II. Das Emporkommen der Städte und des Bürgertums und sein Einflussauf die Entwicklung

Die ersten deutschen Städte waren römischen Ursprungs. Wir finden sie als römische Niederlassungen hauptsächlich längs des Rheins und südlich der Donau. Aber mit dem Zerfall des römischen Reichs ging auch ihre Blüte zu Grunde. Die gegen das Ende des vierten Jahrhunderts hereinbrechende Völkerwanderung machte ihrem eigentümlichen Leben ein Ende. Erst nach der Wiederkehr einigermaßen geregelter Zustände, im fünften und sechsten Jahrhundert, begannen sie wieder aufzuleben und zwar als der Sitz königlicher Hof- und Staatsbeamten oder der Bischöfe. Sie hatten einen kleinen Teil ihrer früheren Munizipalverfassung in die neuen Zustände hinübergerettet und diese gab das Vorbild ab für die neu erstehenden Schwesterstädte, die nach und nach in den verschiedensten Teilen des Reiches um die königlichen Pfalzen und Burgen, als Sitze zahlreicher Beamten mit ihrem Diensttross, oder um Bischofssitze und Klöster, als Sammelpunkte häufiger und regelmäßiger Volkszusammenkünfte, sich bildeten. Die erste bürgerliche Tätigkeit, welche in den neu gegründeten Burg- und Bistumsflecken sich entwickelte, war der Handel. Die öffentlichen Gerichtstage, die Volksversammlungen, zu denen aber nur die Freien Zutritt hatten, die religiösen Übungen und kirchlichen Aufzüge an Sonn- und Feiertagen waren die Gelegenheiten, die dem Handel nutzbringend wurden. In den ersten Jahrhunderten waren es fremde Handeltreibende, namentlich Italiener (Lombarden) und Westfranken, welche Gold, Silber, Schmuck, Kunstgeräte, Kirchengerätschaften, Waffen etc. gegen Tierhäute, Vieh, Gänsefedern und namentlich auch Sklaven umtauschten. Um die Kirchen und Burgen wurden Bänke aufgeschlagen, auf denen die Kaufleute, Händler, Fleischer, Bäcker und Wirte ihre Artikel auslegten. In späteren Jahrhunderten verwandelten sich diese Bänke in Hallen, die in bestimmte Abteilungen eingeteilt, den Gewerben als privilegierte Plätze eingeräumt wurden und sich teilweise bis in unsere Zeit erhalten haben. Aber die Märkte konnten nicht an jedem beliebigen Orte abgehalten werden. Hierzu bedurfte es eines ausdrücklichen königlichen Privilegiums, des sogenannten Marktrechts. Da nun das Recht des Verkaufs durch eine Abgabe erkauft werden musste, bildete sich daraus eine ergiebige Einnahmequelle. Das Marktrecht wurde bald ein sehr gesuchtes Privilegium. Dem Marktrecht schloss sich das Zollrecht und später meist auch das Münzrecht an. Die Juden bildeten frühzeitig ein wichtiges Element im Handelsverkehr, sie betrieben namentlich das Wechsel- und Leihgeschäft, sie standen unter direktem königlichen Schutz und zahlten dafür ein Schutzgeld, das Judenschutzgeld. Die Juden waren die Pioniere des bürgerlichen Verkehrs, ihre bereits Jahrhunderte alte, unter römischer Herrschaft gewonnene Zivilisation, verbunden mit der gesetzlichen Ausschließung von der Erwerbung von Grundbesitz, machte sie zu geschickten Handeltreibenden.

Dem Handel schloss sich das Handwerk an. Die handwerksmäßigen Leistungen verrichteten auf jedem adeligen Gute die Hörigen. Als die Ansprüche an höhere Leistungen wuchsen, begann man die Hörigen in zwei Klassen zu trennen, die Hofehörigen, welche den Ackerbau zu betreiben hatten, und die Diensthörigen, welche ausschließlich mit den Handwerks- und häuslichen Arbeiten beschäftigt wurden. Die Erkenntnis, dass größere und bessere Leistung durch einseitige Übung erzielt werde, führte zu einer weiteren Arbeitsteilung. Bald hatte Jeder nur bestimmte Leistungen zu verrichten. Um das Jahr 580 gab es bereits ausgebildete Handwerker, wie Schmiede, Schneider, schuster usw. Dem feudalistischen Geiste des Zeitalters entsprechend waren die Tätigkeiten erblich, der Sohn des Schmieds z.B. wurde wieder Schmied; auch blieben die Hörigen in Hof- und Diensthörige geschieden und erbten im Stande fort. Geschickte Handwerker stiegen bald so im Werte, dass ihr Wergeld das des gewöhnlichen Hörigen ums Dreifache übertraf.

In den königlichen Burgen und Pfalzen, den Bischofssitzen und Klöstern steigerte sich zunächst das Bedürfnis nach Handwerkern. Waffen, Sattel- und Riemenzeug, Geräte aller Art wurden benötigt. Hier wurden die mit Handwerksarbeiten beschäftigten Hörigen also angesiedelt und bildeten rings um Burgen und Klöster und teilweise innerhalb derselben eine zahlreiche mit ihrem Handwerk ausschließlich beschäftigte Bevölkerung. Bald erlaubten auch entfernter wohnende Grundherren ihren hörigen Handwerkern, für die sie keine volle Beschäftigung hatten, sich in der Nähe der Burgen und geistlichen Sitze niederzulassen. Sie zahlten dafür aus dem gewonnenen Verdienst eine Abgabe und verpflichteten sich, an bestimmten Tagen bei dem Gutsherrn sich einzustellen und ihm die für seinen eigenen Bedarf notwendigen Arbeiten zu leisten. Die Ausdehnung dieser Ansiedlungen machte bald eine organisierte Verwaltung notwendig. Diese ging in die Hände der königlichen Dienstmannen oder Ministerialen über. Obgleich meist aus dem hörigen Stande hervorgegangen, waren sie Freie geworden. Aus ihrer Mitte wurde der Stadtvogt ernannt, der im Namen des Königs den Blutbann handhabte, auch besetzten sie die Münz-, Zoll- und Steuerämter. Aus diesen königlichen Dienstmannen bildeten sich die späteren Geschlechter oder Patrizier in den Städten, die durch verarmte Adelige, wie durch solche, die Grundbesitz in den Städten hatten oder sich in denselben niederließen, verstärkt wurden. Sie bildeten bis ins elfte Jahrhundert ausschließlich die Bürgerschaft, da alle übrigen Städtebewohner halb oder ganz unfrei waren. Teilweise beschäftigten sich diese Geschlechter in späterer Zeit auch in bürgerlicher Weise, namentlich mit dem gewinnbringenden Handel, der Bierbrauerei und ähnlichen viel Geld abwerfenden Gewerben. In der Hauptsache aber lebten sie auf Kosten der übrigen Bevölkerung, die sie mit Lasten und Abgaben bedrückten und in ähnlicher Weise aussaugten, wie der Landadel und die Geistlichen den Bauernstand.

