lokaler arabisch-arabischer Streit, zu dem sie „nicht viel zu sagen“ hatten, wurde zu einer Herausforderung für die Macht und das Prestige des US-Imperialismus. Ein kleines Problem, das zu wenig Bedeutung hatte, um eine klare und konsequente Politik Washingtons zu erfordern, löste die größte Mobilisierung von Streitkräften seit 1945 aus.
Thatcher trug kurz vor ihrer Entfernung als Premierministerin dazu bei, Bush zu einer größeren Mobilisierung zu drängen. Bei einem Treffen mit Bush anlässlich ihres Vortrags in Aspen, Colorado, drängte Thatcher Bush, die Idee von Verhandlungen zu vergessen und sofort einen Krieg zur Zerstörung von Saddams Regime zu beginnen.
Irak und Kuwait
Bush zufolge ist der Krieg gegen den Irak durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, das Völkerrecht zu wahren und Aggression zu bestrafen. Dies ist, wie wir gezeigt haben, völlig heuchlerisch. Das wahre Motiv ist die Verteidigung von Macht und Profit. Die führenden Labour-Politiker*innen haben dazu beigetragen, die wahren Kriegsziele des Imperialismus hinter dem Deckmantel der Vereinten Nationen zu verbergen. Dennoch gibt es viele Arbeiter*innen, die fragen werden: „Tun die USA und Großbritannien den arabischen Arbeiter*innen nicht einen Gefallen, indem sie einen gefährlichen Unterdrücker beseitigen?“ Unter den Arbeiter*innen in Großbritannien und den USA gibt es keine Unterstützung für Saddams totalitären Staat, und es gibt Entsetzen bei der Vorstellung, dass Saddam chemische und biologische Waffen einsetzen könnte. Viele Arbeiter*innen sympathisieren mit der Idee, dass die Beseitigung Saddams die Aufgabe der irakischen Arbeiter*innen ist. Aber im Moment, so sagen sie, scheint es keine Aussicht zu geben, dass das Regime durch eine Bewegung innerhalb des Irak gestürzt werden könne.
Auf der anderer Seite gibt es einige Stimmen – eine winzige Minderheit, das stimmt -, die dafür plädieren, dass Saddam unterstützt werden sollte. Die irakische Invasion in Kuwait, argumentieren sie, sei ein fortschrittlicher Schritt, denn sie bedeute den Sturz des reaktionären al-Sabah-Regimes und sei ein Schritt zur Einigung der arabischen Völker. Einige haben sogar behauptet, dass Saddams Irak ein sozialistischer Staat sei und daher Unterstützung verdiene.
Kapitel 5. Der irakische Staat und die nationale Frage
Eine sozialistische Position zum Krieg
Marxist*innen können die Saddam-Diktatur in keiner Weise unterstützen. Das heißt aber nicht, dass wir die militärische Intervention der Westmächte, die die Interessen des Imperialismus verteidigen soll, in irgendeiner Weise unterstützen können. Das Ziel der USA ist eindeutig die Zerschlagung Saddams und nicht nur die Rückeroberung Kuwaits. Aber das irakische Regime ist eine Frage für das irakische Volk. Eine militärische Invasion zur Zerstörung des Regimes wird unweigerlich zu einem Krieg gegen das irakische Volk. Auf einen Sieg der USA werden Manöver Washingtons folgen, die darauf abzielen, ein „freundliches“ Regime zu installieren, höchstwahrscheinlich eine prowestliche Diktatur, die nach dem Krieg für „Recht und Ordnung“ sorgen wird. Ein militärischer Erfolg und die Einrichtung ständiger US-Garnisonen in Kuwait und anderswo würden die Hand des Imperialismus vorübergehend stärken. Die USA werden als Folge des Krieges einen Wirbelsturm von Umwälzungen ernten, aber die Zerschlagung des Irak könnte den Imperialismus eine Zeit lang in eine stärkere Position versetzen, andere antikapitalistische Bewegungen in der Region zu zerschlagen. Eine militärische Niederlage der USA – auch wenn sie angesichts des bestehenden Kräfteverhältnisses unwahrscheinlich ist – wäre ein verheerender Schlag für den Imperialismus und würde der kolonialen Revolution einen großen Anstoß geben. Wer kann zum Beispiel bezweifeln, dass die Position der Palästinenser*innen bei einer Niederlage der USA gestärkt würde? Die Niederlage der USA in Vietnam hat, wie wir gezeigt haben, die Tür für weitere revolutionäre Veränderungen in den neokolonialen Ländern geöffnet.
Der Golfkrieg ist ein kolonialer Krieg, der vom Imperialismus geführt wird, um ein ausgebeutetes Volk niederzuwalzen und die teilweisen Errungenschaften einiger neokolonialer Staaten zurückzudrängen, die unter dem Druck der Massenbewegungen einige begrenzte Maßnahmen gegen den Imperialismus und die multinationalen Konzerne ergriffen haben. Deshalb können Marxist*innen, auch wenn sie Saddams Diktatur nicht unterstützen, nicht neutral bleiben. Wir unterstützen das irakische Volk gegen den Imperialismus.
„Aber was ist mit Kuwait?“, wird man fragen. Marxist*innen hätten den Einmarsch in Kuwait mit den Methoden Saddams nicht unterstützt. Die Aktion wurde von oben mit rein militärischen Mitteln durchgeführt und beinhaltete weder eine Mobilisierung der irakischen Massen noch einen Appell an die Arbeiter*innen Kuwaits, insbesondere die schwer ausgebeuteten eingewanderten Arbeiter*innen aus Palästina, Ägypten und dem asiatischen Subkontinent. Die irakischen Arbeiter*innen und Bäuer*innen, die keine unabhängigen demokratischen Gewerkschaften oder politischen Parteien haben, wurden unter rücksichtsloser Militärdisziplin in die Armee eingezogen. Die meisten der eingewanderten Arbeiter*innen waren gezwungen, aus Kuwait zu fliehen, und der Verlust ihrer Überweisungen wird Tausende von armen Familien in Ägypten, Palästina und anderen arabischen Ländern treffen.
Dennoch muss man anerkennen, dass Saddams Vorgehen bei den arabischen Völkern Massenunterstützung hervorgerufen hat. Die opulente und korrupte al-Sabah-Elite in Kuwait ist, ebenso wie die entsprechenden Herrscher*innen in Saudi-Arabien und den anderen Golfstaaten, in der gesamten arabischen Welt verhasst. Große Teile der arabischen Massen, wahrscheinlich die große Mehrheit, sehen in der Annexion Kuwaits einen Schritt zu größerer arabischer Einheit. (Auf die Frage des Selbstbestimmungsrechts der Kuwaitis werden wir später zurückkommen.) Vor allem aber wird Saddams Schritt als Schlag gegen den US-Imperialismus, den Unterstützer des Staates Israel und Unterdrücker der Palästinenser*innen, begrüßt.