Dennoch war die Lage der Unfreien in den Städten eine ungleich bessere, als die jener auf dem Lande, und zwar aus dem Grunde, weil ihr Besitz, hauptsächlich in Geld und Waren oder Rohmaterialien bestehend, sich weit leichter den Augen der Unterdrücker entziehen ließ und schwer kontrolliert werden konnte. Der steigende Luxus, den die herrschenden Stände entwickelten, und der organisierte Handel gaben ihnen die Gelegenheit zu einem Verdienst, der sie in die Lage setzte, sich von den Dienstleistungen gegen ihre Herren, sei es durch eine Abfindungssumme ein für alle Mal, oder durch einen jährlichen Geldbetrag, loszukaufen. Die Kaiser, die bald ein wichtiges Element in den aufkeimenden Städten gegen den nach Unabhängigkeit von der Reichsgewalt strebenden hohen Adel sahen, statteten die Städte mit Rechten und Privilegien aus, welche auch dem unfreien Teil der Bevölkerung Nutzen brachten. Besonders war es Heinrich I., gest. 936, der den Städten seine Gunst angedeihen ließ. Nicht nur dass er eine erhebliche Zahl derselben in Nord- und Ostdeutschland gründete, indem er Burgen bauen ließ und verordnete, dass je der neunte Mann der kriegspflichtigen Landbewohner sie beziehen und die übrigen acht dem neunten die Nahrungsmittel liefern mussten, er sorgte auch für die Umwallung der Städte gegen die Angriffe von Außen und erteilte den Hörigen in denselben bis zu einem gewissen Grade die Rechtsfähigkeit. Ferner verordnete er, um Handel und Verkehr der Städte zu heben, dass alle Volksversammlungen und Staatsfeierlichkeiten in dieselben verlegt werden sollten. Die größere Unabhängigkeit, welche die Städte dadurch gewannen, und die Nachfrage nach Arbeitskräften unter günstigeren Lebensbedingungen wurden Veranlassung, dass viele Hörige und Leibeigene vom Lande ihren Herren entliefen und in der Stadt willkommene Aufnahme fanden. Zwar hatten die Grundherren das Recht, die Entlaufenen zurückzufordern, und sie taten es auch, wo sie konnten, aber die Stadtherren waren mit der Zunahme der arbeitsfähigen, also auch Steuern und Abgaben einbringenden Bevölkerung sehr zufrieden, und beeilten sich nicht häufig, der Aufforderung nachzukommen. Es wurde sogar allmählich Rechtsgrundsatz, dass wer ein Jahr und einen Tag in einer Stadt zugebracht hatte, das Heimatrecht erlangte.

Frühzeitig schon hatten die dienstpflichtigen Handwerker Innungen. gebildet, an deren Spitze ein herrschaftlicher Dienstmann als Vorsteher oder Werkmeister stand, welcher später Obmann, Obherr, Morgensprechherr, und nach gewissen kirchlichen Ehrendiensten, auch Kerzenmeister genannt wurde. Die zunehmende Selbständigkeit der Städte bildete das Innungs- und Zunftwesen immer mehr aus, obgleich auch dies nicht ohne harte Kämpfe abging. Einmal sahen die Geschlechter in der Organisation der Zünfte eine Gefahr für ihr unumschränktes Stadtregiment, und dann sahen die Kaiser wie die Territorialfürsten in den Städten ihres Gebiets die Zünfte nicht bloß als gewerbliche, sondern auch als politische Bünde an, die sie misstrauisch beobachteten und mehr als einmal verboten. So geschah es auch häufig, dass ein Kaiser die Privilegien wieder zurücknahm, die sein Vorgänger erst bewilligt hatte. Aber das zunehmende Sinken der Kaisermacht, die Notwendigkeit, in die sie im Laufe der Zeit versetzt ward, gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen der Fürsten die Städte als Bundesgenossen sich zu sichern, zwang sie, den Städten wie den Zünften ihre Privilegien immer mehr zu erweitern.

Die Patrizier der Städte hatten nun nicht bloß das Verlangen, möglichst viele kaiserliche Privilegien zu erwerben, sie wollten auch da, wo sie unter der Landeshoheit der Fürsten, des hohen Adels oder der Geistlichkeit, wie der Erzbischöfe, Bischöfe oder Äbte, standen, sich befreien und reichsunmittelbar werden. In diesem Punkte waren die Interessen der Patrizier und der unfreien Bürger gleichartig. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde die Waffenübung aller Bürger Notwendigkeit. Ihre Hauptwaffe war der Spieß, daher entstand der Name Spießbürger; die ritterbürtigen Geschlechter dagegen bildeten die Reiterei und waren mit Schwert und Panzer bewaffnet.

Die Bürgerschaft selbst zerfiel wieder in zwei Teile, in die Zunftberechtigten und Nichtzunftberechtigten. Letztere wurden in der Sprache jener Zeit für „unehrlich“ angesehen, und zu ihnen gehörten in den meisten Städten: die Müller, Bader, Schuster, Leineweber und Schweineschneider, ferner Zöllner, Pfeifer, Trompeter, Gassenkehrer, Nachtwächter, Bettelvögte und Fronknechte. Die letzteren Kategorien bildeten, wie der Name andeutet, das niedere Aufsichts- und Dienstpersonal der Städte.

Pfahlbürger hieß der Teil der Städtebevölkerung, der außerhalb der eigentlichen Umwallung der Stadt, die in frühester Zeit aus Pfählen bestand, wohnte. Die Pfahlbürger wurden nur als Genossen oder Schutzverwandte aufgenommen und rekrutierten sich hauptsächlich aus den von den adeligen Gütern entlaufenen Leibeigenen und Hörigen, die, soweit sie kein Handwerk verstanden, sich mit der Landwirtschaft, namentlich mit der Gartenwirtschaft und dem Weinbau beschäftigten.

Kaiser Friedrich II., gest. 1250, verbot zwar die Pfahlbürgerschaft, wie er denn auch gleich seinem Stellvertreter während seiner Abwesenheit in Italien, König Heinrich (VII.), eine Reihe von Edikten erließ, welche die politische Macht und die Rechte der Städte einschränkten, er musste sie aber später sämtlich wieder zurücknehmen.

Die Juden lebten in jener Zeit unter dem Namen kaiserliche „Kammerknechte“ unter des Kaisers speziellem Schutz in abgeschlossenen Stadtvierteln.

Das vielköpfige Herrentum hatte noch andere eigentümliche Zustände in den Städten zur Folge. Ein Teil der liegenden Gründe in der Stadt war häufig grundherrlicher Boden, der dem Bischof, einem Fürsten oder Adeligen oder auch einem Kloster gehörte. Der Handwerker, der auf diesem grundherrlichen Boden ein Wohnhaus baute und sich niederließ, trat zu dem Grundherrn in eine Art Hörigkeitsverhältnis. Bei dem Ableben des Handwerkers mussten dessen Erben einen Teil des Nachlasses dem Grundherrn abtreten unter dem Titel Sterbefall in „dienender Hand“, starb der Grundherr, so musste der Handwerker einen Teil seiner Habe an dessen Nachfolger geben als Sterbefall in „herrschender Hand“. Auch unterlagen diese Handwerker den Zwangsheiraten und hatten neben dem jährlichen Zins an den Grundherrn alle städtischen Lasten und Abgaben zu tragen. Dieses Verhältnis halb-höriger Handwerker in den Städten gibt einen Vorgeschmack, wie es um diese Zeit (11. Jahrhundert) auf dem Lande aussah.

Vom elften bis zum dreizehnten Jahrhundert gelang es den meisten Städten, sich von den aus dem Hörigkeits- und Untertänigkeitsverhältnis entsprungenen Lasten und Beschränkungen zu befreien. Sie erhielten allmählich die volle Selbstverwaltung und konnten, insofern sie Reichsstädte waren, die unter kaiserlicher Oberhoheit standen, an den Reichstagen teilnehmen, waren sie dagegen Landstädte, d.h. standen sie unter dem Hoheitsrechte eines Landesfürsten, so konnten sie an den von diesem ausgeschriebenen Landtagen durch ihre Vertreter sich beteiligen.

Dieses Wachstum an politischer Macht und Unabhängigkeit war hier, wie immer, die Folge des gesteigerten materiellen Wohlbefindens. Die ökonomische Macht ist die Grundlage der politischen Macht, und die ökonomische Macht der Städte war um jene Zeit verhältnismäßig sehr bedeutend. Unter den gewerblichen Beschäftigungen nahmen die Anfertigung der Wollenzeuge und die Tuchweberei eine hervorragende Stelle ein. Die Tuchmacher bildeten in einer großen Anzahl Städte bedeutende und angesehene Zünfte. Mit der Tuchweberei ging die Färberei Hand in Hand. Durch den großen Luxus, der namentlich in den Kirchen mit goldenen und silbernen Kirchengeräten, Priestergewändern etc. getrieben wurde, standen die Gold- und Silberschmiedekunst und andere Kunstgewerbe in der Blüte und in hoher künstlerischer Entwicklung. Bei dem großen Bedarf an oft kostbaren Rüstungen und Waffen aller Art musste das Waffenschmiede- und Schwertfeger-Handwerk nicht nur sehr zahlreich sein, sondern auch wohlhabend werden. Der große Verbrauch von Leder zu Handschuhen, von Riemen- und Sattelzeug, Degenkuppeln etc. setzte Gerber, Handschuhmacher, Riemer und Sattler in Tätigkeit. Auch mit Pelzwaren wurde großer Luxus getrieben, und dieser machte das Kürschnergeschäft zu einem bedeutenden. Bier- und Metbrauereien fanden bei dem Hang zu unmäßigen Trinkgelagen und häufigen Gastereien reichlichen Absatz und großen Gewinn. Der im zwölften und dreizehnten Jahrhundert aufkommende prachtvolle Kirchen- und Dombau, das Bestreben der Patrizier und reichen Kaufleute, an Stelle der bis dahin meist nur aus Holz und Erdwerk bestehenden Rathäuser und Privatgebäude steinerne Häuser zu sehen, begünstigte das Aufkommen der Bauhandwerker. Deutsche Bauhandwerker erlangten bald einen europäischen Ruf. Mit dem Bauhandwerk, entwickelte ich eine Reihe von Kunstgewerben, wie Bildhauer und Bildschnitzer, Kupferstecher, Holzschneider, Medaillierer, Kunsttischler, Drechsler etc. Der Handel ging mit dem aufstrebenden Gewerbe Hand in Hand. Durch Süddeutschland führte längs des Rheins nach den Niederlanden und den Seeküsten die Haupthandelsstraße für alle Waren aus dem Orient, der Levante und Italien. Der Reichtum der Haupthandelshäuser, wie der Fugger und Welser in Augsburg, war ganz enorm. In den norddeutschen Seestädten bildete sich in der ersten Hälfte. des 13. Jahrhunderts die Hansa, die bald die bedeutendste Seemacht der damaligen Zeit wurde und den ganzen nordischen Handel beherrschte. Die Mehrzahl der niederdeutschen Binnenstädte wie Köln, Soest, Paderborn, Braunschweig, Helmstedt, Magdeburg etc. schlossen sich der Hansa an. Endlich war der Bergbau sehr entwickelt. Die Bergwerke im Meißenschen, Mansfeldschen, im Harz bei Goslar, im Fichtel- und Erzgebirge, im Salzburgischen und Tirol beschäftigten viele Tausende von Bergknappen, die später im Bauernkriege eine einflussreiche Rolle spielten. Dieses materielle Wohlbefinden eines großen Teils der Städtebewohner musste nach verschiedenen Seiten seine Wirkung üben.

Der Adel, der den Luxus der reichen Städter nachahmen wollte, stürzte sich in Schulden, und da die Städter die Einzigen waren, bei denen er Geld bekommen konnte, verpfändete er diesen seine Güter. Auf diese Weise kamen die Städte zum Teil in den Besitz von großem Grundeigentum mit den darauf wohnenden Hörigen und Leibeigenen. Aber der Adel suchte sich vor dieser Gefahr durch ein anderes Mittel zu bewahren. Eifersüchtig und aufgebracht über den Reichtum der Städte, namentlich der Kaufleute, machte er es sich zum Hauptgeschäft, die Warensendungen derselben zu Wasser und zu Lande zu überfallen, zu rauben und zu plündern und von den Gefangenen schweres Lösegeld zu erpressen. Die Kaufleute sahen sich genötigt, die Handelskarawanen mit Bewaffneten zu umgeben, und so entwickelte sich zwischen Adel und Städten ein beständiger Kampf, der mit Grausamkeit und Erbitterung geführt wurde. Die Unsicherheit des Verkehrs auf den Handelsstraßen nötigte die Städte zu Bündnissen, um sich gegenseitig zu unterstützen und sicheres Geleit zu gewähren. Die Bündnisse der Städte riefen Gegenbündnisse des Adels hervor, die aber im Gegensatz zu den auf Verteidigung und Abwehr gerichteten Städtebündnissen organisierten Raub bezweckten. Der Adel bildete Ritterbünde unter dem Namen der Schlägler, der Martinsvögel, der Stellmeisen, der Ritter vom Löwen und ähnlichen Bezeichnungen. Die Zeit von 1250-1273, das Interregnum oder die kaiserlose Zeit genannt, war es ganz besonders, wo das ritterliche Faustrecht und Räuberhandwerk seine Orgien feierte. Der arme Mann auf dem Lande litt unter den adeligen Kaufereien unsäglich. Gerieten die Ritter mit einander in Fehde, so begann diese mit der Plünderung und der Niederbrennung der Höfe und Weiler des Gegners, der Zerstörung der Saaten, dem Verwüsten der Felder und, war die Jahreszeit dazu angetan, so wurde die Futterernte und die Frucht auf den Halmen angezündet. Ähnliche Verwüstungen kamen vor, wenn die Ritter in städtisches Gebiet oder die Städte, um Rache zu nehmen, in adeliges Gebiet fielen. Dass es neben den Plünderungen auch nicht ohne Mord, gegenseitige Verstümmelungen wie Nasen- und Ohrenabschneiden, Schändung der Frauen abging, versteht sich für den damaligen Kulturzustand von selbst. Erst mit der Wahl Rudolphs von Habsburg zum deutschen Kaiser, 1273, kam wieder einigermaßen Ordnung ins Reich. Rudolph ließ die Fürsten 1289 einen allgemeinen Landfrieden beschwören, und begann dann eine große Zahl der Raubburgen zu zerstören. In Thüringen wurden allein 60 gebrochen und 30 Ritter als notorische Räuber hingerichtet.