Leider kann Saddam unter Verwendung der Methoden des militärischen Bonapartismus nicht den Sieg gegen die bewaffnete Macht der USA sicherstellen. Eine revolutionäre Mobilisierung hätte nicht nur die al-Sabahs, sondern reaktionäre Herrscher*innen in der gesamten Region hinwegfegen können. So wie es steht, wird das irakische Volk wahrscheinlich einen hohen Preis für Saddams Politik zahlen.
Die Behauptung, der baathistische Staat sei sozialistisch, ist falsch. Abgesehen von der Frage der Demokratie, die ein wesentlicher Bestandteil des Sozialismus ist, basiert die irakische Wirtschaft trotz der großen Rolle, die der Staat in der Wirtschaft spielt, nicht auf dem gesellschaftlichen Eigentum an den Produktionsmitteln und auf Planung. Das Regime Saddams ist ein bonapartistischer Staat, der im Rahmen des Kapitalismus bleibt. Unter dem Druck der Massen hat Saddam, wie vor ihm Qasim, Maßnahmen gegen die westlichen Ölgesellschaften und die internationalen Großkonzerne ergriffen, Schläge gegen den Imperialismus, die Marxist*innen unterstützen. Anders als Bush – der von einem Chor von führenden Labour-Politiker*innen unterstützt wird – stützen sich die Marxist*innen nicht auf moralistische Slogans (Saddam ist ein „neuer Hitler“, ein „böser Diktator“ usw.), sondern analysieren den Charakter des Irak und seine Position in den Weltbeziehungen.
Der Charakter des irakischen Staates
Seit seiner Unabhängigkeit fügt sich der irakische Staat in das Muster der Militär- und Polizeidiktaturen ein, die in der Nachkriegszeit überall in den unterentwickelten Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens entstanden sind. Weit davon entfernt, dem Geist des Kapitalismus fremd zu sein, wurden sie in der Regel von den westlichen Mächten unterstützt, solange sie den multinationalen Konzernen ihre Türen öffneten und Washingtons Linie folgten. Pinochet in Chile, Mobutu in Zaire, Zia in Pakistan – die Beispiele ließen sich endlos fortsetzen. Allein die Existenz solcher Regime spiegelt die tiefgreifende Krise des Kapitalismus wider. Der wirtschaftliche Aufschwung im Westen nach 1950 wurde von einer anhaltenden Krise in den neokolonialen Ländern begleitet, deren billige Rohstoffe und geschundene Arbeitskräfte die Profite der Großkonzerne in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern in die Höhe trieben. Die westlichen Mächte unterstützten konsequent die Großgrundbesitzer*innen, Kaufleute, Bürokrat*innen und Militärs, die sich grundlegenden Veränderungen oder gar einer größeren sozialen Gleichheit widersetzten. Auf der Grundlage der Anarchie des kapitalistischen Weltmarkts waren die meisten neokolonialen Länder nicht in der Lage, ihre Bevölkerung zu ernähren, einen angemessenen Wohn- und Gesundheitsstandard aufrechtzuerhalten oder den Lebensstandard der Massen anzuheben. Unter solchen Bedingungen, mit einer Kluft zwischen den Klassen und einer permanenten sozialen Krise, waren Regierungen, die auf parlamentarischen Institutionen basierten, eher seltene und flüchtige Ausnahmen als die Regel. Der Irak ist keine Ausnahme. Jetzt, wo er von Saddams Militärdiktatur herausgefordert wird, zahlt der Imperialismus einen Teil des Preises für die jahrzehntelange Ausbeutung und Intervention im Nahen Osten.
Der Imperialismus, früher unter Führung Großbritanniens und Frankreichs, heute unter Führung der USA, hat häufig im Irak interveniert. Heute lassen sich Bush und Major über die Verteidigung der Demokratie und die Befreiung Kuwaits aus. Aber die Imperien-Erbauer haben nie die Demokratie oder die nationale Selbstbestimmung im Irak oder in den Nachbarstaaten unterstützt. Sie waren immer bereit, die Bewegungen der Unterdrückten zu unterdrücken und nationale Bestrebungen niederzustampfen. Ihre Politik bestand stets darin, Marionetten zu stützen, die zwar ihr eigenes Volk in Ketten halten, aber vor London, Paris oder Washington einen Kotau machen würden.
Unter dem Einfluss des Ersten Weltkriegs (1914-18) brach das Osmanische (Türkische) Reich, das den größten Teil des Nahen Ostens umfasste, zusammen. Trotz ihrer Unterstützung für US-Präsident Wilsons „Vierzehn Punkte“, die kleinen Nationen das Recht auf Selbstbestimmung zusicherten, teilten Großbritannien und Frankreich die Region auf. Die Kolonialherren ignorierten die Bestrebungen der arabischen Völker, die nach Selbstbestimmung verlangten und Schritte in Richtung einer einheitlichen arabischen Nation zu fordern begannen, und zogen willkürlich Linien auf der Landkarte. Sowohl der Irak als auch Kuwait waren künstliche Schöpfungen des Imperialismus. Im Jahr 1921 setzte Großbritannien König Faisal auf undemokratische Weise im Irak ein. „Was wir wollen“, schrieb ein Beamter des Außenministeriums, „ist ein König, der sich damit begnügt, zu herrschen, aber nicht zu regieren“ – mit anderen Worten, eine arabische Marionette, die von Großbritannien kontrolliert wird. Von da an bis zum Sturz der Monarchie im Jahr 1958 schaltete sich Großbritannien immer wieder ein, um seine Handlanger zu schützen und Proteste der Massen zu unterdrücken.
Angesichts der Massenstreiks und -demonstrationen war Großbritannien gezwungen, dem Irak 1932 die „Unabhängigkeit“ zu gewähren. Die Grenzen wurden von einem der höchsten britischen Beamten, Sir Arthur Herzl, abgesteckt. Er sagte, dass es nun „eine Verwaltung mit arabischen Institutionen geben würde, die wir getrost verlassen können, während wir selbst die Fäden ziehen: etwas, das nicht viel kosten wird … aber unter dem unsere wirtschaftlichen und politischen Interessen sicher sein werden.“ Der britische Kapitalismus wollte natürlich die Kontrolle über das irakische Öl, das als Treibstoff für die Kriegsschiffe des Imperien-Erbauers unerlässlich war. An der Abneigung gegen die Fremdherrschaft entzündete Opposition gegen die geldgierigen Großgrundbesitzer*innen, Kaufleute und Bürokrat*innen, mit denen sich der britische Imperialismus verbündet hatte, rief viele heroische Bewegungen der irakischen Bäuer*innen, Tagelöhner*innen und städtischen Arbeiter*innen hervor. Die britische herrschende Klasse, die für ihre kalte Grausamkeit in den Kolonien berüchtigt ist, zögerte nicht, die brutalste und blutigste Gewalt anzuwenden, um Streikbewegungen und Aufstände niederzuschlagen.
Im Jahr 1958 wurde die verfaulte Monarchie durch einen Militärputsch gestürzt, der General Qasim an die Macht brachte. Qasim war selbst ein bonapartistischer Diktator. Dennoch spiegelte seine „Revolution“ den enormen Druck der Massen, ihre Forderung nach einer Landreform, wirtschaftlichem Fortschritt und einem besseren Lebensstandard wider. Qasim stützte sich auf die irakische kommunistische Partei, die sich seit ihrer Gründung im Jahr 1934 zu einer starken politischen Kraft entwickelt hatte. Leider folgten ihre Führer*innen auf Schritt und Tritt der Linie Moskaus. Ihre Politik spiegelte die engen nationalistischen Interessen der herrschenden Bürokratie der Sowjetunion wider, nicht die Bedürfnisse der irakischen Arbeiter*innenklasse. Anstatt dafür zu kämpfen, dass die irakischen Arbeiter*innen und Bäuer*innen ihre eigene Regierung einsetzen, um eine sozialistische Veränderung der Gesellschaft durchzusetzen, verfolgten die führenden Politiker*innen der irakischen Kommunistischen Partei eine Politik der Koalition mit anderen nationalistischen, kapitalistischen Parteien. In einer entscheidenden Phase stellten sie sich auf die Seite von General Qasim und ordneten die Arbeiter*innenbewegung einem gefährlichen bonapartistischen Anführer unter. Dies ebnete den Weg für eine heftige Reaktion gegen die Irakische Kommunistische Partei, als Qasim gestürzt wurde.
Unter dem Druck der Massen ergriff Qasim teilweise Maßnahmen gegen die Großgrundbesitzer*innen, gegen die ausländische Beherrschung der irakischen Wirtschaft, insbesondere des Erdöls, und begann, die dominierende Rolle des Imperialismus in der Region herauszufordern. Die Vereinigten Staaten, inzwischen die wichtigste Macht in der Region, unterstützten einen Rechtsputsch, der von Armeeoffizieren angeführt wurde, die mit der Baath-Partei verbündet waren. Mit anderen Worten, der US-Imperialismus verhalf genau dem Regime an die Macht, dem Saddam Hussein heute vorsteht. Nach Angaben von König Hussein von Jordanien hat der US-Geheimdienst Central Intelligence Agency mit den Baathist*innen zusammengearbeitet und ihnen Dossiers über die Mitglieder der irakischen kommunistischen Partei übergeben. Insgesamt wurden 5.000 Mitglieder der Kommunistischen Partei verhaftet, gefoltert und von den Baathist*innen getötet.
Obwohl die Baathist*innen im November 1963 gestürzt wurden, kehrten sie 1968 durch einen weiteren Staatsstreich an die Macht zurück, der von extrem rechten Offizieren angeführt wurde. An der Spitze des Regimes stand General Hassan al-Bakr, der mit dem rechtsextremen Flügel der Baath-Partei verbunden war. Im Jahr 1979 löste Saddam Hussein al-Bakr als Präsident des Irak und Vorsitzender des Revolutionären Kommandorates ab. Das Baath-Regime war von Anfang an eine repressive Diktatur, die für Hunderttausende von Toten verantwortlich war. Saddam markierte seine eigene Machtübernahme mit einer Säuberungsaktion gegen seine Rival*innen und jeden, der seine Herrschaft in Frage stellen könnte. Im Jahr 1974 startete er eine rücksichtslose Offensive gegen das kurdische Volk. In den Jahren 1976/7 verhaftete das Regime Dutzende von Mitgliedern der irakischen kommunistischen Partei, von denen viele gefoltert und ermordet wurden. Im Jahr 1977 schlug das Regime religiöse Unruhen rücksichtslos nieder. Die Wahlen, zu denen Saddam aufrief, um seine Führung zu bestätigen, waren eine dünne Tarnung für seine persönliche Diktatur. Alle Kandidat*innen wurden überprüft, und ernsthafte Herausforder*innen, wie die Irakische Kommunistische Partei, wurden ausgeschlossen. Saddam konzentrierte die Macht mehr und mehr in den Händen einiger weniger Verwandter und Gefolgsleute aus seinem Heimatregion in Tikrit.
Der brutale, diktatorische Charakter von Saddams Regime ist keine neue Entwicklung. Sein wahrer Charakter war in Washington und Whitehall bekannt. Die westlichen Mächte verschlossen die Augen vor Saddams Gräueltaten, als sie ihn als das „kleinere Übel“ im Vergleich zum Iran nach der Revolution von 1979 betrachteten.
„Sozialismus“ zusammen mit „Einheit“ und „Freiheit“ sind die Slogans der Baath-Partei. In Wirklichkeit ist die Baath-Partei jedoch eine Partei der irakischen Elite. Sozialistische Phrasen werden verwendet, um die unzufriedenen Massen anzusprechen, aber die Politik des Baathismus spiegelt die Bestrebungen der irakischen Kapitalist*innen und der Mittelschicht wider, die wirtschaftliche Entwicklung und nationale Unabhängigkeit als Voraussetzung für ihren eigenen Reichtum und Wohlstand sehen. Der Baathismus tritt für den „Panarabismus“ ein und appelliert an den Wunsch der arabischen Völker nach einer einzigen Nation, die von Marokko bis zum Irak reicht. In der Praxis spiegelt der Panarabismus der irakischen Baath-Parteiführung das Bestreben wider, in der arabischen Welt eine dominierende Rolle zu spielen. Nach der Revolution in Syrien im Jahr 1966 spalteten sich die irakischen Baathist*innen beispielsweise von der in Damaskus regierenden Baath-Partei ab, obwohl sie formal zwei Flügel einer einzigen Partei waren.