Aber das weitere Sinken der kaiserlichen Macht nach dem Tode Rudolphs ließ den Städten einen noch gefährlicheren Feind, als den Adel, entstehen. Dieser Feind waren die Territorialfürsten, die nach dem Reichtum der Städte lüstern, sie unter ihre Herrschaft zu bringen suchten. schon seit Jahrhunderten war es das Bestreben der unabhängig gewordenen ehemaligen Reichsvasallen gewesen, die kaiserliche Macht zu schwächen und ihre eigene Hausmacht zu erweitern. Dies war ihnen, teilweise mit Hilfe des Papsttums, gelungen. Sie griffen jetzt nach dem Reichsgut, den Reichsvogteien, und rissen diese an sich.

Die Fürsten taten im Großen, was Adel und Klöster im Kleinen taten. Jene griffen nach dem Reichsgut, diese nach dem Gemeindegut.

Die Fürsten wurden in ihrem Streben nach gänzlicher Unabhängigkeit von der Reichsgewalt noch mehr ermutigt, als im Jahre 1355 Kaiser Karl IV. durch die sogenannte goldene Bulle die sieben Kurfürsten des Reichs zu unabhängigen Landesfürsten machte und ihnen die kaiserliche Gerichtsbarkeit, die Hoheitsrechte über die Münze, die Bergwerke und Zölle etc. übertrug.

Ende des 14. Jahrhunderts bildeten sich in der Schweiz, am Oberrhein und Elsass, in Franken und Schwaben Städtebünde gegen die Eroberungssucht der Fürsten, aber die bürgerliche Kurzsichtigkeit ließ es selten zu einem geschlossenen und einheitlichen Handeln kommen.

Die erste Niederlage erlitt der schwäbische Städtebund 1372 in der Nähe von Ulm durch den Grafen von Württemberg und die vereinigten Ritter. 1377 trugen zwar die Städte in einem zweiten Feldzug einen Sieg bei Reutlingen davon, dem sich im Jahre 1386 eine furchtbare Niederlage des Herzogs Leopold von Österreich bei Sempach durch die Schweizer Eidgenossen, und 1388 abermals eine solche bei Näfels anschloss, welche die Eidgenossen von der Herrschaft der Habsburger befreite, aber das Heer des schwäbischen Städtebundes wurde 1388 in einem dritten Kriege bei Döffingen in einer entscheidenden Schlacht geschlagen. Um die Städte womöglich gänzlich unter das Joch der Fürsten zu beugen, verbot Kaiser Wenzel 1389 die Bündnisse der Städte. Diese waren aber nicht so leicht zu brechen und zu unterjochen. In der Mitte des nächsten Jahrhunderts kam es zu neuen heftigen Kämpfen zwischen ihnen und den Fürsten. So kämpfte 1444 das Haus Österreich abermals gegen die eidgenössischen Städte und ließ zu diesem Kriege ein Heer von 50.000 Armagnaken, echtes Räuber- und Mordgesindel, vom König von Frankreich sich zur Hilfe senden. Österreich und seine Verbündeten wurden wiederum geschlagen, und als endlich nach Jahre langen furchtbaren Verwüstungen der Armagnaken, namentlich im Elsass, 1447 der Friede zustande kam, behielten die Schweizer, was sie zuvor gehabt. Ein anderes Resultat hatte ein neuer Krieg, der 1449 zwischen den schwäbischen und fränkischen Städten auf der einen Seite und dem Grafen von Württemberg, den Markgrafen von Brandenburg und Baden, dem Erzherzog von Österreich und dem Erzbischof von Mainz auf der anderen Seite begann. Die Städte unterlagen. Von jetzt an verfiel langsam aber sicher eine Stadt nach der anderen der Herrschaft der Fürsten; nur die größeren widerstanden, bis auch sie meist nach dem Ausbruch der Reformation und der Niederlage der Bauernrevolution der Fürstenmacht zum Opfer fielen.

Die Niederlage der Städte und ebenso die Unterwerfung des Adels unter die Fürsten im 15. Jahrhundert wurde ganz wesentlich durch die veränderte Kriegführung begünstigt. Es war die Anwendung des um die Mitte des vorhergehenden Jahrhunderts in Deutschland bekannt gewordenen Schießpulvers zu Kriegszwecken und die dadurch herbeigeführte Einrichtung der Söldnerheere, welche die Reiterei, die bisher die Ritter bildeten, immer mehr verdrängte. Die Ritterburgen wie die Mauern der Städte konnten den schweren Geschützen nicht mehr widerstehen. Um sich selbst das Geschütz anzuschaffen, besaßen die Ritter und häufig auch die Städte nicht die Mittel; Söldnerheere konnten sie ebenso wenig halten. Statt dessen sah sich die Ritterschaft genötigt, in den Sold der Fürsten zu treten. Die äußere Macht, die den kleinen Adeligen verloren ging, suchten sie durch verdoppelten Druck auf ihre Leibeigenen und Hörigen zu ersetzen. Ebenso wenig wie der niedere Adel waren die meisten Städte in der Lage, die kostspielige neue Bewaffnung und Kriegsausrüstung bei sich einzuführen. Es ging damals dem niederen Adel und den Städten genau, wie es den heutigen Kleinstaaten gegenüber dem Reich ergeht, die militärischen Anforderungen erdrückten sie. Diese Anforderungen konnten die mittelalterlichen Städte umso weniger befriedigen, als bei der Neige des 15. Jahrhunderts sich eine Abnahme ihres Wohlstandes stark bemerklich machte. Das Emporblühen von Holland und England als Handelsstaaten schwächte den deutschen Handel; die Ausbreitung der Türkenmacht in Kleinasien, die Eroberung Konstantinopels durch eben dieselben 1453, und die darauf folgende gänzliche Zerstörung und Unterwerfung des oströmischen Kaiserreichs hatten bedeutende Zufuhrkanäle für den deutschen Handel verstopft. Die Entdeckung Amerikas und des Seewegs nach Ostindien, Entdeckungen, die zunächst Spanien und Portugal zu Gute kamen, hatte für die deutschen Städte weitere schlimme Folgen, die sich allerdings erst zu Anfang des 16. Jahrhunderts recht fühlbar machten, aber die revolutionäre Bewegung dieses Jahrhunderts beschleunigten.

War es den deutschen Städten durch ihre Kämpfe nach außen vom 11. bis 13. Jahrhundert gelungen, ihre äußere Unabhängigkeit zu erlangen und zu jenem Wohlstand sich zu erheben, der oben geschildert wurde, so konnte dieses auch auf ihre inneren Verhältnisse nicht ohne bedeutende Einwirkung bleiben. Es ist schon erwähnt worden, dass die Stadtverwaltung in den Händen der Geschlechter lag. Diese taten für die Unabhängigkeit der Städte nach außen, für die Erlangung städtischer Privilegien, kurz für alle die Einrichtungen, welche die äußere Macht der Städte heben konnten, das Mögliche, denn das lag mit in ihrem Interesse. Jede herrschende Partei hat das natürliche Bestreben, allein zu herrschen und unbequeme Nebenbuhler zu entfernen. Wie die Patrizier über ihre Stadt nach außen unabhängig herrschen wollten, so wollten sie dies auch im Innern. Hier aber kamen sie mit den Bestrebungen ihrer Bürger in den heftigsten Konflikt.