Die irakische Wirtschaft
Der Staat spielte unter baathistischer Kontrolle die vorherrschende Rolle beim Wachstum der irakischen Wirtschaft, allerdings im Sinne von Staatsintervention und nicht von Sozialismus. Der Irak folgte demselben Weg wie Nasser in Ägypten in den 1950er Jahren und trieb den Prozess sogar noch weiter voran. Die Ölproduktion die ab den 1960er Jahren rasch anstieg, verlieh dem Staat eine außergewöhnliche Unabhängigkeit. Die in ausländischem Eigentum befindliche Iraqi Petroleum Company wurde 1972 verstaatlicht. Der OPEC-Preisanstieg von 1973 brachte dann eine Verdoppelung des BSP in einem einzigen Jahr und einer weiteren Verdreifachung in den folgenden zwei Jahren. Das Regime hatte bereits 1964 die Banken und den Außenhandel verstaatlicht.
Die Öleinnahmen ermöglichten dem Staat den Aufbau von Schwerindustrieanlagen auf der Grundlage importierter Erzeugnisse und die Durchführung von Bau-, Verkehrs- und anderen Projekten, die weit über die Möglichkeiten der einheimischen Kapitalist*innen hinausgingen. Die staatlichen Projekte verdrängten jedoch nicht das Privatkapital, sondern verschafften dem Privatsektor lukrative Aufträge, die einen stetigen Strom massiver Profite eröffneten. Es überrascht nicht, dass die Familie und die Günstlinge des herrschenden Zirkels den Löwenanteil davon abbekommen haben. Seit 1987 gab es zudem eine Politik der Privatisierung von Staatsunternehmen, die einen größeren Teil der Wirtschaft in die Hände irakischer Kapitalist*innen gibt. Die Ausweitung der bürokratischen Arbeitsplätze im Staatsapparat hat einem großen Teil der Mittelschicht Gehälter verschafft und der Baath-Führung eine gewisse Basis an Unterstützung verschafft.
Gleichzeitig ermöglichten es die Öleinnahmen dem Regime, die Beschäftigung von Arbeiter*innen auszuweiten, Lebensmittel und Mieten zu subventionieren und kostenlose Bildungs- und Sozialleistungen anzubieten. Das Wachstum des Erdöls und der staatlich geförderten Industrieprojekte führte zweifellos zu einer allgemeinen Verbesserung des Lebensstandards der Arbeiter*innen. Die Verstärkung des staatlichen Sicherheitsapparats wurde durch Maßnahmen ergänzt, mit denen die Forderungen der rasch wachsenden irakischen Arbeiter*innenklasse aufgefangen werden sollten.
Die Verstaatlichung der ausländischen Ölinteressen brachte das Baath-Regime trotz seiner rechtsnationalen Einstellung in Konflikt mit dem Westen. Wie schon unter Qasim schauten die Baath-Chef*innen in Richtung Sowjetunion wegen wirtschaftlicher und militärischer Unterstützung und versuchten, die Supermächte und die arabischen Regime gegeneinander auszuspielen. Die herrschende Bürokratie in der UdSSR hat stets versucht, ihre Beziehungen zum Irak als strategischer Einflusspunkt in der Region aufrechtzuerhalten, trotz der zahlreichen Wendungen in Saddams Außenpolitik und der regelmäßigen Unterdrückung der irakischen kommunistischen Partei. Unter Gorbatschow hat der Kreml jedoch gezeigt, dass er nicht mehr bereit ist, den Irak (oder Syrien, das sich der US-Allianz gegen den Irak angeschlossen hat) militärisch zu unterstützen. Die Wirtschaftskrise in der UdSSR hat ihren früheren Versuch, eine internationale militärische Rolle zu spielen, untergraben. Das Aufgeben der über viele Jahre hinweg aufgebauten Irak-Verbindung ist einer der Vorwürfe, die die Hardliner unter den Militärbürokraten gegen Gorbatschow erheben.
Der Weg in den Krieg
Der Sieg Saddams im Krieg gegen den Iran hat die wirtschaftlichen Probleme des Landes vervielfacht und die sozialen Spannungen verschärft, anstatt die Lage im Irak zu verbessern. Man schätzt, dass über 100.000 Iraker*innen im Krieg getötet und viermal so viele verletzt wurden. Nach acht Jahren Kürzungspolitik hoffte das kriegsmüde Volk zweifellos auf eine Zeit des Friedens und des Wohlstands. Stattdessen verschlechterte sich die Lage, und Saddam verlangte von den Arbeiter*innen noch größere Opfer.
Der Krieg hat die Wirtschaft trotz der Öleinnahmen massiv belastet. Eine Studie hat die Gesamtkosten des Krieges für den Irak auf 452,6 Milliarden Dollar berechnet, basierend auf einer Kombination aus „Schäden an der Infrastruktur, geschätzten Öleinnahmeverlusten und geschätzten BSP-Verlusten“. Das Regime finanzierte den Krieg größtenteils durch Kredite, die eine enorme Schuldenlast hinterließen. Der „World Review“, 1990, schätzt, dass der Irak 1988 der OECD und anderen nicht-arabischen Ländern 40 Mrd. $ schuldete. Dies bedeutet Zinszahlungen in Höhe von etwa 5 Mrd. $, ein Betrag, der den geschätzten jährlichen Kosten für die Behebung der Kriegsschäden entspricht. Der Irak schuldet auch Saudi-Arabien, Kuwait und anderen arabischen Staaten schätzungsweise 40 Milliarden Dollar, die Saddam als „Zuschüsse“ betrachtet und offensichtlich nicht zurückzahlen will. Es gibt auch keine große Chance, dass der Irak die von der UdSSR im Laufe des Krieges geliehenen 10 Milliarden Dollar zurückzahlen wird.
Die irakische Wirtschaft wuchs während des Krieges zwar weiterhin recht schnell, doch beruhte dies hauptsächlich auf vom Staat unternommenen militärisch-industriellen Projekten. Die privaten Auftragnehmer und Mittelsmänner, die von den lukrativen staatlichen Aufträgen enorm profitierten, strebten nach kurzfristigen Profiten. Ihr mangelndes Vertrauen in die längerfristigen Aussichten der irakischen Wirtschaft zeigte sich darin, dass sie ihre Profite auf ausländischen Bankkonten versteckten. „Der Wert des von Irakern im Ausland gehaltenen Privatkapitals wird von einigen Analysten auf sagenhafte 60 Milliarden Dollar geschätzt…“ (The World Review, 1990) Wie in anderen Ländern, in denen den Marktkräften freier Lauf gelassen wurde, wurden die Armen noch ärmer. Während die Regierung gezwungen war, die Lebensmittelsubventionen fortzusetzen (750 Millionen Dollar im Jahr 1989), wurden die Ausgaben für Soziales, Bildung und Gesundheit gekürzt. Im Jahr 1990 stieg die Inflation auf 45%.