Der Herrschaft steht naturgemäß die Unterdrückung gegenüber. Die Unterdrückung besteht aber nie bloß in der äußeren politischen Rechtlosigkeit, sie ist immer auch materielle Ausbeutung. Die Erstere ist für die Letztere das unumgängliche Mittel. So war es auch in den Städten unter der Herrschaft der Geschlechter. Die Geschlechter besetzten die Stadtämter und die Schöffenbank, sie dekretierten alle Steuern, Dienste und Abgaben, sich selbst hielten sie steuerfrei. Sie schalteten und walteten nach Belieben über das Stadtvermögen, bereicherten sich auf Kosten desselben, kontrahierten Anleihen, welche die Bürgerschaft und die Schutzverwandten bezahlen mussten, und verweigerten über Alles jede Auskunft und Rechenschaft. Vor Gericht konnten sie nur durch ihre Standesgenossen gerichtet werden, welche sie oft bei dem offenbarsten Unrecht freisprachen. Beging ein Geschlechter ein Verbrechen, so galt seine Wohnung für unverletzlich; flüchtete er sich in die Wohnung eines Standesgenossen, so konnte er ohne Einwilligung desselben nicht festgenommen werden. Häufig betrachteten sie es als ein Privilegium, für gelieferte Arbeiten dem Handwerker zu keiner Zahlung verpflichtet zu sein, Erfüllung der Verpflichtung sahen sie als Gunst an. Wagte ein Handwerker, seinen adeligen Schuldner zu mahnen, durfte er auf Misshandlungen sich gefasst machen, verklagte er ihn, erhielt er selten Recht. Erpressungen bei Abschlüssen von Käufen und Verträgen oder bei Rechtsprechungen waren allgemein Sitte. Die Steuern und Abgaben, die sie erhoben, legten sie, gleich der modernen Bourgeoisie, hauptsächlich auf die notwendigsten Lebensmittel, das Rohmaterial und das Handwerk. Ein das ganze bürgerliche Leben häufig störendes Vorkommnis waren die blutigen Raufereien der Geschlechterfamilien unter sich auf Straßen und Märkten. Verführungen und Gewalttaten gegen die Frauen und Töchter der Handwerker waren sehr gewöhnlich, dagegen fand der Beleidigte weder Sühne noch Schutz.

Die Handwerker hatten sich indes zu sehr fühlen gelernt, um sich diese Gewalttaten ruhig gefallen zu lassen. Vom 13. Jahrhundert an brachen überall in den Städten Unruhen gegen die Geschlechter und die häufig mit ihnen verbundene Geistlichkeit aus. Die Beschwerden gegen die Letztere waren ganz ähnliche, wie gegen die Geschlechter. In den Bistumsstädten, wo ein Erzbischof oder Bischof oder Abt das oberste Regiment führte, war die Verwaltung nicht besser wie dort, wo die Geschlechter unumschränkt herrschten. In allen Städten bestanden Klöster und Kirchen die Menge, die große Besitzungen innerhalb der Stadt besaßen, von denen sie schwere Zinse und Abgaben erhoben. Die geistlichen Herren waren wie die Geschlechter von allen städtischen Lasten befreit, die Zehnten und Zinse, die sie in der Gestalt von Lebensmitteln, wie Getreide aller Art, Fleisch, Wein erhoben und bei aller Schwelgerei nicht konsumieren konnten, verkauften sie in den Klöstern zu billigeren Preisen, als dies den Lebensmittelverkäufern bei ihren hohen Abgaben möglich war. Das gab Veranlassung zu bitteren Klagen und Beschwerden. Ihre Anmaßung, ihre höchst sittenlose Lebensweise, wodurch sie die Kirchen und Klöster zu Hurenhäusern machten, setzten dem Hass gegen sie die Krone auf.

Der Kampf zwischen den Bürgern und den Geschlechtern dauerte mit wechselndem Erfolg länger als zwei Jahrhunderte und wurde häufig mit Gewalt der Waffen ausgefochten. Unterlagen die Geschlechter, dann riefen sie ihre Sippe vom Lande oder die fürstliche Gewalt zu Hilfe und suchten durch diese die alten Stellungen wiederzugewinnen. Ein entscheidendes Übergewicht erhielten die Zünfte auf die Dauer nirgend. Bekamen sie das Stadtregiment zeitweilig in die Hände, so waren es die reichen und angesehenen Zünfte, die das Übergewicht erlangten und nun ihrerseits auf die ärmeren Genossen und die von jeder Teilnahme ausgeschlossenen sogenannten „unehrlichen“ Handwerker und Schutzverwandten drückten. Zu Ende des 15. Jahrhunderts standen die Dinge so, dass in der Mehrzahl der Städte die Zünfte sich mit den Geschlechtern in die Herrschaft teilten, doch behielten die Letzteren stets das Übergewicht, wenn nicht durch Zahl, so durch Einfluss und durch die Spaltung, die zwischen reichen und armen Zünften bestand.

Eine Ausnahme von dieser Teilung des Stadtregiments zwischen Geschlechtern und Zünften machten die Hansestädte. Hier hielten die Geschlechter, die meist reiche Kaufherren waren, ihre Herrschaft in voller Reinheit aufrecht. Ja es war Grundsatz des Hansebundes, Städte, wo die Zünfte die Oberhand erhielten, aus dem Bunde auszuschließen. Das geschah zeitweilig Wismar, Rostock, Halberstadt, Braunschweig und Soest. Als in Lübeck es 1408 den Zünften gelang, sich mit den Geschlechtern ins Stadtregiment zu teilen, wurde Lübeck durch Bundesbeschluss die oberste Leitung des Bundes genommen und Hamburg übertragen. Aber 1416 gelang es den Geschlechtern, das alte Regiment wieder herzustellen. Ähnliches geschah um diese Zeit in den anderen vom Bunde ausgeschlossenen Städten, und sie fanden in Folge dessen wieder Aufnahme. Als später wieder neue Revolten der Zünfte in Braunschweig, Bremen, Goslar, Lüneburg und Münster ausbrachen, wurden diese durch Bundeshilfe blutig niedergeschlagen. Die Geschlechter behielten in den Städten im Norden Deutschlands unbeschränkt das Heft in der Hand. Die Macht der Handelsinteressen, die sie auf ihrer Seite hatten, überwog die der Gewerbeinteressen

Der Rat in den mittelalterlichen Städten nannte sich die „Ehrbarkeit“. Zur Ehrbarkeit wurden aber auch sämtliche Familienglieder der Geschlechter und die ratsfähigen Bürger gerechnet. Die Ehrbarkeit war in den Städten des Mittelalters dem zünftigen Handwerker gegenüber, was heute die Bourgeoisie dem Kleinbürger gegenüber ist.

Kaum war der zünftige Handwerkerstand in den Besitz der politischen Mitherrschaft und auf dem Gipfel seiner Macht angelangt, so zeigte sich auch der Beginn der Rückbildung. Kurz zuvor noch ein unterdrückter Stand, fing er jetzt selbst an, Unterdrücker zu werden.