Die wirtschaftlichen Probleme des Regimes wurden durch den Rückgang der Öleinnahmen, der Haupttriebfeder der irakischen Entwicklung, noch verschlimmert. Der Wert der irakischen Ölexporte sank von 26 Milliarden Dollar im Jahr 1980 auf nur noch 14 Milliarden Dollar im Jahr 1989. Darin spiegelt sich der Rückgang des Weltmarktpreises für Öl wider, der von einem Höchststand von rund 40 $ pro Barrel im Jahr 1982 auf 8 bis 18 $ pro Barrel in den Jahren 1986-87 sank. Dieser Rückgang war hauptsächlich das Ergebnis einer weltweiten Ölschwemme, die auf die Erschließung neuer Ölreserven in Alaska und der Nordsee sowie auf einen etwas sparsameren Umgang mit Öl in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern zurückzuführen war.
Der Fall des Ölpreises spiegelt jedoch auch eine Änderung der Politik einiger der arabischen Haupt-Ölproduzenten wider. Um die Öleinnahmen ihres Gegners, der islamischen Führung des Iran, zu schmälern, begannen Saudi-Arabien, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate und andere Golfproduzenten, ihre Ölproduktion zu erhöhen. Dies senkte den Preis, vergrößerte aber gleichzeitig ihren Marktanteil, ganz zu schweigen davon, dass sie sich bei den US-Kapitalist*innen einschmeichelten, die von den billigeren Öllieferungen profitierten.
Der Irak auf der anderen Seite hielt seine OPEC-Ausfuhrquote ein. Anfang 1990 setzte der Irak die Herrscher am Golf unter Druck, ihre Produktion zu drosseln und den Ölpreis von 18 auf 25 Dollar pro Barrel zu erhöhen. Die saudi-arabische Monarchie und der Emir von Kuwait weigerten sich, diese Politik zu akzeptieren. Saddam wärmte dann Ansprüche auf Teile Nord-Kuwaits auf, wozu auch das umstrittene Rumeila-Ölfeld gehört. Außerdem verlangte er Zugang zu den Inseln Bublyan und Warba, um dem Irak einen Tiefwasserankerplatz außerhalb der Wasserstraße Schatt al-Arab zu verschaffen. Als sich der Streit zuspitzte, prangerte der Irak Kuwait an, weil es angeblich die Rückzahlung einiger irakischer Kriegsschulden forderte. Darüber hinaus verlangte Saddam von Kuwait 2,4 Milliarden Dollar für aus dem Rumeila-Ölfeld entnommene Öl und 14 Milliarden Dollar von Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten als Entschädigung für die Überproduktion von Öl. Wie wir wissen, wurde die Ablehnung der Forderungen Saddams durch den Emir als Grund für den Krieg genommen.
Öl war der unmittelbare Grund für den Krieg. Aber Saddam wollte auch unbedingt in den Krieg ziehen, um den sich verschärfenden sozialen Spannungen im Irak zu entgehen. Der Krieg gegen den Iran erhöhte das Gewicht des Militärs, was eine potenzielle Gefahr für Saddams persönliche Herrschaft darstellte. Die Spitzenposten im Militär wurden neu besetzt, und erfolgreiche Militärkommandeure wurden in weniger prestigeträchtige Positionen versetzt. Die Macht konzentrierte sich noch stärker auf eine herrschende Clique, die fast ausschließlich aus Mitgliedern von Saddams eigener Großfamilie und langjährigen Günstlingen bestand.
Die Demobilisierung hätte ernsthafte politische Probleme aufgeworfen. Ein starker Anstieg der Arbeitslosigkeit noch vor Kriegsende hätte bei einer Demobilisierung der Armee zu schweren Unruhen führen können. Außerdem hatte Saddam kaum die Absicht, den während des Krieges aufgebauten Militärapparat abzubauen. Mehr als 5,4 Milliarden Dollar pro Jahr wurden für die Wiederaufrüstung bereitgestellt, verglichen mit 2,5 Milliarden Dollar für den zivilen Wiederaufbau. Nur das Drohen eines Krieges scheint solche Ausgaben zu rechtfertigen. Außerdem erwartet ein kriegsmüdes Volk in einer neuen Ära des Friedens die Rückkehr zum Wohlstand, eine Aussicht, die Saddam keineswegs garantieren konnte. Wie viele Bonapartist*innen vor ihm hat auch Saddam versucht, einen Ausweg im Krieg zu suchen.
Kuwait: ein koloniales Protektorat
Das Wort „Befreiung“ kommt Bush und Major nicht gerade leicht über die Lippen. Der Imperialismus hat nie echte nationale Befreiungsbewegungen unterstützt. Die „Befreiung“ Kuwaits würde die Wiederherstellung der Diktatur al-Sabahs bedeuten. Doch selbst im Falle Kuwaits haben die Imperialisten in der Vergangenheit eine zynische Verachtung für die Unabhängigkeit ihres Klienten-Ministaats an den Tag gelegt.
In den 1950er Jahren wurde der britische Imperialismus durch die Verstaatlichung des Suezkanals und andere Schritte Nassers gegen ausländische Interessen in Ägypten erschüttert. Der Nasserismus fand sogar ein Echo in Kuwait, und Großbritannien erwog mit Zustimmung der USA die Option, das Protektorat in eine Kronkolonie unter militärischer Besatzung zu verwandeln. Dies wird in offiziellen Dokumenten enthüllt, die kürzlich in „The Independent“ (13. September 1990) veröffentlicht wurden. Die USA, schrieb der britische Außenminister, „gehen davon aus, dass wir feste Maßnahmen ergreifen werden, um unsere Position in Kuwait zu halten … Sie nehmen an, dass wir auch Bahrain und Katar halten werden, komme was wolle. Sie stimmen zu, dass diese Ölfelder um jeden Preis in westlicher Hand bleiben müssen.“ In diesem Fall entschied Großbritannien, dass es eine „bessere Taktik“ sei, die Kontrolle mittels der al-Sabahs zu behalten, anstatt „physische Kontrolle auszuüben“. Eine Besetzung, so warnte der Außenminister, könnte einen Generalstreik der Ölarbeiter*innen und einen Aufstand der Nasserist*innen bedeuten. Jedoch, „wenn diese Alternative akzeptiert wird, müssen wir aber auch akzeptieren, dass wir, wenn die Dinge schief gehen, rücksichtslos eingreifen müssen, wer auch immer den Ärger verursacht hat“. Die rücksichtslose Intervention Saddams, auch um den durch die Überproduktion der al-Sabah begünstigten Verfall des Ölpreises zu stoppen, ist eine ganz andere Sache. Die Heuchelei von Bush und Co. ist offensichtlich. Aber welche Position sollte die internationale Arbeiter*innenbewegung einnehmen? Gehört Kuwait zu Recht zum Irak? Oder sollten wir den Rückzug des Irak fordern?