Er erließ Gesetze, die den Zuzug nach den Städten und die Erlangung des Bürgerrechts erschwerten. Letzteres hing mit der Erlangung der Meisterschaft in irgend einem Gewerbe aufs Engste zusammen, und beides wurde immer kostspieliger. Man erließ Beschränkungen in Bezug auf die Zahl der Meister, die in einem Gewerbe vorhanden sein dürften, die Zahl der Gesellen, die ein Meister höchstens beschäftigen könne, die Zahl der Lehrlinge und deren Lehrzeit, die Preise der Arbeiten, ja sogar das Quantum von Waren oder Arbeit, das höchstens ein Meister liefern dürfe. Strenge Handwerksordnungen zwangen die Gesellen unter die Botmäßigkeit der Meister, Lohnordnungen regelten die Löhne, die sie höchstens verdienen und die sonstigen Ansprüche, die sie stellen durften. Das Heiraten war ihnen verboten; der Meister oder die Meisterin, wo sie in Arbeit treten konnten, wurde ihnen vorgeschrieben; sie standen unter der häuslichen Zucht und Aufsicht des Meisters. Endlich entstanden eine große Menge von Gebühren und Abgaben, die Jemand leisten musste, ehe er zum Bürgerrecht und Gewerbebetrieb zugelassen wurde.

Alle diese Zwangsmaßregeln brachten das Gewerbe allmählich zur Verknöcherung, sie machten das deutsche Bürgertum unfähig, den Konkurrenzkampf mit anderen Nationen zu bestehen und sich den Weltmarkt zu erobern, sie schufen aber auch eine zahlreiche Klasse Unzufriedener, die geneigt war, jeder aufrührerischen Bewegung sich anzuschließen.

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Mit der materiellen Verbesserung einer Klasse geht ihr Streben nach politischer Selbständigkeit und geistiger Unabhängigkeit Hand in Hand. Das Streben nach politischer Selbständigkeit der Bürger ist geschildert worden, welches war nun ihr geistiges Streben? Nicht bloß das geistliche, sondern auch das geistige Leben beherrschte in jener Zeit die Geistlichkeit mit der ganzen Einseitigkeit und Beschränktheit, welche der Stand und seine Herrschaft bedingt. In der Opposition gegen die politische Herrschaft der Geistlichkeit musste das Bürgertum notwendigerweise die Rechtstitel untersuchen, auf Grund deren sie sich die Herrschaft angemaßt, also ihre Lehrsätze. In seinem Streben nach neuen Absatzwegen für seine Artikel, in dem Verkehr mit fremden Ländern und Völkern musste der Gesichtskreis sich erweitern und die bestehende Weltanschauung, welche die Geistlichkeit gelehrt, erschüttert werden. Eine tiefe Unruhe erfasste die Geister, die Denkenden fingen an zu grübeln und zu forschen. Die Bibel, die Kirchenväter und die geistlichen Schriften genügten nicht mehr, sie gaben dem nach Wissen dürstenden Geiste keine Aufklärung und Belehrung, sondern nur Widersprüche und Rätsel Was die christlichen Schriften nicht boten, schienen dagegen die altheidnischen Schriften zu enthalten. Man warf sich mit Gier auf das Studium griechischer und römischer Klassiker, die man aus der Vergessenheit hervorzog. Ein vernichtenderes Zeugnis für die angeblich so wertvolle „christliche Kultur und Zivilisation“ gibt es wohl nicht, als die Tatsache, dass, als nach tausendjähriger unumschränkter Herrschaft des Christentums der menschliche Geist wieder zu erwachen begann, dieses Erwachen eine energische Reaktion gegen das Christentum war. Die sogenannte „heidnische“ Kultur ward die Stütze, an welcher der Geist sich aufrichtete, sie wurde der Ausgangspunkt für die moderne Bildung.

Dieser oppositionelle Geist gegen das Christentum hatte sich in ökonomisch weiter entwickelten Ländern, namentlich in Frankreich und Italien, schon einige Jahrhunderte früher bemerkbar gemacht, in Deutschland begann er im 13. Jahrhundert, wenn auch erst leise, sich zu regen. Albertus Magnus zu Köln, gest. 1280, war der erste bedeutende deutsche Gelehrte, der sich namentlich auch mit den Naturwissenschaften beschäftigte und wegen des Reichtums seiner Kenntnisse bei nicht wenigen Zeitgenossen als Zauberer galt und im Geruche der Ketzerei stand. Im 14. Jahrhundert entstanden die ersten deutschen Universitäten, die sich nach und nach über das ganze Reich ausdehnten, und wenn auch zunächst unter geistlicher Leitung, dem Forschungstrieb eine Stätte boten. Es entstanden die Universitäten Prag 1348, Wien 1365, Heidelberg 1387, Köln 1388, Erfurt 1392, Leipzig 1409, Rostock 1419, Freiburg 1452, Greifswald 1456, Basel 1460, Ingolstadt und Mainz 1471, Tübingen 1477, Wittenberg 1502.

Im 14. und 15. Jahrhundert bildeten sich auch in den Städten Schulen, allerdings nicht für das Volk, sondern zunächst nur für die Söhne der reicheren Bürger. Aus diesen Schulen kamen unter anderem die Chronikenschreiber, ein Amt, das früher nur Geistliche versahen.

Mit dem Respekt vor geistlichen Dingen sah es schon um jene Zeit bei dem Bürgertum für die Geistlichkeit nicht erfreulich aus. So wurde 1326 über Frankfurt an der Oder Bann und Interdikt verhängt, weil – die Bürger den Bischof wegen Aufreizung der Polen gegen die Stadt ein Jahr lang gefangen gehalten hatten. Die Folge jener Aufreizung war gewesen, dass die Polen die Obstgärten und Äcker der Stadt verwüstet hatten. Die Bürger von Frankfurt trotzten 28 Jahre lang Bann und Interdikt, und als beides endlich aufgehoben wurde, waren ihnen die kirchlichen Gebräuche und Zeremonien so fremd geworden, dass sie darüber lachten.