Erstens: Welches Licht wirft die Geschichte auf diese Frage? Kuwait ist in erster Linie eine Hafenstadt. Bis zur Entdeckung des Erdöls war das umliegende Gebiet ohne Bedeutung. Der Ursprung der Stadt wird gewöhnlich auf das frühe 18. Jahrhundert datiert, als die Utab-Abteilung des Anaiza-Stammes aus dem arabischen Hinterland ein obskures Fischerdorf am Golf übernahm. Die al-Sabah-Dynastie geht auf das Jahr 1756 zurück, als ein Scheich als Anführer der Siedler*innen auftrat. Der Hafen florierte auf der Grundlage von Fischerei, Handel und Perlenfischerei.
Im 16. Jahrhundert geriet Kuwait unter die Herrschaft des Osmanischen (Türkischen) Reiches, dessen Kontrolle jedoch sehr locker war. Ab 1776, als der Hafen von Basra vorübergehend unter persische Kontrolle geriet, begann die Britische Ostindien-Kompanie, Kuwait als Zwischenstation zu nutzen. Die Kompanie war das Hauptinstrument des britischen Imperialismus zur Ausbeutung des indischen Subkontinents und hatte die britische Marine zu ihrer Verfügung.
Die Ostindien-Kompanie schützte die al-Sabahs vor marodierenden Stämmen aus dem Landesinneren und vor Pirat*innen im Golf. Großbritannien akzeptierte die osmanische Oberhoheit im Gegenzug für die Anerkennung seiner kommerziellen und strategischen Interessen in Kuwait, die mit der Ausdehnung des britischen Reiches „östlich von Suez“ noch an Bedeutung gewannen. Als sich die imperialistischen Rivalitäten verschärften, gab es ein Gerangel zwischen Großbritannien und der Türkei um die Kontrolle Kuwaits.
Die juristische Grundlage für den irakischen Anspruch auf Kuwait beruht hauptsächlich darauf, dass Kuwait Teil der osmanischen Provinz (Vilâyet) Basra war. Die Al-Sabahs, so wird behauptet, hätten die osmanische Oberhoheit akzeptiert, und der Al-Sabah-Scheich sei formell der Untergouverneur der Provinz gewesen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der moderne Irak aus den Provinzen Bagdad, Mossul und Basra gebildet. Als Rechtsnachfolger des Osmanischen Reiches, so wird argumentiert, habe der Irak ein Anrecht auf Kuwait.
Die kurze Antwort al-Sabahs lautet, dass Kuwait 1961 ein unabhängiger Staat wurde, 1963 den Vereinten Nationen beitrat und vom Irak anerkannt wurde. Ihre Antwort auf den historischen Anspruch lautet, dass Kuwait in Wirklichkeit bereits seit dem 18. Jahrhundert ein unabhängiges Territorium war. 1899 unterzeichnete Scheich Mubarak al-Sabah einen Geheimvertrag mit Großbritannien, das befürchtete, dass der deutsche Imperialismus plante, die Eisenbahnlinie Berlin-Bagdad bis nach Kuwait zu verlängern und damit die wirtschaftliche Vorherrschaft Großbritanniens im Osten zu gefährden. Die al-Sabahs verpflichteten sich, kein Territorium abzutreten oder zu verpachten und mit keiner (anderen) ausländischen Regierung ein Abkommen zu schließen.
Im Jahr 1909 handelte Großbritannien einen Vertrag mit der Türkei aus. Darin wurde die türkische Oberhoheit formell anerkannt, d. h. die türkische Herrschaft über Kuwait, soweit dessen internationalen Status betroffen war. Im Gegenzug akzeptierte die Türkei jedoch eine praktisch vollständige interne Autonomie für die al-Sabahs, die natürlich dem britischen Imperialismus vertraglich verpflichtet waren. Der Vertrag wurde wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs, in dem die Türkei auf der Seite des deutschen Imperialismus stand, nicht ratifiziert. 1914 erklärte Großbritannien Kuwait zu einer „unabhängigen Regierung unter britischem Schutz“, d.h. zu einer britischen Kolonie, die nur nicht so genannt wurde. Das in den 1930er Jahren entdeckte Öl gab Kuwait für den britischen Imperialismus eine noch größere Bedeutung.
1961 stimmte Großbritannien zu, das Abkommen von 1899 zu beenden, und Kuwait wurde politisch unabhängig. Qasim verkündete zu Recht, dass Großbritannien einen „Ölquellenstaat“ geschaffen habe, und forderte die irakische Kontrolle über Kuwait. Britische Truppen und Truppen der Arabischen Liga wurden entsandt, um den Mini-Staat gegen jeden Versuch einer Annexion zu verteidigen. 1964 erkannte das Baath-Regime, das Qasim gestürzt hatte, Kuwait jedoch als unabhängigen Staat an, obwohl der Irak die von den al-Sabahs beanspruchten Grenzen nicht anerkannte, was die Möglichkeit weiterer Gebietsansprüche offen ließ. Die al-Sabahs gewährten dem Irak die erste von vielen Zuwendungen, Schutzgelder, die sie an nachfolgende Regime gezahlt haben.
Die Frage der Selbstbestimmung
Dies ist der historische Hintergrund für Saddams Anspruch auf Kuwait. Historische Präzedenzfälle und juristische Argumente werden das Problem jedoch niemals lösen können. Die nationale Selbstbestimmung ist in erster Linie eine Frage für die betroffenen Völker. Die Mehrheit in einem umstrittenen Gebiet sollte das demokratische Recht haben, auf der Grundlage ihres eigenen Bewusstseins der nationalen Identität über ihre eigene Zukunft zu entscheiden, sei es durch Autonomie, Unabhängigkeit oder eine Form des Zusammenschlusses mit einem anderen Staat.