Anfangs des 15. Jahrhunderts wurden die Klagen der Geistlichen über den ketzerischen Geist immer lebhafter. Namentlich scheint sich Augsburg in der Pfaffenverspottung hervorgetan zu haben. In einem Liede heißt es von den Augsburgern: „Sie hand gemachet ein Singschul Und setzen oben auf den Stuhl Wer übel redt von Pfaffen.“ Im Anfang des 15. Jahrhunderts begann Johannes Hus seine Reformationsbestrebungen in Prag und Böhmen. Die sozial-politischen Ideen, die dem Hussitentum zu Grunde lagen und im Hussitenkriege am schärfsten hervortraten, werden weiter unten besprochen werden. Hus wurde 1415 vor das Konzil nach Konstanz geladen und dort nebst seinem Freunde und Gesinnungsgenossen Hieronymus als Ketzer verbrannt. Damit waren die ersten bedeutenden Häupter der Kirchenreformation gefallen, aber die Ideen lebten weiter und verbreiteten sich immer mehr.. Auch für die mathematischen Wissenschaften erstanden im 15. Jahrhundert die ersten hervorragenden Lehrer; so Georg Peurbach, gest. 1461, und Johann Müller, genannt Regiomontanus, aus Königsberg in Franken, gest. 1476. Das überall sich regende geistige Leben erhielt einen rascheren Pulsschlag und eine weitere Verbreitung durch die Buchdruckerkunst, die um 1440 erfunden wurde; ihr folgte die Erfindung des Leinen- oder Lumpenpapiers, welches das teure Papyrus und Pergament ersetzte. Die Errichtung der ersten Postanstalten gegen Ende desselben Jahrhunderts war ein weiterer Hebel zur Förderung des geistigen Verkehrs. Von wichtigster Bedeutung für die revolutionäre Bewegung des 16. Jahrhunderts war das Auftreten der Humanisten. Es waren dies Männer, die gleich ihren Vorgängern in Italien sich mit größtem Eifer auf das Studium der klassischen Literatur geworfen hatten; die den Spitzfindigkeiten und Albernheiten der Scholastiker, einer philosophischen Schule, welche das ganze Mittelalter über die Geister beherrschte und alle Absurditäten des Christentums und der Kirchenlehre durch die Vernunft zu rechtfertigen suchte, entgegentraten; die mit Schärfe die Vorurteile der Zeit zersetzten und dem in den Massen gärenden Drange nach Befreiung aus ihrer gedrückten Lage die Bahn brachen. Die hervorragendsten unter den Humanisten sind: Gregor von Heimburg, gest. 1472, Johann von Wesel, Rudolph Agricola, der in Heidelberg lehrte, gest. 1485, Johann Reuchlin, gest. 1522, Conrad Celtes, gest. 1508, Erasmus, gest. 1536. Die Genannten wirkten hauptsächlich auf die gelehrten und geistlichen Kreise. Ihnen schlossen sich an Heinrich Bebel, Professor in Tübingen, welcher in satirischen Schriften das Treiben der Geistlichkeit geißelte, Ulrich von Hutten, der als volkstümlicher politischer Schriftsteller wirkte, ferner der radikale und freigeistige Geschichtsschreiber Sebastian Brandt, dessen „Narrenschiff“, gleich dem um jene Zeit auftauchenden Reinecke Fuchs in den bürgerlichen Kreisen sich großen Beifalls erfreute und eine bedeutende Wirkung ausübte.

Neben den satirischen Schriften Heinrich Bebels und Sebastian Brandts war es namentlich der um 1483 zum ersten Mal gedruckte Till Eulenspiegel, welcher durch seinen derben Spott gegen Fürsten und Pfaffen im oppositionellen Geiste wirkte. Der Till Eulenspiegel wurde das eigentliche Volksbuch, das, von herumziehenden Juden und Tabulettkrämern in Stadt und Land kolportiert, Eingang fand. Es gab um diese Zeit überall auf dem Lande schon Einzelne, die notdürftig zu lesen verstanden und die volkstümlichen Schriften der andächtig lauschenden Menge vorlasen. War Niemand im Dorfe, der den Vorleser machen konnte, dann wurden die Reisenden im Wirtshaus oder einer der in jener Zeit so zahlreichen fahrenden Künstler und Gaukler darum angegangen. Auf diese Art fanden auch die zahlreichen revolutionären Flugblätter, die während der Reformationszeit erschienen, auf dem Lande Verbreitung. Endlich ist noch anzuführen, dass schon zu Ende des 15. Jahrhunderts, also lange vor Luthers Übersetzung, Bibelübersetzungen vorhanden waren, die bei der Bedeutung, welche die religiösen Fragen für jene Zeit hatten, eifrig gelesen, ausgelegt und kommentiert wurden. Alles das trug. dazu bei, die bisherigen Anschauungen umzuwälzen, die Stellung der privilegierten Stände zu erschüttern.

Um das Bild des geistigen Lebens, das zu Ende des 15. und zu Anfang des 16. Jahrhunderts, in höherem Grade als je zuvor, in der Gesellschaft pulsierte, zu vervollständigen und zugleich zu zeigen, wie auf allen Gebieten ein Umschwung sich kund gab, welcher die Einen mit Furcht, die Anderen mit Hoffnung und Freude erfüllte, seien noch die Namen der hervorragendsten Männer auf dem Gebiete der Kunst und verwandten Gebiete erwähnt. Bartholomäus Zeitblom, Martin Schöngauer, Hans Burgkmaier und insbesondere Albrecht Dürer, Hans Holbein und Lucas Cranach erstanden als Vertreter einer neuen Richtung in der Malerei; Peter Vischer trat als geschickter Meister der Gießerkunst hervor; Veit Stoß und Jörg Sylius galten für die bedeutendsten Holzbildhauer; Hans Sachs, der Nürnberger Schuster, rang sich zum gefeierten Dichter des Bürgertums empor; Theophrastus Paracelsus endlich wurde ein berühmter Arzt und Naturforscher und war der erste Professor, der vom Katheder in deutscher Sprache lehrte.

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Welcher Art war nun die Wirkung, welche das Emporkommen und Gedeihen der Städte und die daraus resultierende geistige Regsamkeit auf das Land ausübte?

Die Menge der in den Städten angesiedelten Bevölkerung, die Ansprüche, die das gewerbliche und gesellige Leben machte, wirkten zunächst auf die Bodenkultur. Die Grundherren hatten ein Interesse, größere Flächen urbar zu machen, Wald ausroden, Sümpfe austrocknen zu lassen, neue Kulturen einzuführen. Die Leichtigkeit, womit die Leibeigenen in den Städten Aufnahme fanden, hatte die Grundherren genötigt, das reine Sklavenverhältnis aufzuheben und ihnen Grund und Boden zu eigener Bebauung anzuweisen. Der Unterschied zwischen Hörigkeit und Leibeigenschaft wurde milder. Die verbesserte Bodenkultur, die Zuweisung größerer Stücke Landes trug dazu bei, die materielle Lage der Hörigen und Leibeigenen gegen früher zu verbessern. Der häufige Verkehr des Landvolks in den Städten an Markt-, Sonn- und Festtagen erweiterte seinen Gesichtskreis, lehrte es neue Verhältnisse, aber auch neue Bedürfnisse kennen, die ihm bis dahin unbekannt waren. Dass es sie nicht befriedigen oder ungleich schwerer befriedigen konnte, als die Städter, erregte seine Unzufriedenheit. Waren doch die Städter einst auch Leibeigene und Hörige gewesen. Nichts ist für den Herrn gefährlicher, als wenn der Unterdrückte anfängt, Vergleiche zu ziehen. Mit der steigenden Erkenntnis wurde jeder Druck fühlbarer, und an Druck ließen es die Herren nicht fehlen. Da die Einnahme vom Bodenertrag die Haupteinnahmequelle des Adels und der Geistlichkeit war, ihr Luxus und ihre Verschwendung beständig stiegen, so suchten sie das arme Volk durch immer neue Abgaben auszupressen. Was durch vermehrten Fleiß und die Gunst der Verhältnisse in der Lebensstellung der Hörigen und Leibeigenen sich verbessert hatte, glaubten die Grundherren durch neue Lasten wieder nehmen zu dürfen. Die Zahl der Abgaben stieg ins Unglaubliche. Da bestanden großer und kleiner Zehnt, Gild, Hühnerzins, Bubenzins, Herd- oder Rauchfangsteuer, Kopf-, Heirats- und Erbschaftssteuer, Tranksteuer usw. Daneben bestanden die Frondienste, die der Hörige an drei Tagen in der Woche dem Grundherrn unentgeltlich leisten musste, die Fronfuhren, die Abgaben, welche die Kirche für alle möglichen Zwecke erhob, die Betrügereien, welche die stets an Geld Mangel leidenden Landesherren an Maß, Münze und Gewicht sich erlaubten, die Reichs-, Landes- und Kriegssteuern, welche alle auf den gemeinen Mann abgewälzt wurden. Nehme man dazu die häufigen Verwüstungen der Felder, die Zerstörung von Hab und Gut, welche die Fehden des Adels und die häufigen Kriege der Territorialherren anrichteten, den Schaden, welche das im Übermaß gehegte Wild an den Saaten verursachte, das Verbot der Jagd, des Fischfangs, des Holzfällens bei schweren Leibes- und Lebensstrafen, ferner kleinliche Schikanierungen, wie sie häufig ausgeübt wurden durch den Zwang des Erdbeer- und Schneckenhäuschensammelns, und man hat einen Begriff von der Lage des Landvolks jener Zeit.