Im Fall Kuwaits wurden seine Grenzen, sein internationaler Status und seine politische Struktur von imperialistischen Mächten festgelegt. Auch der Irak war eine künstliche Schöpfung des britischen Imperialismus. Die koloniale Landkarte ignorierte die Bestrebungen des Volkes. Die Monarchien und Scheichtümer wurden errichtet, um eine revolutionäre Bewegung für sozialen Wandel und arabische Einheit zu verhindern.
Im Irak gibt es eine überwältigende Unterstützung für die Annexion Kuwaits. Neben dem tiefen Wunsch nach arabischer Einheit wird diese Stimmung durch den Hass auf die al-Sabahs genährt. Sie werden zu Recht als Handlanger des Imperialismus betrachtet, die durch ihre persönliche Kontrolle des Öls obszönen Reichtum angehäuft haben, während in der gesamten Region Millionen von Menschen in Armut leben oder zur Arbeitsmigration gezwungen sind. Großbritannien hat einen Mini-Staat geschaffen, der speziell darauf ausgerichtet ist, die Position der al-Sabahs als loyale Hüter*innen der Interessen des Imperialismus zu stärken. Das schwache Element der Demokratie in der Verfassung wurde abgewürgt, sobald es irgendeinen Dissens gab. Millionen von ausländischen Arbeiter*innen, ein kurzlebiges Proletariat mit befristeten Verträgen und ohne Rechte, wurden importiert, was der herrschenden Familie ermöglichte, eine feudale Struktur aufrechtzuerhalten. Die Palästinenser*innen und viele andere arabische Arbeiter*innen in Kuwait begrüßten zweifellos den Sturz der al-Sabahs.
Viele Arbeiter*innen in Großbritannien verurteilen zwar den Mangel an Demokratie in Kuwait, lehnen aber dessen gewaltsame Annexion ab. Egal, welche Streitigkeiten es in der Vergangenheit gab, Kuwait existierte als eigenständiger Staat, und daher ist es gerechtfertigt, so werden viele argumentieren, ihn mit Waffengewalt zu verteidigen. Obwohl es eine wachsende kuwaitische Opposition gegen die al-Sabah-Diktatur gab, scheint keiner der kuwaitischen Demokrat*innen die Machtübernahme durch Saddam begrüßt zu haben. Wenn überhaupt, dann hat die Invasion das kuwaitische Nationalbewusstsein gestärkt. Haben nicht auch die Kuwaitis das Recht auf Selbstbestimmung?
Die Anerkennung der Tatsache, dass Iraker*innen und Kuwaitis, Ägypter*innen und Syrer*innen usw. Teil eines einzigen arabischen Volkes sind, ist ein grundlegender Ansatzpunkt. Die massive finanzielle Unterstützung der PLO-Führungen und der arabischen Regime, die sich im Konflikt mit den USA und Israel befinden, durch die Al-Sabah spiegelt zum Teil ihr Bedürfnis wider, eine starke panarabische Linie zu vertreten. Neben dem gemeinsamen Nationalbewusstsein der arabischen Völker hat sich jedoch auch ein lokales irakisches, syrisches, ägyptisches usw. Bewusstsein in den verschiedenen arabischen Staaten entwickelt. Deshalb fordern wir (zusammen mit der Notwendigkeit, die Rechte von Israelis, Kurd*innen und anderen Minderheiten anzuerkennen) eine sozialistische Konföderation und nicht einen einheitlichen arabischen Staat.
Die strittigen Fragen, ob es ein kuwaitisches Bewusstsein gibt und welche Position Kuwait einnehmen soll, können nur von den Menschen in der Region gelöst werden, ohne dass die USA oder andere ausländische Armeen eingreifen. Idealerweise sollte dies durch ein Referendum der kuwaitischen Bevölkerung geklärt werden, und zwar nicht nur der einheimischen Kuwaitis, sondern aller, die dort leben und arbeiten. Unter den Bedingungen von militärischer Besatzung und Krieg ist dies natürlich ausgeschlossen.
Bedeutet dies, dass die internationale Arbeiter*innenbewegung den Abzug der irakischen Streitkräfte fordern sollte, damit die Wünsche des Volkes frei bestimmt werden können? Die Mehrheit der arabischen Völker unterstützt aus den bereits dargelegten Gründen zweifellos die Besetzung durch Saddam. Die Mehrheit der Arbeiter*innen in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern ist jedoch gegen die Besetzung und wird Saddams Rückzug unterstützen. Angesichts der gegenwärtigen Lage gibt es nur zwei Möglichkeiten, den Irak zum Rückzug aus Kuwait zu zwingen. Die eine ist, Saddam mit der Waffengewalt des US-Imperialismus zu vertreiben. Das würde die Wiederherstellung des al-Sabah-Regimes bedeuten. Es würde auch eine ständige US-Garnison in Kuwait bedeuten, von der aus die USA versuchen würden, ihren Zugriff auf die Region zu verstärken. Einige der Strateg*innen des Imperialismus diskutieren bereits die Einsetzung einer gefügigen, pro-imperialistischen Diktatur in Bagdad und möglicherweise die Auflösung des Irak – wobei ein Teil z.B. an die Türkei in Form eines Kurdistans unter türkischer Kontrolle gehen würde.
Der andere Weg führt über eine sozialistische Revolution. Ein demokratischer, sozialistischer Irak würde allen Völkern der Region – Kuwaitis, Kurd*innen, Türk*innen und anderen Minderheiten – das Recht auf Selbstbestimmung einräumen. Dann könnte das kuwaitische Volk in einer demokratischen Föderation frei über sein eigenes Schicksal entscheiden. Dies könnte als autonomer Teil eines sozialistischen Irak geschehen oder als unabhängiger sozialistischer Staat, der mit einer sozialistischen Föderation der Region verbunden ist.
Aber wo sind die Kräfte, um dies zu herbeizuführen? Sicherlich ist das utopisch? Aber die „praktische“ Lösung des Imperialismus besteht darin, das irakische Volk mit Raketen und Bomben zu pulverisieren. Die „Befreiung“ Kuwaits wird eine fast vollständige Zerstörung mit sich bringen – und die Rückkehr des Emirs. Das Ende der Diktatur im Irak wird eine neue Diktatur bedeuten, die das Gütesiegel der USA trägt.
Die Kräfte für eine sozialistische Revolution sind im Nahen Osten vorhanden. Man kann sie in der palästinensischen Intifada und in den Generalstreiks und Massendemonstrationen gegen Kürzungsmaßnahmen und Repression sehen, die in den letzten Monaten über die Maghreb-Staaten und Ägypten hinweggefegt sind. Der Krieg am Golf wird darüber hinaus neue Umwälzungen in Ägypten, Syrien, Jordanien und in der gesamten Region auslösen, bei denen der Kampf der Arbeiter*innenklasse in den Vordergrund treten wird. Im Irak selbst werden die besten Arbeiter*innen zu dem Schluss kommen, dass nur eine kühne, sozialistische Alternative einen Weg nach vorn bieten kann.