Ein anderes Gärungselement kam auf dem Lande hinzu. Dies waren die Freibauern, jene Grundbesitzer, deren Vorfahren dem Stande der ehemaligen niederen Freien angehört hatten, aber nicht reich genug gewesen waren, um in den im 10. Jahrhundert aufkommenden Ritterstand aufzusteigen. Sie saßen als freie Besitzer auf ihrem Grund und Boden und wurden, weil sie persönlich sich mit dem Ackerbau beschäftigten, von ihren ehemaligen Genossen, dem Adel, verächtlich Bauern genannt. Ein Name, der später auf die ganze ackerbautreibende Bevölkerung überging. Diese Freibauern waren eigentlich Reichsunmittelbare, d.h. sie standen unter dem direkten Schutz des Kaisers. Aber mit dem Sinken der kaiserlichen Macht sank auch für sie die Möglichkeit, sich unabhängig zu erhalten. Wo sie nicht in großen Gemeinwesen nahe bei einander wohnten und durch vereinigte Kraft den Gelüsten der Landesherren, sie sich untertänig zu machen, widerstehen konnten, mussten sie sich diesem Los unterwerfen. Sie traten entweder freiwillig in eine Art Lehensverhältnis zu einem Territorialherrn – Fürst, Graf, Bischof, Abt oder sie wurden dazu gezwungen. In diesem Verhältnis hatten sie bestimmte jährliche Abgaben zu leisten, gegen die ihnen der Territorialherr Sicherheit ihres Eigentums und ihrer Person zusagte. Sie waren persönlich frei und saßen als freie Zinsbauern auf ihrem Gut, sie waren auch, da sie im Gegensatz zum Adel einfach und nüchtern lebten, meist wohlhabend. Aber ihre Wohlhabenheit reizte ihre Schutzherren. Diese versuchten ihnen Zinse und Abgaben aufzuerlegen, zu denen sie urkundlich nicht verpflichtet waren, oder versuchten auch sie gänzlich von sich in Abhängigkeit zu bringen, sie hörig und leibeigen zu machen. Wir werden später sehen, durch welche Mittel und mit welchem Erfolg. Solcher Freibauern gab es eine große Anzahl im Norden Deutschlands längs der Nordsee und im Hannoverschen, ferner im Süden in den gebirgigen Gegenden, wie Altbayern, Tirol, Österreich und der Schweiz, wo die Natur des Landes ihre Unabhängigkeit begünstigte, endlich in einzelnen Teilen Schwabens, längs des Rheins und in Westfalen, also Gegenden, wo es zahlreiche und bedeutende Städte gab.

Im Anfang des 15. Jahrhunderts trat zu all den Ursachen und Elementen, welche die Gärung in der Landbevölkerung steigerten, ein neues hinzu. Dies waren die Landsknechte. Die Einführung des Schießpulvers hatte die Kriegsweise bereits verändert, statt der Reiterei fanden die Fußtruppen mehr und mehr Verwendung, die nicht wie heute aus dem Volke rekrutiert, sondern für jeden speziellen Kriegsfall geworben wurden. Landvolk wie Städte lieferten das Material in Hülle und Fülle. Diese Söldner waren meist nichtsnutziges Volk, katilinarische Existenzen, welche die Lust an einem ungebundenen Leben und die Aussicht auf Raub und Beute trieb, sich anwerben zu lassen. Aber es gab darunter auch geschickte und anschlägige Köpfe, welche aus Neigung zu Abenteuern oder um die Welt kennen zu lernen, das Kriegshandwerk ergriffen hatten. War ein Krieg zu Ende und fand sich keine Gelegenheit, sofort bei einem anderen Herrn Dienste zu finden, so trieben sie sich teils vagabundierend umher und taten auch häufig sich zu Räuberbanden zusammen, oder sie kehrten zu einer friedlichen Beschäftigung in die Heimat zurück, das Erworbene nutzbringend anlegend. Dieser letztere Teil war es namentlich, der auf das Landvolk anregend und aufklärend wirkte. Es waren Leute, die weit umher gekommen waren, fremde Länder und Leute gesehen und deren Sitte und Lebensweise kennen gelernt hatten und davon erzählten. Ehemalige Landsknechte dieses Schlags waren es, die später meist an die Spitze der Bauernerhebungen traten.

Viel Grund zu Klagen gab endlich das im 15. Jahrhundert immer mehr zur Herrschaft gelangende römische Recht, welches das bisher geltende öffentliche und mündliche deutsche Rechtsverfahren verdrängte. Das alte deutsche Recht beruhte auf den einfachen Verhältnissen einer nur vom Ackerbau existierenden Bevölkerung. Das Aufkommen des Feudaladels hatte schon die Aufnahme des langobardischen Lehensrechts notwendig gemacht. Durch das Emporkommen der Städte, des Handels und der Gewerbe, mit ausgeprägter Geldwirtschaft und vorzugsweise beweglichem Besitz, war aber das bisherige Rechtssystem durchaus ungenügend geworden. Das Gewohnheitsrecht, welches sich herausgebildet, war zu verschiedenartig und willkürlich. Ein allgemeines deutsches Straf- und Zivilrecht wäre wohl notwendig gewesen, aber dazu fehlte dem Reich die nötige Zentralisation, den Kaisern die Macht und der Wille. Die Geistlichkeit stand von jeher unter römischem Recht. Auf den Universitäten wurde das römische Recht, Mangels eines deutschen Rechts, gelehrt. Dies wurde ausschlaggebend. Das römische Recht wurde allmählich eingeführt. Die Universitäten waren die Präparandenanstalten für die neuen Richter, die als Doktoren des römischen Rechts die Laienrichter aus dem freien Stande verdrängten oder beherrschten. An Stelle des bisherigen mündlichen Verfahrens in Rechtsstreitigkeiten trat ein ungemein weitschweifiges, schriftliches Verfahren, an Stelle des öffentlichen das geheime. Die Rechtsregeln, in lateinischer Sprache abgefasst, verstand der gemeine Mann nicht, ihre Zweideutigkeit und Verwickeltheit gab reichliche Veranlassung zu juristischen Haarspaltereien und Betrügereien. Das Verfahren wurde unendlich schleppend und kostspielig, dem armen Manne, dem vorher schon das Rechtsuchen schwer gemacht war, weil die Richter aus dem Herrenstande waren, wurde es jetzt unmöglich gemacht. Diese so auf die Spitze getriebenen Zustände mussten notwendig früher oder später zu Explosionen führen, und diese blieben nicht aus.


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