Schlussfolgerung
Der Krieg am Golf hat die Stimmung der Euphorie unter den Strateg*innen des Kapitalismus erschüttert. Noch vor einem Jahr waren sie voller Zuversicht. Der achtjährige Boom in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern war noch nicht durch Anzeichen eines Abschwungs unterbrochen worden. Es bestand die Aussicht auf eine rasche Wiedervereinigung Deutschlands durch die Aufnahme der ehemaligen DDR in das kapitalistische Westdeutschland. Im Rest Osteuropas bedeutete die Krise der stalinistischen Bürokratien den „Tod des Kommunismus“. Der Kapitalismus hat offensichtlich triumphiert.
Noch im September letzten Jahres, als die US-Streitkräfte in den Golf geschickt wurden, verkündete Bush „eine neue Weltordnung“. Wir träten in „eine Ära ein, in der die Nationen der Welt, Ost und West, Nord und Süd, gedeihen und in Harmonie leben können“. Eine neue Welt sei „in den Geburtswehen“, in der „die Nationen eine gemeinsame Verantwortung für Freiheit und Gerechtigkeit anerkennen. Eine Welt, in der die Starken die Rechte der Schwachen respektieren.“ (11. September 1990)
Diese hochtrabenden Worte haben mit der Realität genauso wenig zu tun wie Woodrow Wilsons Rhetorik von 1918 oder Roosevelts grandiose Pläne von 1945. In Wirklichkeit bedeutet die Invasion des Irak durch die vereinten Kräfte des westlichen Imperialismus, dass wir in eine neue Ära der Welt-Unordnung eintreten.
Die USA machen ihre bewaffnete Macht als Supermacht geltend. Aber wir befinden uns nicht mehr in der Ära des wirtschaftlichen Aufschwungs der Nachkriegszeit. Die unangefochtene Vormachtstellung der USA in der Weltwirtschaft wurde untergraben. Risse in der westlichen Koalition mit Differenzen zwischen den USA auf der einen und Deutschland, Frankreich und Japan auf der anderen Seite spiegeln die sich verschärfende Rivalität zwischen den fortgeschrittenen kapitalistischen Staaten wider. Das jüngste Scheitern der GATT-Gespräche über den internationalen Handel ist eine unheilvolle Warnung vor dem Chaos, das in der Weltwirtschaft ausbrechen kann. Obendrein sind die Vereinigten Staaten und Großbritannien bereits in eine Rezession eingetreten.
Die neokolonialen Länder haben, wie wir gezeigt haben, die Früchte des Booms seit 1981 nicht genossen. Im Gegenteil, die Ausbeutung der unterentwickelten Länder hat sich durch die Anhäufung von Schulden und die Förderung von billigen Rohstoffen, einschließlich von Erdöl, verschärft. Der Niedergang der Bürokratie in Osteuropa und der Sowjetunion hat dagegen die Grenzen des kapitalistischen Systems nicht erfolgreich erweitert. Der Versuch, Elemente des Marktes einzuführen, hat zu Massenarbeitslosigkeit, sinkendem Lebensstandard und Chaos geführt.
Die Invasion am Golf wird für den US-Imperialismus und den Weltkapitalismus nach hinten losgehen. Das Ziel, Saddams Militärmaschine zu zerschlagen, mag gelingen. Aber, wie eine Schlagzeile des „Wall Street Journal“ es unverblümt ausdrückte: „Erfolg auf dem Schlachtfeld ist keine Garantie für den Sieg“. (3. Februar) Der Krieg wird lediglich als Zündschnur dienen, um das hoch explosive Pulverfass des Nahen Ostens zu entzünden.
Der Krieg hat bereits eine radikalisierende Wirkung auf die arabischen Volksmassen. Mubarak und Assad werden sich einem wütenden Aufstand der Opposition gegenübersehen, wenn der Krieg Tausende von Toten und Verletzten fordert. Selbst die herrschende Klasse Saudi-Arabiens fürchtet sich vor der Reaktion auf die Präsenz der US-Streitkräfte und das Massaker an Mit-Araber*innen im Irak.
Als Baker Anfang Februar den sowjetischen Außenminister traf, verpflichtete er die USA zu einem „bedeutungsvollen Friedensprozess“, der „einen gerechten Frieden, Sicherheit und echte Versöhnung für Israel, die arabischen Staaten und die Palästinenser fördert“. Dies ist eine Schimäre. Zunächst einmal haben die führenden israelischen Politiker*innen unverblümt erklärt, dass sie nicht an einer internationalen Friedenskonferenz teilnehmen werden, die versucht, die israelisch-palästinensische Frage als Teil einer Nachkriegsregelung einzubeziehen.
Obendrein sind die Strateg*innen des Imperialismus selbst uneins über die Nachkriegsziele. Der britische Außenminister Hurd hat erklärt, dass der Irak nicht aufgespalten werden solle. Andere westliche Strateg*innen haben jedoch die Perspektive einer Zerstückelung des Irak aufgeworfen.
Vertreter*innen des türkischen Kapitalismus haben mit dem US-Außenministerium über Pläne für ein „Kurdistan“ diskutiert. In Wirklichkeit würde dies eine nominell autonome Region unter türkischer Militärkontrolle bedeuten, die Teile des Irak und der Türkei umfassen würde. Das hat nichts mit der Selbstbestimmung für die Kurd*innen zu tun, aber alles mit der Sehnsucht des türkischen Kapitalismus, an die Ölfelder und andere Ressourcen im Nordirak heranzukommen.
Wenn der Irak militärisch besiegt wird, wird Assad wahrscheinlich die Rückgabe der Golanhöhen von Israel als Teil seines Preises für die Unterstützung der USA fordern. Der Iran, der unter Rafsandschani eine Position der „Neutralität“ eingenommen hat – was in Wirklichkeit eine passive Unterstützung des Imperialismus bedeutet – wird auch versuchen, seine Position als regionale Supermacht wieder zu behaupten. Die heuchlerischen Zusicherungen Bushs und Bakers, dass die USA den Wiederaufbau des Irak nach dem Krieg unterstützen würden, spiegeln die Angst des Imperialismus vor einer explosiven Reaktion gegen seine Intervention und die Auswirkungen des Krieges wider.
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